09.05.2020 | 06:00 Uhr Radebeul: Museumsdirektor lässt kein gutes Haar an Karl-May-Stiftung
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Keine guten Rauchzeichen über dem Radebeuler Karl-May-Museum: Denn erneut macht das Haus mit Personalquerelen Schlagzeilen. Innerhalb von sechs Jahren muss zum dritten Mal der Chefposten neu vergeben werden. Erstmals aber wird die Debatte über die Führungskultur so schonungslos öffentlich gemacht. Der scheidende Direktor Christian Wacker hat in einem mehrseitigen Schreiben seine Gründe für die Kündigung dargelegt.

Von Mobbing ist die Rede, von "dorfschulmeisterlichen" Belehrungen und von Einmischung in die Museumsarbeit. Das fast dreiseitige (MDR SACHSEN vorliegende) Schreiben des scheidenden Direktors des Karl-May-Museums Radebeul, Christian Wacker, hat es in sich. Der weltweit geschätzte Museumsexperte legt am Tag, als sein Rückzug aus dem Museum öffentlich gemacht wird, umfassend seine Sicht der Dinge dar, die ihn dazu bewogen haben, Radebeul nach nur zwei Jahren wieder zu verlassen. Aus Gründen der Transparenz, wie er schreibt.
Viel Geld für juristische Auseinandersetzungen draufgegangen
Im Zentrum seiner Kritik steht insbesondere das Verhalten des Stiftungsvorstandes. Dieser habe ihn einerseits nicht in "originäre Prozesse eines Geschäftsführers" eingebunden, so Wacker. Bereits vor seinem Amtsantritt habe die Stiftung förderschädlich gehandelt, indem sie einen Generalvertrag für den geplanten Neubau mit einem Radebeuler Architekturbüro unterschrieben habe, bevor überhaupt Förderanträge gestellt worden waren.
In die zu klärenden Gespräche mit dem Bund - der Fördermittel in Höhe von vier Millionen Euro in Aussicht gestellt hatte - über Konsequenzen aus diesem förderschädlichen Verhalten und dem Architekturbüro sollte Wacker nach eigenen Aussagen nie eingebunden werden. "Von Beginn an war ich äußerst verwundert darüber und habe dies bei verschiedenen Gelegenheiten auch angesprochen." In der Folgezeit sei stattdessen viel Geld in juristische Auseinandersetzungen und Honorarforderungen um den Generalvertrag geflossen. Geld, das nun offenbar für den Neubau fehlt.
Zum Zeitpunkt meiner Einstellung zum 1.4.2018 war das Konto der Stiftung gut gefüllt, was mehr als ausreichend dafür gewesen wäre, das gesamte Projekt soweit vorzubereiten, dass Förderanträge offiziell gestellt hätten werden können.
Keine Gerüchte um Karl Mays Homosexualiät nähren

Gemeinsam mit dem Museumsteam überarbeitete Wacker das alte Konzept des geplanten Besucherzentrums, um ein "Museum der Zukunft" zu konzipieren. Zum 90. Geburtstag des Museums am 1. Dezember 2018 schließlich präsentierte er die neuen Pläne. "Seitdem ist allerdings nichts geschehen."
Weiter beklagt Christian Wacker den mangelnden Reformwillen des Vorstandes. Um das Museum zukunftstauglich machen zu können, müsse es "inhaltlich, technisch und ideologisch entstaubt" werden. Es müsse ein Ort des Diskurses sein. Geschockt sei er auch darüber gewesen, dass sämtliche Diskussionen, die dem Gerücht, Karl May sei homosexuell gewesen, neue Nahrung gegeben hätten, unterbunden worden seien. Dabei sehe die Satzung der Stiftung die "Absicht der Ausbreitung von Toleranz" vor, so Wacker.
Wenn sich eine Kultureinrichtung heutzutage nicht den Diskussionen der Gesellschaft stellt, darf sie auch keine Unterstützung derselben erwarten. Für das Karl-May-Museum übersetzt bedeutet dies, die gesamte Karl-May-Szene und alle Interessierten darüber hinaus mitzunehmen und eine Bühne zu schaffen, Karl May auch anders deuten, ihm gegenüber auch Kritik äußern zu dürfen und ihn eben nicht nur auf einen Sockel zu stellen.
"Regelkonforme Stiftungswahrheit"
"Anfangs irritiert, später schockiert war ich darüber, dass in der Stiftung eine Meinung vertreten werden sollte, die der eines Mitgliedes des Vorstands entsprechen musste. Sämtliche Themen zu Karl May wurden so über eine einzige Person kanalisiert, deren Einschätzungen als regelkonforme Stiftungswahrheit galten", schreibt Wacker weiter. Sehr bald sei er daran erinnert worden, Weisungsbefugnisse umzusetzen.
Als promovierter Kulturwissenschaftler erachte ich es als Anmaßung, mich in stundenlangen Telefonaten oder seitenlangen E-Mails dorfschulmeisterlich belehren lassen zu müssen.
Wacker nimmt Job in Kuwait an
Wacker spricht von einem klassischen Mobbing besagten Vorstandsmitgliedes, dem er sich nicht länger aussetzen werde. Nachdem er lukrative Jobangebote in Kairo und im Saarland 2019 ausgeschlagen habe, habe er nun das Angebot angenommen, Generaldirektor einer Museums- und Kultureinrichtung in Kuwait zu werden.
Nächste Woche außerordentliche Vorstandssitzung
Und nun? Christian Wacker ist nach René Wagner und Claudia Kaulfuß die dritte Führungskraft, die in einem Zeitraum von sechs Jahren das Museum verlässt. Der Radebeuler Oberbürgermeister und Mitglied des Stiftungsvorstandes Bert Wendsche sagte am Freitag auf Anfrage von MDR SACHSEN, dass es in der kommenden Woche eine außerordentliche Vorstandssitzung des Stiftungsrates geben soll. Dort würden weitere Schritte beraten, auch in Abstimmung mit dem Kuratorium.
Uns ist nicht daran gelegen, in der Öffentlichkeit dreckige Wäsche zu waschen oder weiter Öl ins Feuer zu gießen.
Wendsche kritisierte das Vorgehen Wackers. "Dass jemand geht, weil er eine gute Stelle woanders bekommt, ist okay. Dass jemand, der bis zum 31. Mai Geschäftsführer eines Unternehmens ist, mit einem derartigen Schreiben und mit derartigen Vorwürfen an die Öffentlichkeit geht, ist, vorsichtig gesagt, gewöhnungsbedürftig."
Quelle: MDR/dk
Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 08.05.2020 | ab 17:30 Uhr in den Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden