Rätselhafter Festschmuck Eine tropische Meeresschnecke und ihr Weg zu den Osterreitern

13. Juli 2020, 16:26 Uhr

Seit Jahrhunderten finden zu Ostern in der sorbischen Lausitz Prozessionen zu Pferd statt. Den traditionellen Pferdeschmuck der Osterreiter zieren kleine, weiße Schalen, über die bislang kaum etwas bekannt ist. Die Künstlerin Karoline Schneider hat sich auf die Suche gemacht und forscht, wie tropische Meeresschnecken aus dem indopazifischen Raum in die Lausitz gekommen sind. Erste Ergebnisse zeigte sie in einer Ausstellung in der Leipziger Baumwollspinnerei.

Eine kleine weiße Schnecke springt Karoline Schneider 2017 plötzlich ins Auge. Auf einem Osterbesuch in der Lausitz erkennt sie die Schalentiere auf den Geschirren der Osterreiter wieder. Karoline Schneider hatte nach ihrem Kunststudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig im Grassi Museum für Völkerkunde gearbeitet. Dort waren ihr die markanten weißen Schalen mit dem Schlitz in der Mitte bereits in den ethnologischen Sammlungen aufgefallen. Nun wollte sie unbedingt herausfinden, wie es die sogenannten Kaurischnecken auf die Geschirre der sorbischen Osterpferde gebracht haben. Dabei merkte sie jedoch schnell, dass bislang kaum etwas über die alte Tradition bekannt ist.

Die Kaurischnecken tauchen weltweit auf und bekommen eine Bedeutung zugeschrieben. Es kann helfen, die sorbische Tradition als Teil der Weltgeschichte neu zu entdecken.

Karoline Schneider Künstlerin

Die Kaurischnecken stammen ursprünglich aus dem indopazifischen Raum. Dort müssen die auf dem Meeresboden lebenden Tiere gefischt werden. Als alte Fangmethode auf den Malediven dienten beispielsweise Palmenblätter, die in die in Lagunen gelegt wurden. Die Schnecke kletterte an die Blattunterseite, um Nahrung zu finden. Die vollen Palmenwedel wurden dann an Land gezogen und am Strand getrocknet. Erst wenn das Fleisch des Tieres verschwindet, wird die typisch glänzende Schale erkennbar.

Wie kamen die Kauris vor Jahrhunderten in die Lausitz?

"Es gibt mehrere Zeiten und mehrere Wege, wie die Kauris in der Welt verbreitet wurden", weiß Karoline Schneider. "Von den Malediven wurden die leeren Schneckenhäuser nach Indien gebracht. Dort waren sie eine Art Währung, wie ein Groschen. Der Name Kauri ist auch die Hindi-Bezeichnung für "kleine Münze". In China war es sogar die allererste und dauerhafteste Währung, ab dem Jahr 2000 vor unserer Zeitrechnung. "Wir nehmen an, dass sie über die Seidenstraße zusammen mit anderen Gütern relativ früh den Weg nach Europa gefunden hat", erklärt die Künstlerin.

Mehr als Schmuck oder Geld

Ihre Recherchen führten Karoline Schneider auch zum Sorbischen Museum in Bautzen, das die Künstlerin bei ihrer Arbeit unterstützt. Auch hier weiß man bislang sehr wenig darüber, wie die Schneckengehäuse den Weg in die Lausitz zu den Sorben gefunden haben. Karoline Schneider hat mehrere mögliche Bedeutungen weltweit ausgemacht, die über die Funktion als Schmuckstück oder eines der ältesten nicht-münzlichen Zahlungsmittel hinausgehen. So werden die Schnecken in Westafrika beispielsweise auch als Orakel für Zukunftsfragen genutzt - eine Tradition, die durch den transatlantischen Sklavenhandel auch auf den amerikanischen Kontinenten populär geworden ist.

Schnecke als Fruchtbarkeitssymbol?

Ein Hersteller der sorbischen Ostergeschirre aus Radibor berichtete Schneider, es sei eine Art militärische Panzerung, der auch schon auf Husarenpferden zu finden war. Andere wiederum sehen in der ovalen Schnecke ein menschliches Auge, das als Schutzzauber gegen den sogenannten Bösen Blick dienen könnte. Karoline Schneider sieht derzeit eher einen Zusammenhang mit der Ähnlichkeit zum weiblichen Geschlechtsorgan. Viele Kulturen haben das zum Anlass genommen, um die Schnecken als Fruchtbarkeitssymbol zu deuten. Die Deutung der Kauri als Vulva könnte wiederum mit dem Brauch der Segnung der Felder durch die Osterreiter zusammenpassen.

MDR | erstmals veröffentlicht am 13.07.2020

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