"Fakt ist ...!" aus Dresden Der Kampf um Platz auf Autobahnen und Schienen

10. April 2018, 08:39 Uhr

Wächst uns der Lkw-Verkehr über den Kopf? Das ist die Ausgangsfrage, die Moderator Andreas F. Rook der aktuellen "Fakt ist ...!"- Sendung vorangestellt hatte. Bevor seine vier Gäste live in Dresden Ideen zur Entlastung mitteldeutscher Straßen diskutieren konnten, beleuchteten sie Fehlentscheidungen bei der Bahn und Politikern, Schieflagen unseres Konsum-Denkens und absolvierten einen Schnellkurs in volkswirtschaftlicher Kostenanalyse. Kurzum: Viel Zündstoff für eine Stunde MDR-Talk.

Verkehrswissenschaftler Udo Becker kann die Verwunderung über Staus, Unfälle und Brummi-Schlangen auf Autobahnen wie der A4 nicht nachvollziehen. "Das Aufkommen war vorhersehbar. Wenn man aber die Autobahnen attraktiver macht als die Schiene oder Wasserwege, muss man sich nicht wundern, dass sie auch genutzt werden." Becker sieht auch im geänderten Konsumverhalten und Online-Shopping der Menschen eine Ursache für den Lkw-Andrang. Eine Entwicklung, der der Chemnitzer Spediteur Tino Bauer zustimmt:

Die Fahrer können einem leid tun. Es haben sich Zustände entwickelt, die nicht mehr hinnehmbar sind. Es ist grausam.

Tino Bauer Spediteur aus Chemnitz

Bauer sieht den Zustand auf der Straße als Folge eines vernachlässigten Schienennetzes. Große Logistik-Firmen hätten keine Gleisanschlüsse, für viele Mittelständler sei ein Bahnanschluss zu teuer. Sein Fazit: "Der klassische Lkw-Verkehr ist einfach zu billig im Vergleich zum Bahnverkehr."

Dulig will Vielfalt der Transportwege

Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig sprach sich für eine Vielfalt der Transportwege aus: Für den Ausbau der A4 rings um Dresden und in Richtung Görlitz und für mehr Güter auf der Schiene. Konkret nannte der SPD-Politiker die Verbreiterung der Autobahn. Auch sollten Seitenstreifen der A4 als Fahrspuren genutzt werden dürfen, um flexibel mit Verkehrssituationen umgehen zu können. "Es geht auch um die Sicherheit der Menschen auf der Straße", betonte er. Deshalb wolle Sachsen auch die Anzahl der Lkw-Stellplätze auf Rastplätzen verdoppeln. Die aktuell vorhandenen 580 Plätze für Brummifahrer auf den sächsischen Autobahnen reichten längst nicht aus.

Wir leiden hier in Sachsen unter den Fehlentscheidungen der Bahn und Politik der 1990er-Jahre, dass Sachsen vom Fernverkehr abgehängt ist.

Martin Dulig Verkehrsminister Sachsen

Gleichzeitig sieht der Minister im Güterverkehr auf der Schiene "große Chancen", die Autobahnen vom Lkw-Verkehr zu entlasten. Ende des Jahres eröffne die Deutsche Bahn die niederschlesische Magistrale, eine modernisierte Bahnstrecke, auf der Frachten auf der Schiene von Leipzig und Berlin aus über Knappenrode/Horka in die osteuropäischen Nachbarländer rollen sollen, so Dulig.

 Verkehrswissenschaftler dämpft Erwartungen

Duligs Argumentation wollte sich Verkehrswissenschaftler Becker nicht anschließen: "Es tut mir leid, aber diese Hoffnungen werden enttäuscht werden." Im Grunde wolle niemand noch mehr Straßenverkehr haben. Mit dem Ausbau von Straßen und Autobahnen gestalte Deutschland den Straßenverkehr immer attraktiver, ohne dass ein Teil der Volkswirtschaft die Kosten Straßenbau, Lärm, Abgase oder Dumping-Löhne bei den Lkw-Fahrern bezahle. 

Es muss teuer sein für Amazon, mit dem Sprinter durchs Land zu fahren.

Udo Becker Verkehrswissenschaftler TU Dresden

Autobahnen nicht attraktiver machen 

Deshalb ist der von Dulig skizzierte Straßenausbau für den TU-Wissenschaftler Udo Becker keine Lösung, um den Lkw-Verkehr einzudämmen. Wenn Bahnstrecken und Wasserstraßen fertig gebaut sind, "müssen wir alles dafür tun, dass die Autobahn parallel nicht noch attraktiver wird". 

Man sollte dem Verkehr nicht noch hinterher bauen, meinte auch der grüne Verkehrspolitiker Stephan Kühn. Grenzüberschreitende Schienenkonzepte sieht er als Chance für Sachsen. Kuehn forderte Verkehrsminister Dulig direkt auf, sich dafür einzusetzen, dass sich auch Polen und Tschechien an den Planungstischen einbringen. "Wir brauchen ein grenzüberschreitendes passgenaues Logistikkonzept mit den richtigen Ansprechpartnern. Sachsen kann so etwas als Impulsgeber moderieren", sagte Kuehn. 

Wir müssen endlich auch die Maßnahmen umsetzen, dass der Verkehr auf die Schiene kommt.

Stephan Kuehn Verkehrspolitiker

Auch Spediteure gefragt 

Obwohl der Chemnitzer Firmenchef Bauer jeden Tag 50 Laster rollen lässt, sei auch für ihn als Spediteur die Schiene der klügste Logistik-Weg für die Zukunft. Lkw werde es immer geben, lange Strecken könnten aber über sogenannte rollende Landstraßen zurückgelegt werden. Mit diesem Transportsystem kann man mit Spezial-Zügen bis zu 50 Lastwagen per Bahn befördern. Das müsse klug organisiert werden – auch von seiner Zunft. "Wir Spediteure müssen uns zusammentun, Waren sammeln, bündeln und auch von Kollegen diskriminierungsfrei auf die Schienen bringen", erklärte Bauer.

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR FERNSEHEN | 09.04.2018 | "Fakt ist ...!" aus Dresden | 22:05 Uhr

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