An einer Bushaltestelle ist mit schwarzer Farbe "Wild = Volksverräter" gesprüht worden
Bildrechte: Gunter Wild

Landespolitik AfD-Vogtland bleibt problematisch - Führungschaos nach Nazi-Montagen

29. Juni 2018, 09:19 Uhr

Im Mai hat ein AfD-Kreisverband aus Sachsen bundesweit von sich reden gemacht: Im Vogtland hatten AfD-Mitglieder in einer Whatsapp-Gruppe neonazistische und gewaltverherrlichende Fotomontagen miteinander geteilt. Eine Erschießung der Bundeskanzlerin durch Soldaten war eines der geschmacklosen Motive. Der Landesvorstand der AfD Sachsen hat nach Bekanntwerden Parteistrafen verhängt, die wollen jedoch nicht alle akzeptieren. Die AfD im Vogtland bleibt also ein Problemfall. Und wie MDR Sachsen jetzt erfahren hat, müssen ehemalige AfD-Mitglieder aus der Region sogar persönliche Übergriffe befürchten.

Auch Wochen nach Bekanntwerden der Chat-Gruppe "AfD Spass" ist nicht klar, wie es mit der AfD im Vogtland weitergeht.  Zum Beispiel lässt sich die profane Frage, wer im Moment der Kreisvorsitzende ist, nicht beantworten. Der Landesvorstand der AfD hatte den bisherigen Vorsitzenden Steve Lochmann, der in der Chatgruppe Mitglied war, mit sofortiger Wirkung des Amtes enthoben. Doch der akzeptiert das nicht, hat das parteieigene Schiedsgericht angerufen. Lochmann meint, er sei immer noch Vorsitzender und ist zu keiner weiteren Äußerung bereit. Wortkarg zeigt sich auch der AfD-Landesvorstand.  Generalsekretär Jan Zwerg hatte diese Woche extra im Vogtland die Akteure ins Gebet genommen. Zum Inhalt des Gesprächs schweigen alle. Leicht wird es nicht, in der Vogtland AfD aufzuräumen, sagt Gunter Wild. Er hat den AfD-Kreisverband Vogtland gegründet und war lange Vorsitzender. Nach der Bundestagswahl trat er aus der AfD aus, auch wegen der radikalen Richtung, in die sich sein Kreisverband entwickelt hat.

Die Tendenzen gab es im Vogtland bestimmt schon ein Jahr, aber in dieser Heftigkeit, wie sie jetzt aufgetaucht sind, war ich selbst sehr bestürzt.

Gunter Wild Landtagsabgeordneter

"Liebe Flüchtlinge, an diesen Mützen erkennen Sie ihren Sachbearbeiter". Ein Bild einer SS-Mütze mit diesem Spruch verschickten einstige Weggefährten von Wild in der besagten Chat-Gruppe.

Dieselben Personen wollten in Wilds Amtszeit polemische Flugblätter über einen angeblichen Moscheebau in Plauen verbreiten, erzählt  der jetzt fraktionslose Landtagsabgeordnete Wild. Er selbst habe das verhindern können, so Wild. Monate später wurde er selbst Thema von Flugblättern. Nach seinem AfD-Austritt wurde eine Art Steckbrief von ihm verbreitet – gespickt mit Beleidigungen. In seinem Dorf wurden Hauswände und Bushaltestellen besprüht. Wild Volksverräter stand da. Wer die Täter waren, konnte die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln.

Aber allein die Öffentlichkeit, dass ich aus der Fraktion ausgetreten bin, hat Angriffe auf meine Person bewirkt, die ich vorher überhaupt nicht gekannt hab.

Gunter Wild Landtagsabgeordneter

An einer Hauswand ist mit weißer Farbe "Volksverräter" gesprüht worden
Bildrechte: Gunter Wild

Diese Einschüchterungsversuche wirken nach. Noch nie – bis jetzt – hat Wild öffentlich darüber geredet. Aus Angst vor Übergriffen geben auch andere ehemalige AfDler aus dem Vogtland keine Interviews, reden nur ohne Mikrofon, bestätigen in diesen Gesprächen Wilds Berichte. Und Wild, der jetzt in der blauen Partei von Frauke Petry ist, hat Schutzmaßnahmen getroffen.

Ich habe mittlerweile aus Vorkehrungsgründen alle Aufkleber auf meinem  Auto, auf denen mein Name, meine Adresse und meine Telefonnummer stand, abgemacht. Man hat wirklich das Gefühl, es könnte jeden Tag wieder passieren, das ist schon wahr.

Gunter Wild Landtagsabgeordneter

Vor diesem Hintergrund schüttelt Wild den Kopf über eine E-Mail, die der AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban jüngst an alle Mitglieder geschickt hatte. Darin warnt Urban vor dem Hintergrund der vogtländischen AfD-Chatgruppe davor, dass die AfD vom Verfassungsschutz unterwandert werde. Diese V-Leute würden verfassungsfeindliche Bilder verbreiten und dadurch der AfD bewusst schaden – teilte Urban den Parteimitglieder mit. So als sei das radikale Gedankengut von außen in die Partei hereingetragen worden. Dabei könnte der Landesvorsitzende schnell in Erfahrung bringen, dass die AfD in Sachsen nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird: Der AfD-Landtagsabgeordnete Carsten Hütter ist in der Parlamentarischen Kontrollkommission und wird aus erster Hand über Aktionen des Verfassungsschutzes informiert. Die AfD Fraktion ist also darüber im Bilde, dass ihre Partei in Sachsen derzeit gar nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf. Dazu müsste erst ein monatelanges Prüfverfahren gestartet werden.

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 29.06.2018 | 7:46 Uhr

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