30.04.2020 | 18:55 Uhr Sachsen verteidigt Corona-Konzept für Asyl-Erstaufnahme
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Die Corona-Krise stellt auch die Betreiber von Flüchtlingsunterkünften vor Herausforderungen. Sächsische Gerichte kritisieren ungenügende Vorsichtsmaßnahmen und entscheiden, dass Asylbewerber anderweitig untergebracht werden müssen. Die Landesdirektion weist die Vorwürfe zurück und verteidigt die Wohnsitzpflicht. Der Sächsische Flüchtlingsrat fordert eine politische Lösung.

Die Landesdirektion Sachsen hat die Unterbringung von Asylbewerbern in der Corona-Pandemie verteidigt. Präsidentin Regina Kraushaar sagte in Dresden, ihre Behörde tue alles, um ein Infektionsrisiko in den Erstaufnahme-Einrichtungen zu minimieren. Dafür gebe seit Beginn der Pandemie ein umfangreiches Hygiene-Konzept. Dazu gehöre, dass Geflüchtete bei Neuaufnahme zunächst 14 Tage in einer gesonderten Einrichtung untergebracht und auf das Coronavirus getestet würden. Derzeit gebe es keine bestätigten Fälle von Covid-19-Erkrankungen in den sächsischen Asyleinrichtungen, so Kraushaar. Die Bewohner der Einrichtungen seien diszipliniert und "sehr einsichtig". Die Unterbringung sei dort nicht gefährlicher als außerhalb in einer Wohnung.
Hochschwangere Frau in Dresden wird dezentral untergebracht
Die Verwaltungsgerichte in Leipzig und Dresden hatten in drei Fällen den Anträgen von Geflüchteten stattgegeben. Sie wollten wegen der Pandemie und des hohen Infektionsrisikos nicht weiter in ihren Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen müssen. Eine hochschwangere Asylbewerberin wird nun aus einer Dresdner Einrichtung entlassen und dezentral untergebracht. Das Verwaltungsgericht Dresden hatte moniert, sanitäre Gemeinschaftsanlagen und hygienische Vorsorgemaßnahmen in der Einrichtung seien nicht ausreichend, es bestehe ein hohes Infektionsrisiko in der Einrichtung. Die Frau sei deshalb von der Wohnsitzpflicht freizustellen.
Asylsuchende in Sachsen müssen laut Gesetz zunächst zwischen sechs und 18 Monaten in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen. Laut Landesdirektion bestehe daher kein Spielraum, auch nicht in einer Pandemie-Situation. Insgesamt leben laut Landesdirektion in Sachsen rund 2.600 Personen in Erstaufnahmeeinrichtungen.
Die Pandemie als solche rechtfertigt keine Entlassung aus der Erstaufnahmeeinrichtung.
Leipziger Gericht: Abstandsregeln gelten auch für Asyl-Unterkünfte
In einem anderen Fall hob das Verwaltungsgericht Leipzig die Pflicht eines Asylbewerbers auf, in der Erstaufnahmeeinrichtung Dölzig zu wohnen. Das Gericht stellte klar, dass die Abstandsregeln auch in Erstaufnahme-Einrichtungen gelten. Der Mann hatte angegeben sich mit einem anderen Bewohner ein vier Quadratmeter kleines Zimmer teilen müsse. Zudem seien Toiletten, Duschen sowie die Küche für etwa 50 Menschen vorgesehen. Die Landesdirektion wies diese Behauptungen zurück. Jeder Bewohner habe mindestens sechs Quadratmeter zur Verfügung - das Zimmer für zwei Bewohner sei 13,57 Quadratmeter groß. Das Gericht habe die Angaben des Antragstellers nicht ausreichend überprüft, kritisierte Behörden-Chefin Kraushaar. Ihre Behörde wolle den Beschluss deshalb anfechten.
Weiterer Gerichts-Beschluss in Chemnitz
In einem vierten Beschluss hat am Donnerstag auch das Verwaltungsgericht Chemnitz eine Entlassung aus einer Erstaufnahmeeinrichtung beschlossen. Ein alleinstehender Mann könne die Asylunterkunft in Schneeberg verlassen, teilte der Flüchtlingsrat mit. Der Tenor des Beschlusses sei auch dort: "In den Aufnahmeeinrichtungen des Landes besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko". Der Flüchtlingsrat sieht nun die Regierung in der Pflicht und fordert eine politische Lösung. Sachsen sei das erste Bundesland, in dem diese Rechtssprechung erstritten wurde.
Quelle: MDR/kb/epd
Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 30.04.2020 | ab 19:00 Uhr in den Nachrichten