18.03.2020 | 18:51 Uhr | Update Stau-Chaos an Grenze zu Polen: Soldaten der Bundeswehr im Einsatz
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Die Situation an den deutsch-polnischen Grenzübergängen spitzt sich weiter zu. Viele Menschen im Stau, Helfer versorgen die Steckengebliebenen mit dem Nötigsten. Auch die Bundeswehr ist vor Ort, um Hilfe zu leisten. Zur Enlastung der verstopften A4 in Richtung Polen hat der polnische Grenzschutz weitere Grenzübergänge geöffnet. Die Länge des Staus beträgt am Mittwochabend rund 63 Kilometer.

Wegen der chaotischen Lage auf der Autobahn 4 in Richtung Görlitz ist seit Mittwoch auch die Bundeswehr im Einsatz. Nach Angaben des Landeskommandos Sachsen ist am Nachmittag ein Vorkommando der Panzergrenadierbrigade 37 aus Frankenberg vor Ort eingetroffen. Am Abend sind weitere 50 Soldaten angerückt, zuvor war von 80 die Rede. Sie sollen helfen, die Menschen auf der A4 mit Lebensmitteln, Getränken und Decken zu versorgen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte am Morgen mit Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer telefoniert und um Unterstützung durch die Bundeswehr gebeten. "Ich habe sie gebeten, dass, gerade wenn sich die Situation verschärfen würde, auch von Seiten der Bundeswehr mit unterstützt werden muss", erklärte der Regierungschef im Sächsischen Landtag.
Ich hoffe, dass wir hier zu einer anderen Lösung kommen. 15 Minuten für die Abfertigung eines einzelnen Lkw sind nicht geeignet, um diese Situation zu lösen. Hier muss die polnische Seite schneller reagieren.
Alle Auffahrten ab Ohorn gesperrt
Der Stau auf der A4 war in der Nacht zu Mittwoch auf mehr als 60 Kilometer angewachsen. Im Tagesverlauf hat er sich um zehn Kilometer verkürzt. Nach Angaben des MDR Verkehrszentrums ist der Stau am Abend rund 50 Kilometer lang und erstreckt sich zwischen Burkau und dem Grenzübergang Ludwigsdorf. Von Entspannung könne aber noch keine Rede sein, sagte eine Polizeisprecherin. Lücken wurden geschlossen, Pkws teilweise von der Autobahn abgeleitet - so habe man den Stau zumindest etwas verkürzen können, hieß es.
Zuvor hatte die Polizei nach Absprache mit den polnischen Behörden bereits PKW mit Kindern an die Grenze gebracht, damit diese bevorzugt behandelt werden. Anders als in Lastwagen gebe es in den Autos keine Schlafmöglichkeiten und oft keine Standheizung, so die Polizei. Mittlerweile sind alle Auffahrten auf die A4 zwischen Ohorn und Görlitz gesperrt.
Der Grenzschutz in Polen hat am Mittwochvormittag ebenfalls auf die langen Staus wegen der neuen Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze reagiert und vier weitere Übergänge für den Autoverkehr geöffnet. Pkw, Transporter, Kleinbusse und kleine Laster könnten ab sofort die bislang nur für Fußgänger gedachten Grenzübergänge in Frankfurt/Oder-Slubice, in Kietz-Kostrzyn nad Odra und in Görlitz-Zgorzelec nutzen, teilte der Grenzschutz mit.
Tonnagebegrenzung an weiteren Grenzübergängen
Allerdings gilt an den Übergängen die jeweilige Gewichtsbeschränkung der Straße. So betrage das Höchstgewicht bei der Stadtbrücke zwischen Görlitz und Zgorzelec 7,5 Tonnen, informierte die Bundespolizei. Gleiches gelte für den Übergang nach Kostrzyn nad Odra, sagte eine Grenzschutzsprecherin. Der Übergang zwischen Guben und Gubin sei nur für Pkw möglich.
Die Stadtbrücke von Görlitz nach Zgorzelec ist seit Mittwoch 9:30 Uhr durch den polnischen Grenzschutz geöffnet worden. Bereits am frühen Morgen hatte sich hier eine Autoschlange gebildet. Kontrollen auf Anzeichen einer Infektion werden auch hier durchgeführt. Görlitzer versorgen auch hier die Autofahrer während der stundenlangen Wartezeit mit Wasser. Eine kleine freikirchliche Gemeinde, die ein Café kurz vor der Stadtbrücke hat, weist den Weg zu ihren geöffneten Toiletten.
DRK mit 90 Helfern im Einsatz
Das DRK war bereits in der Nacht mit rund 90 Helfern im Einsatz, um die tausenden Wartenden im Stau zu versorgen. Teils stünden die Menschen bis zu 20 Stunden im Stau, darunter viele Familien, weil viele Polen aufgrund der Corona-Situation in ihr Heimatland reisten, sagte DRK-Sprecher Kai Kranich.
Es ist aus unserer Sicht eine humanitär bedenkliche Situation.
4.000 Essen herangebracht
Es gebe keine Toiletten, keine Versorgung mit Essen. "Wir haben warme und kalte Getränke verteilt und Decken, weil die Nacht kalt war", berichtete Kranich. Über eine Nacht könne das DRK helfen, nicht aber auf Dauer. Es müsse rasch eine Lösung für das "Riesenproblem" gefunden werden, forderte der DRK-Sprecher.
Auch am Mittwoch rotieren die Helfer, um die Menschen auf der Autobahn zu versorgen. 8.000 Brötchen sollen verteilt werden, ab 16 Uhr soll außerdem warmes Essen ausgefahren werden.
Ministerpräsident Michael Kretschmer dankte den Einsatzkräften in der Oberlausitz. "Ich bin dem Landratsamt in Görlitz unglaublich dankbar, dass sie gestern innerhalb von Stunden die Versorgung, die medizinische Versorgung gesichert haben für die Lkw-Fahrer, dass sie Wasser herangebracht haben, dass sie 4.000 Essen herangebracht und verteilt haben. Eine unglaubliche Leistung."
Deutsche Pendler müssen in Quarantäne
Das polnische Gesundheitsministerium hat angeordnet, dass alle Deutschen, die in Polen arbeiten oder wohnen, beim Übertreten der Grenze nach Polen sofort eine zweiwöchige Quarantäne einzuhalten haben. Das gelte mit jedem Grenzübertritt von Neuem. Dagegen könnten polnische Pendler mit einem Genehmigungsschreiben vorerst problemlos passieren, teilte ein MDR-Reporter mit.
Rund um Görlitz geht kaum noch was
Pkw werden in Burkau von der A4 abgeleitet. Auf der Umfahrung über die B6 zwischen Reichenbach und Kodersdorf sowie auf der B115 gibt es mehrere Kilometer Stau. Der Verkehr um Görlitz ist sehr eingeschränkt. Zulieferungen und der Berufsverkehr sind auch für deutsche Pendler mittlerweile sehr schwer.
Quelle: MDR/dk/ma/dpa
Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN
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