10.06.2020 | 15:04 Uhr Landesfrauenrat Sachsen: Krise auf Schultern der Frauen bewältigt

10. Juni 2020, 15:04 Uhr

Zwei Kinder umarmen ihre Mutter, die am Rande des Nervenzusammenbruchs steht.
Und wieder sind es die Frauen und Mütter, die in der Corona-Krise die Hauptlast der Familienarbeit, Betreuung und Einschnitte managen müssen, kritisieren Frauenrechtlerinnen. Bildrechte: Colourbox.de

Die Vorsitzende des Landesfrauenrats Susanne Köhler hat in der Corona-Krise den "Rückschritt in alte traditionelle Familienbilder" in Sachsen kritisiert. Frauen hätten nicht nur die geringer bezahlten Dienstleistungs- und Pflegeberufe auf dem Rücken gehabt, sondern während des Shutdowns auch Homeoffice, Kinderbetreuung und den Unterricht der Kinder. "Es wurde überhaupt nicht darüber diskutiert, wer zu Hause bleiben sollte. Von außen sah es so aus, dass es meistens die Frauen waren", sagt Köhler im Gespräch im MDR SACHSEN.

Unverhältnismäßig viele Frauen sind zu Hause geblieben, ins Homeoffice gegangen oder wurden gleich in Kurzarbeit geschickt, während die Männer weiter arbeiten gegangen sind.

Susanne Köhler Vorsitzende des Landesfrauenrates Sachsen

Mehrfachbelastungen vor allem für Alleinerziehende

Besonders benachteiligt hätten sich die Alleinerziehenden in Sachsen gefühlt. "Sie haben ganz klar die hohe Mehrfachbelastung während des Shutdowns beklagt. Der Landesfrauenrat hätte sich bei den Betreuungszeiten für Kinder in Kitas mehr Beweglichkeit gewünscht, damit Frauen entlastet worden wären. Ein rollendes System mit stundenweiser Betreuung, notfalls mit den Kindern draußen im Grünen, wäre in Susanne Köhlers Augen machbar gewesen.

Sicht der Frauen in Experten- und Entscheiderrunden

Es müssen bei den Konjunkturprogrammen Maßnahmen gefunden werden, die Frauen nicht mittelbar wieder benachteiligen.

Susanne Köhler Landesfrauenrat Sachsen

Sie ärgert sich in dem Zusammenhang auch über eine Männerrunde Ende Mai, die die Lage der Frauen bewusst ausgeblendet habe. Ihre Kritik bezieht sich auf die Vorstellung des Konjunkturprogrammes der IHKs und Handwerkkammern Ende Mai. "Sechs Präsidenten stehen beim Fototermin und sagen: 'Manchmal ist es gut, wenn keine Frauen dabei sind'", zitiert Köhler die Herren-Riege im Dresdner Hygienemuseum.

Viele Frauen arbeiten in Minijobs, im informellen Sektor oder sind anderweitig prekär beschäftigt und somit in Krisenzeiten kaum geschützt. Damit langfristig nicht doch vor allem Frauen finanziell unter der Pandemie leiden, ist es umso wichtiger, dass Maßnahmen zur Abmilderung der Corona-Krise nicht nur Männerberufe in der Industrie in den Fokus nehmen.

Deutscher Frauenrat zur Lage von Frauen in Corona-Zeiten

Frauensicht in möglicher zweiter Pandemiewelle einbeziehen

Damit die Sicht von Familien und Frauen aber zur Geltung kämen, müssten bei Krisen- und Konjunkturprogrammen sehr wohl Frauen in den Gremien sitzen, ihre Sicht einbringen und mit entscheiden, meint der sächsische Landesfrauenrat. "Frauen müssen aktiv mit einbezogen werden", verlangt Susanne Köhler. Sollte es eine zweite Corona-Welle geben, wünscht sie sich, dass das Land Sachsen aus dem Frühjahr 2020 seine Lehren zieht. "Bei künftigen Entscheidungen zu Kitas und Schulen muss man mehr auf die jeweilige Lebenssituationen der Eltern und Alleinerziehenden eingehen."

Sachsens Justiz- und Gleichstellungsministerin Katja Meier nahm die Kritik des Landesfrauenrates unlängst auf: "Bei Konjunkturprogrammen muss man den Blick auf Frauen haben und sehen, welche Branchen unterstützt werden. Beim Pflegebonus kann es nicht bleiben", meint Meier. Sachsen zahlt Pflegekräften einen Bonus in Höhe von 500 Euro und stockt damit die Prämie des Bundes von 1.000 Euro auf. Das Land werde auf Bundesebene gerade für die Gesundheitsberufe über eine bessere Bezahlung diskutieren, kündigt Katja Meier an.

"Schlimme Zeit" für Opfer häuslicher Gewalt

Die Landesfrauenratsvorsitzende Köhler arbeitet als Anwältin für die Rechte von Frauen und Kindern. Wochenlang habe sie in der Corona-Krise bei sächsischen Gerichten keine Termine bekommen, um Kinder und Frauen vor Gewaltübergriffen schützen zu können. "Aus Sicht der von häuslicher Gewalt Betroffenen war das eine schlimme Zeit", konstatiert Köhler. Opfer seien ihren Peinigern zu Hause nicht entkommen, Jugendamtsmitarbeiter hätten nicht persönlich kontrollieren können, helfende Instanzen wie Erzieher, Lehrer oder die Arbeitsstelle seien wegen des Shutdowns unererreichbar geblieben.

Auch die großen Frauenhäuser seien in der Krise an Grenzen gekommen. "Große Häuser haben Probleme, sobald eine Person infiziert ist. Nämlich dort, wo mehrere Frauen ein Bad, eine Küche gemeinsam nutzen", sagte sie.

Dennoch konnten Frauen auch in der Corona-Krise Zuflucht in Frauenschutzhäusern finden. Kurzfristig habe es auch Ersatzwohnungen gegeben, sodass Sachsen eine "umfassende Abdeckung von Frauenschutzhäusern" hatte.

Quelle: MDR/kk

Das Thema Pflegebonus im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 09.06.2020 | 17:00 Uhr in den Nachrichten

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