Rechtsextremismus-Vorwurf Grüne fordern Konsequenzen aus Suspendierung eines Leipziger Polizisten

27. September 2020, 13:01 Uhr

Rechtsextreme Vorfälle - auch in Sicherheitsbehörden - beschäftigen Politik und Ermittler in nicht unerheblichem Ausmaß. Das Phänomen ist nicht neu, rückt aber am 40. Jahrestag des Oktoberfestattentats und aufgrund aktueller extremistischer Taten erneut in den Fokus. Die in Sachsen mitregierenden Grünen fordern weitere Konsequenzen, um rechtsextremen Tendenzen in den Sicherheitsbehörden zu begegnen.

Der sächsische Grünen Innenexperte Valentin Lippmann fordert, eventuell bestehende rechtsextreme Netzwerke bei der sächsischen Polizei und anderen Sicherheitsbehörden umfassend aufzudecken. Er nahm am Sonntag Bezug auf einen Polizeibeamten der Polizeidirektion Leipzig, der wegen des Verdachts, sich in Chats rechtsextremistisch und rassistisch geäußert zu haben, vom Dienst suspendiert wurde. "Der Vorfall und dessen Reichweite müssen vollumfänglich aufgeklärt werden", forderte Lippmann. Dabei gelte es zu ergründen, ob der Beamte in weiteren Chatgruppen auch mit sächsischen Polizeibediensteten rechtsextreme Inhalte geteilt hat.

Rechtsextreme Tendenzen in den Sicherheitsbehörden untergraben das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des staatlichen Gewaltmonopols und dürfen nicht einmal im Ansatz geduldet werden. Es braucht einmal mehr umfassende Anstrengungen gegen Verfassungsfeinde im Staatsdienst.

Valentin Lippmann, Innenexperte der Grünen in Sachsen

Lippmann-Appell an Koalitionspartner und Innenminister Wöller

Lippmann wandte sich in einer Presseerklärung direkt an Innenminister Roland Wöller (CDU) mit der "dringlichen Bitte, die im Innenministerium Anfang September eingerichtet Koordinierungsstelle für Extremismusabwehr und -prävention in den Sicherheitsbehörden, die auch eine anonyme Meldung von Verdachtsfällen zulässt, in der Polizei und Öffentlichkeit umfassend bekanntzumachen." Der Innenminister und die Polizeiführung müssten das deutliche Signal nach innen senden, dass Bediensteten, die rechtsextreme Vorfälle in den eigenen Reihen melden, der Rücken gestärkt werde.

Die im Freistaat mitregierenden Grünen wollen den Koalitionspartnern die Beauftragung einer wissenschaftlichen Studie zu rechtsextremen und menschenfeindlichen Positionen in den Sicherheitsbehörden in Sachsen vorschlagen.

Bundespräsident fordert konsequentes Vorgehen gegen rechtsextreme Netzwerke

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Sonnabend zum 40. Jahrestag des Oktoberfestattentats in München ein konsequentes Vorgehen gegen rechtsextreme Netzwerke gefordert. "Die rechtsterroristischen Mordtaten der vergangenen Jahrzehnte waren nicht das Werk von Verwirrten", sagte er. Die Täter seien vielmehr "in Netzwerke des Hasses und der Gewalt" eingebunden gewesen.

Wir wissen: Rechtsextremistische Netzwerke existieren.

Frank-Walter Steinmeier Bundespräsident

"Die Mordserie des NSU hat Licht in diesen toten Winkel der Strafverfolgung gebracht", so Steinmeier weiter. Hier sei zugleich deutlich geworden, dass "Ermittlungen ins Leere laufen, wenn sie nicht, wie es sein sollte, vorbehaltlos erfolgen".

Steinmeier wies in seiner Rede auch auf Vorkommnisse innerhalb der Polizeibehörden hin, etwa die unlängst aufgedeckte rechtsextreme Chatgruppe innerhalb der Polizei in Nordrhein-Westfalen. "Wegschauen ist nicht mehr erlaubt", sagte das Staatsoberhaupt.

Oktoberfestattentat Das Münchner Oktoberfest war am 26. September 1980 Ziel des schwersten rechtsextremistischen Anschlags in der Nachkriegsgeschichte. Der Attentäter Gundolf Köhler hatte am Haupteingang zum Festgelände in einem Abfallkorb eine Bombe abgelegt und gezündet. Neben dem Attentäter kamen zwölf Oktoberfestbesucher ums Leben, 221 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Ursprünglich nahmen die Ermittler an, Köhler habe den Anschlag als unter Prüfungsstress stehender Student mit Liebeskummer verübt. Inzwischen geht die Bundesanwaltschaft von einem rechtsextremistischen Motiv aus. (AFP)

Sicherheitsbehörden: Bundesweit 350 Verdachtsfälle auf Rechtextremismus

Indessen wurde bekannt, dass es in den deutschen Sicherheitsbehörden offenbar mehr als 350 Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus geben soll. Wie die "Welt am Sonntag" berichtete, steht das im ersten Lagebericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Erfasst wurde in dem Bericht der Zeitraum von Januar 2017 bis März 2020. Abgefragt wurden der Bundesnachrichten-Dienst, der Militärische Abschirmdienst, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei, außerdem die 16 Länderpolizei-Behörden und die Verfassungsschutz-Ämter. Die meisten Rechtsextremismus-Verdachtsfälle meldete dem Bericht zufolge Hessen.

Quelle: MDR/lam/sw/AFP

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 25.09.2020 | ab 19:00 Uhr in den Nachrichten

2 Kommentare

Jan-Lausitz am 28.09.2020

Hat dieser "junge Landtagsabgeordnete" keine wichtigeren Themen zu bearbeiten, die auf Tatsachen beruhen und einer Lösung harren?

Oben im Text wird von Möglichkeiten ausgegangen: "...Lippmann fordert, eventuell bestehende rechtsextreme Netzwerke bei der sächsischen Polizei und anderen Sicherheitsbehörden umfassend aufzudecken".

Wie ist es mit der Tatsache bestellt, dass die Sicherheitsbehörde (Justizministerin Meyer) jetzt plötzlich ca. 50 sehr gut mit Steuergeld bezahlte neu Posten in ihrem Ministerium geschaffen hat und zum großen Teil mit Parteifreunden besetzt wurden. Warum befasst sich dieser Innenexperte nicht mit dieser Tatsache und wieviele zusätzliche Steuermittel werden dafür fällig?

Dresdner62 am 27.09.2020

Kreissaal-Hörsaal-Plenarsaal-Lippmann: Gähn....

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