05.09.2019 | 17:45 Uhr Kann Kenia Koalition? Zankapfel Gemeinschaftsschule

05. September 2019, 17:45 Uhr

Nach der Landtagswahl in Sachsen sieht es nach einer Kenia-Koalition aus. Die Spitzen von CDU, SPD und Grünen beraten über informelle Gespräche. Sollten die Parteien über die Bedingungen einer möglichen Regierungsbildung verhandeln, gibt es viel Gesprächsbedarf. Zum Beispiel beim Thema Gemeinschaftsschule. Die CDU ist gegen das lange gemeinsame Lernen. Grüne und SPD sind dafür.

Gerlind Große hofft auf die Durchsetzungskraft ihre Genossen. Die Leipziger Sozialdemokratin und Bildungsforscherin will in ihrem Heimatstadtteil Grünau eine Modell-Gemeinschaftsschule gründen. Die Aufteilung von Kindern auf Oberschulen und Gymnasien sieht sie kritisch.

Das eigentlich Schlimme daran ist, das sieht man dann hier zum Beispiel im Stadtteil, dass wir dann 30 Prozent Schulabbrecherquote haben - also Kinder, die ohne jeden Abschluss aus diesem staatlichen Schulsystem rausgehen.

Gerlind Große Bildungsforscherin FH Potsdam und SPD-Mitglied

Große setzt daher auf die Gemeinschaftsschule. Von den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Modell-Projekts aus der Großwohnsiedlung sollen einmal andere Gemeinschaftsschulen in Sachsen profitieren, hofft die SPD-Politikerin. Das Problem aus ihrer Sicht: Derzeit könnten nur freie Träger Gemeinschaftsschulen im Ansatz gründen. "Im Moment geht das dann halt nur immer mit Konstrukten, wir haben eine Grundschule und eine Oberschule und die kooperieren in einem gewissen Sinne." Auf der systemischen Ebene bleibe es dagegen dabei: Mit zehn Jahren würden die Kinder oder ihre Eltern entscheiden, welchen Lebensweg sie gehen.

Aus Sicht des Sächsischen Lehrerverbandes sind Gemeinschaftsschulen überflüssig, wie SPD, Grüne und Linke es sich wünschen. Für Vorsitzenden Jens Weichelt sind es "parteipolitische Experimente" - noch dazu ohne tragfähige Mehrheit.

Die Befürworter des Volksantrages Gemeinschaftsschule haben in Summe bei der Wahl heftig Prozente lassen müssen und deshalb sagen wir, die Gemeinschaftsschule, die kann nichts bieten, was die Oberschule nicht auch leisten kann oder könnte. Unser Ansatz ist, das bestehende System zu stärken, die Oberschule zu stärken und das erfolgreiche sächsische Schulsystem weiter auszubauen.

Jens Weichelt Sächsischer Lehrerverband

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Ursula Kruse, kann diese Aufregung nicht nachvollziehen. Niemand soll in Sachsen eine Gemeinschaftsschule aufgedrückt bekommen. Zur Debatte stehe schlichtweg - die Schulform - auch staatlich zu ermöglichen - mit Nutzen für ländliche Regionen.

Ein Frau steht im Grünen
Bildrechte: MDR/Cindy Baumgart

Darüber nachzudenken, ob die Gemeinschaftsschule nicht auch eine Chance wäre, dass die Kinder gemeinsam zusammenbleiben, dass sie nicht weit fahren müssen, dass man sich zwischen mehreren Orten entscheiden kann, eine Gemeinschaftsschule zu gründen, wo die Kinder bis zum Abitur auch zusammenbleiben können, wäre einfach nur eine vernünftige Möglichkeit. Keiner ist gezwungen, das zu machen, aber die Option sollte es geben.

Ursula Kruse Landesvorsitzende GEW Sachsen

Unabhängig von möglichen Koalitionsgesprächen steht fest: Der Landtag wird demnächst über Gemeinschaftsschulen abstimmen. Denn für einen entsprechenden Volksantrag wurden zuletzt mehr als 40.000 Unterschriften gesammelt.

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSENSPIEGEL | 04.09.2019 | 19:00 Uhr

5 Kommentare

nemesis77 am 07.09.2019

Genau diese Denkweise macht rot-grüne Bildungspolitik so "erfolgreich" und es sind auch überproportional viele Staatsdiener, angestellt oder verbeamtet, unter der grünen Wählerschaft. Einfach das alte DDR System der EOS bzw. polytechnischen Oberschule wieder genau so einführen und gut ist. Den Quatsch von Bachelor und Master an den Unis bitte auch wieder abschaffen, das macht das Bildungssystem nicht transparenter sondern wertet eindeutig ab. Wer beim Vordiplom fliegt, hat entweder eine Berufsausbildung durch die POS oder lernt halt einen Beruf.

MaP am 06.09.2019

Wie kann sich denn schon in der 4. Klasse die Spreu vom Weizen trennen? Die wenigen Fächer in der Grundschule erlauben doch gar kein reales Bild von Intelligenz und Leistungsfähigkeit eines Schülers. Erst wenn die Naturwissenschaften hinzukommen und die Mathematik über die Grundrechenarten hinausgeht, kann man einschätzen, ob ein Schüler fähig ist, Abitur und evtl. Studium zu meistern. Der ideale Bildungsweg ist m.E. gemeinsam bis Klasse 8, ab Kl. 9 Trennung in Gymnasium und Realschule. So kenne ich es aus eigener Erfahrung. In der 10. Klasse konnten dann diejenigen, die Probleme hatten oder nicht bis zum Abitur gehen wollten, noch an den Prüfungen zur mittl. Reife teilnehmen und mit ordentlichem Abschluss abgehen.

ralf meier am 06.09.2019

Sie meinen: "Ein gemeinsames Lernen, bei dem leistungsstarke Schüler leistungsschwache Schüler mitziehen" und Sie sind wirklich Lehrer ?

Eigentlich spricht alle Erfahrung dafür, das leistungsschwache Schüler leistungsstarke Schüler nach unten ziehen.

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