Trotz Kritik AfD Sachsen will Lehrer-Beschwerdeportal starten

12. Oktober 2018, 19:38 Uhr

Kritiker sprechen von Denunziation und Stasi-Methoden. Doch die AfD hält an ihrem Online-Portal fest, auf dem Schüler Lehrer melden können, die sich nicht politisch neutral verhalten - sprich: die AfD im Unterricht kritisieren. Am Freitagabend soll das Portal starten. Die Bundesländer wollen das Portal juristisch prüfen lassen.

Die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag hält trotz massiver Kritik an ihrem "Lehrer-Pranger" nach Hamburger Vorbild fest.

Wie Landes- und Fraktionschef Jörg Urban am Freitag mitteilte, heißt das Online-Portal "Lehrer-SOS" und soll noch am Freitagabend freigeschalten werden. Schüler, Eltern und auch Lehrer sollen auf dem Portal Verstöße gegen das Neutralitätsgebot für Pädagogen melden können. Die AfD sieht darin ein "Demokratie-Projekt für Sachsens Schulen".

Aus Sicht der AfD hat das nichts mit einem Pranger oder Denunziation zu tun. Kritiker sehen das anders und werfen der AfD Stasi-Methoden vor. "Wir erleben zunehmend, dass Schulen leider nicht mehr politisch neutral agieren", sagte Urban. Es gebe immer mehr Meldungen von Eltern und Schülern, dass in der Schule die AfD kritisiert und verächtlich gemacht werde. Schüler und Eltern würden eine Verletzung des Neutralitätsgebotes bei den Schulbehörden aber nicht melden, weil sie Nachteile befürchten.

AfD auf der Suche nach "Problemschulen"

AfD-Bildungsexperte Rolf Weigand ging davon aus, dass sich der Großteil der Lehrer an die Regeln hält. Es gebe aber auch wenige "schwarze Schafe". Laut Urban sollen Vorfälle mit Datum, Uhrzeit, Ort, Schule und Unterrichtsfach gemeldet werden. Man werde aber nicht Namen der Lehrer weitertragen und auch die Namen von Schülern und Eltern schützen. Nur in "extremen Einzelfällen" erwäge die AfD, sich mit Ross und Reiter an das Ministerium zu wenden. Wer etwas meldet, soll seine Rufnummer oder Mailadresse hinterlassen, damit Rücksprache erfolgen kann. Nach interner Bewertung will die AfD dann direkt den Kontakt zum Kultusministerium oder zur Schulbehörde suchen. Man wolle auch sehen, ob es möglicherweise auch "Problemschulen" gibt, hieß es.

Bundesländer wollen Portal juristisch prüfen lassen

Die Bundesländer wollen die AfD-Internetplattformen zur Meldung AfD-kritischer Äußerungen von Lehrern rechtlich überprüfen. Dabei gehe es vor allem um die Frage, ob Persönlichkeitsrechte von Lehrkräften betroffen seien, sagte der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Thüringens Ressortchef Helmut Holter, am Freitag nach einer KMK-Sitzung in Berlin. "Das erfordert eine tiefe juristische Prüfung."


Kritik von allen Seiten

Nach Bekanntwerden der Pläne gab es scharfe Kritik von Parteien und Verbänden.

  • Der Landesschülerrat Sachsen hält das Online-Portal für "schwachsinnig und undemokratisch". Es stimme zwar, dass Lehrkräfte parteipolitisch neutral bleiben müssen, erklärte Landesschülersprecher Noah Wehn. Das schließe ein, weder für noch gegen eine Partei gezielte politische Werbung zu machen: "Doch Lehrkräfte haben ebenso den Auftrag, in der politischen Bildung zur Diskussion und zur kritischen Betrachtung anzuregen - nur so kann die Ausbildung von Mündigkeit funktionieren."
  • Kultusminister Christian Piwarz (CDU) verurteilte das Vorhaben scharf und sprach von einer "ekelhaften Gesinnungsschnüffelei, wie man sie noch aus Zeiten der Nazi-Diktatur oder von der Stasi kennt". "Ein Lehrer muss in seiner Unterrichtsgestaltung, gerade wenn es um die Vermittlung des gesellschaftlichen Zusammenhalts geht, Vielfalt auch darstellen und Diskursfähigkeit ermöglichen", so der Kultusminister. "Ich habe die Sorge, dass Lehrer durch solchen Maßnahmen eingeschüchtert werden", so Piwarz im Gespräch mit MDR SACHSEN.
  • Die Lehrergewerkschaften GEW und Sächsischer Lehrerverband forderten die AfD auf, auf das Portal zu verzichten. Sie sehen darin einen Rükschritt in Zeiten, als Lehrer wegen ihrer politischen Meinung mit Strafmaßnahmen rechnen mussten.
  • Parteiübergreifend erklärten auch SPD, Linke, Grüne und die Blaue Partei das Portal als unsinnig, mit dem Lehrer eingeschüchtert werden sollen.

Quelle: MDR/dk/dpa

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSENSPIEGEL | 12.10.2018 | 19:00 Uhr

Mehr aus der Landespolitik

Mehr aus Sachsen

Zwei Männer stehen neben Mopeds. mit Video
Bei ihnen kommt kein Motorrad auf den Müll. Die rote Jawa hatte Kurt Lötzsch’s Vater 1954 gekauft. Mittlerweile blitzt das Zweirad wieder. Und rollt so oft es das Wetter zulässt. André Singer ist mit seiner himmelblauen DKW stets dabei. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk / Kathrin Welzel