Bürger wählen im Wahllokal in Dresden- Gompitz
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Was erhoffen sich die Parteien? Ausgang der Kommunalwahlen in Sachsen völlig offen

08. April 2019, 15:25 Uhr

Kommunalwahlen gelten als Stimmungsbarometer für das Land, auch wenn es vor Ort oft nur um die alltäglichen Dinge geht. Die Erwartungen der Parteien sind groß, ihre Programme in vielen Punkten ähnlich.

Mehr Lehrer, mehr Ärzte, mehr Nahverkehr, aber weniger Bürokratie: Wenn am 26. Mai in Sachsen Kommunalwahlen stattfinden, geht es allen Parteien mehr oder weniger um die gleichen Anliegen. Sie wollen, dass der ländliche Raum nicht länger abgehängt bleibt und auch in den Metropolen zentrale Probleme wie bezahlbarer Wohnraum oder Ordnung und Sicherheit gelöst werden. Die großen Themen sind klar, nur die Wege zu ihrer Umsetzung oft verschieden.

Linke: Bewahrung des kommunalen Eigentums 

Die Linken wollen beispielsweise auf keinen Fall, dass Kommunen weiteres Tafelsilber veräußern müssen. "Wir sind für die Bewahrung des kommunalen Eigentums", sagt Parteichefin Antje Feiks und fordert sogar eine Offensive für öffentlichen Besitz. Sonst bestimmten Hedgefonds und Großkonzerne, wo es lang gehe. Denn Wohnen, Bildung, medizinische Versorgung, Kultur, Nahverkehr, Energieversorgung oder Telekommunikation gehörten weitestgehend in kommunale Hand.

AfD: Kandidatensuche gestaltet sich spürbar besser

Vielerorts ist der Ausgang der Kommunalwahl in Sachsen unklar, nur eins steht fest: Der Freistaat hat sich in den vergangenen fünf Jahren verändert. Die Dominanz der großen Parteien bröckelt, die Flüchtlingsfrage hat das Land vor eine Zerreißprobe gestellt. Vom Frust der Bürger profitierte vor allem die AfD.

Spielte die AfD bei den Kommunalwahlen 2014 noch eine untergeordnete Rolle, werden ihr nun gute Chancen auf viele Mandate eingeräumt. Bei den Kreistagswahlen lag die AfD seinerzeit bei 5,8 Prozent, bei den Gemeinderats- und Ortschaftsratswahlen waren es 2,5 beziehungsweise 0,1 Prozent. Ganz anders die Werte der damals dominierenden Kräfte: Die CDU erreichte bei den besagten drei Wahlen zwischen 33,3 bis 36,1 Prozent, die Freien Wähler 9,2 bis 49,1 Prozent.

Diese Dominanz dürfte 2019 vorbei sein. Nach Lage der Dinge wird die AfD in Sachsen weit oben mitmischen. Bislang hat sie in Kreistagen, Gemeinderäten und Ortschaftsräten 90 Mandate inne. "Die Kandidatensuche gestaltet sich im Vergleich zu 2014 spürbar besser, weil die AfD deutlich an Mitgliedern gewachsen ist und über einen großen Zuspruch in Sachsen verfügt", sagt Ivo Teichmann, beim AfD-Landesvorstand für Kommunalpolitik zuständig.

Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer geht davon aus, dass die AfD in einigen Regionen und Kommunen sehr viel stärker vertreten sein wird als bisher. "Ob der Zuwachs dramatisch ausfällt, bleibt abzuwarten."

FDP: Kommunen stärken und Freiheiten zurückgeben 

Auch die Liberalen erhoffen sich in diesem Jahr einen kommunalen Aufschwung und rechnen mit einem Ergebnis von "deutlich über fünf Prozent" bis zweistellig in einzelnen Regionen. "Wir Freien Demokraten wollen die Kommunen stärken und ihnen verloren gegangene Freiheiten zurückgeben", betont Parteichef Holger Zastrow. Freiheit bedeute Entscheidungsfreiheit, klare Verantwortlichkeiten und größere Spielräume durch weniger Bürokratie und Zulassen von Ausnahmen.

Grüne: Immer mehr Menschen für ökologischere Politik 

Die Grünen sehen in der Kommunalwahl nicht nur einen Meilenstein für die Landtagswahl am 1. September. "Unsere Listen zur Kommunalwahl sind so zahlreich und vielfältig aufgestellt wie noch nie", verrät Parteichef Norman Volger. Das sei ein Beleg dafür, dass sich immer mehr Menschen vor Ort für ökologischere, weltoffenere und gerechtere Politik in ihren Städten und Gemeinden einsetzen wollen: "Sie haben erkannt, dass es Zeit ist, zu handeln und sich zu engagieren."

 SPD: Bewerberlisten jünger und weiblicher

Die Sozialdemokraten wollen mit einem verjüngten Gesicht bei der Kommunalwahl punkten. "Für die SPD ist es ein Zeichen der fortschreitenden Erneuerung, dass gerade in den Großstädten unsere Bewerberlisten jünger und weiblicher werden", hebt Generalsekretär Henning Homann hervor. Die bislang gute kommunale Verankerung solle gefestigt und wo möglich auch ausgebaut werden: "Egal, wo jemand in Sachsen wohnt, für jede und jeden muss der Staat funktionieren."

Freie Wähler: Zielmarke 24 Prozent plus X 

Für die Freien Wähler ist das "Rennen um Platz 1" der Kommunalwahl eröffnet. 24 Prozent plus X gibt Parteichef Steffen Große als Zielmarke für die Gemeinderäte aus. Er wirbt für neue Koalitionen und ein Ende der "überholten Rechts-Links-Denkweise". Man könne beispielsweise konservative Werte durchaus mit ökologischer Nachhaltigkeit verbinden. "Das neue Denken lässt sich auf alle Politikfelder übertragen."

Rechtsruck bleibt abzuwarten 

Ob es zu einem Rechtsruck in Sachsen kommt, dürften auch die parallel zur Kommunalwahl stattfindenden Europawahlen belegen. Hier dominierte die CDU 2014 mit 34,5 Prozent deutlich, für die AfD reichte es nur zu 10,1 Prozent. Dass gerade die AfD, bei denen viele Mitglieder die EU am liebsten abschaffen möchten, am Ende als großer Gewinner der kommenden Europawahl dastehen könnte, dürfte zu den Merkwürdigkeiten des Wahljahres 2019 gehören.

Professor Hans Vorländer weiß, dass sich Wahlergebnisse einer Kommunal- oder Europawahl nicht einfach auf das Votum für den Landtag übertragen lassen.

Ja, sie sind Barometer für die Stimmung im Lande. Aber bei den Kommunalwahlen gelten besondere Logiken: Das sind die Belange in den Kommunen. Hier wird stärker auf die bekannten Personen und auf die spezifischen Probleme abgestellt. Insofern gelten für eine Kommunalwahl andere Gesetze.

Hans Vorländer Politikwissenschaftler an der TU Dresden

Quelle: MDR/dk/dpa

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSENSPIEGEL | 08.04.2019 | 19:00 Uhr

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