Sozialdemokraten in Sachsen Patientin SPD – Zustand weiter kritisch

07. September 2020, 12:12 Uhr

Sachsens SPD ist bei den Wahlen auf Bundes- und Landesebene immer weiter abgerutscht. Bei der letzten Landtagswahl landete die Partei bei 7,7 Prozent der Direktstimmen – ein historischer Tiefpunkt für die SPD in Sachsen. Und auch bei den Bürgermeisterwahlen, die im September anstehen, sieht sich die SPD mit einem zunehmenden Bedeutungsverlust konfrontiert. Zum ersten Mal seit der Wende stellt die Partei bei der Oberbürgermeisterwahl in Zwickau nicht einmal mehr eine Kandidatin oder einen Kandidaten.

Zu ihren Hochzeiten kam die SPD in Sachsen bei Landtagswahlen auf 22 Prozent der Direktstimmen, bei der Bundestagswahl 2002 einmal sogar auf 33 Prozent. Das sind längst vergangene Zeiten. Die Volkspartei SPD ist in Sachsen zu einer kleinen Partei geschrumpft, zumindest in der Wählergunst.

Doch wenn auch nach den letzten Wahlen bei der SPD Katzenjammer angesagt war – trösten konnten die Genossen sich immerhin noch mit ihrer starken Präsenz in Sachsens Rathäusern. Von den vier größten Städten im Freistaat werden drei von SPD-Oberbürgermeistern regiert. Doch auch diese Zeiten werden bald vergangen sein.

Abschied in Zwickau

In Zwickau war zwölf Jahre lang Pia Findeiß Oberbürgermeisterin. Doch die SPD-Frau gibt ihr Amt aus familiären Gründen ab. Und unter den Kandidatinnen und Kandidaten für ihre Nachfolge sucht man die SPD vergebens. Die Zwickauer SPD hat sich entschlossen, zum ersten Mal keinen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken.

Der Zwickauer SPD-Chef Mario Pecher führt mehrere Gründe für diese Entscheidung an. Man hätte sich keine Ressourcen und Personen herbeizaubern können. Außerdem gebe es mit der Baubürgermeisterin Kathrin Köhler von der CDU eine aussichtsreiche Kandidatin, gegen die man wohl chancenlos gewesen wäre. "Macht das Sinn, in so einer Situation anzutreten oder schwächt man damit nicht vielleicht sogar ein demokratisches Lager?" Das seien die Fragen gewesen, die der Stadtverband diskutiert habe, so Pecher. Dass es für die Zwickauer SPD schwer gewesen wäre, einen Wahlkampf zu organisieren, kann man mit einem Blick auf die Mitgliederzahlen durchaus verstehen. Ganze 103 Sozialdemokraten gibt es noch in Zwickau, vor 20 Jahren waren es noch 161.

SPD-Landesverband bleibt optimistisch

Beim Landesverband der sächsischen SPD kann man nicht glücklich darüber gewesen sein, dass die Partei in Sachsens viertgrößter Stadt, die so lange von der SPD regiert wurde, nicht erneut um den Rathaussessel kämpft. Doch SPD-Generalsekretär Henning Homann will das Glas lieber halbvoll sehen. Der Vorgang sei zwar bedauerlich, aber die SPD stelle in Zwickau immerhin den wichtigen Finanzbürgermeister. Und außerdem:

Wir gucken generell auf die Bürgermeisterwahlen mit einem gewissen Optimismus. Wir haben dieses Jahr die wichtigste Oberbürgermeisterwahl in Sachsen, nämlich in Leipzig, bereits gewonnen. Grundsätzlich ist es so, dass die Basis der SPD auf der Bürgermeisterebene gut ist.

Henning Homann SPD-Generalsekretär

Der SPD-Landesverband hat offenbar eine ganz eigene Definition davon, was eine gute Basis ist. Denn von 419 Bürgermeistern in Sachsen sind nur 16 auf einem SPD-Ticket gewählt worden. Die meisten Bürgermeister (148) sind parteilos, die CDU stellt immerhin 136 Bürgermeister.

Zwickauer enttäuscht vom SPD-Rückzug

Und fragt man in der Innenstadt von Zwickau herum, dann scheint es durchaus aufzufallen, dass die SPD im Wahlkampf nicht präsent ist. Eine Frau spricht davon, dass es ein Armutszeugnis sei, dass die SPD keinen Kandidaten aufgestellt habe. Und ein älterer Mann ergänzt:

Man muss präsent sein, Themen vorbringen, das ist das Wichtige. Und wenn die SPD da aus dem Spiel ist, dann ist das schlecht.

Bürger aus Zwickau

Der Zwickauer SPD-Chef Pecher glaubt das nicht. Wenn man die Leute ein halbes Jahr nach den Oberbürgermeisterwahlen fragen würde, welche Parteien Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt hätten, würde das doch niemand mehr wissen. Auch Pecher scheint das Glas unbedingt halbvoll sehen zu wollen.

Amtsverteidigung in Chemnitz

Eine Frau spricht in die Mikrofone von Journalisten
Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig stellt sich nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal zur Wahl. Bildrechte: MDR/Matthias Wetzel

Ein anderes Beispiel dafür, wie man in der SPD den Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit führt - oder eben nicht - findet sich in Chemnitz. Auch hier läuft der Oberbürgermeisterwahlkampf auf Hochtouren. 14 Jahre lang hat Barbara Ludwig von der SPD die Geschicke von Chemnitz bestimmt. Auch sie tritt nicht mehr an. Immerhin gibt es in Chemnitz einen Kandidaten von der SPD. Den jetzigen Finanzbürgermeister der Stadt Sven Schulze. Doch dass er für die SPD kandidiert, kann man auf seinen in türkisblau gehaltenen Plakaten nicht erkennen. Will er seine Parteizugehörigkeit verschleiern? Nein, sagt Sven Schulze: "Es ist ein Bekenntnis, dass ein Oberbürgermeister über Parteigrenzen hinweg agieren muss. Deshalb sind die Plakate bewusst übergreifend gestaltet." Der AfD-Kandidat handhabt das genauso, bei ihm ist auch kein Logo zu finden. Bei Kandidatinnen und Kandidaten der anderen Parteien, bei CDU und Grünen beispielsweise, ist allerdings durchaus ein Parteilogo auf den Plakaten abgedruckt.

Jeder der neun Kandidatinnen und Kandidaten entwickelt seine eigene Strategie im noch völlig offenen Rennen um das Chemnitzer Rathaus. Aber dass Schulze eine besondere Verantwortung spürt, die drittgrößte Stadt in Sachsen für die SPD zu verteidigen, das gibt er zu:

Es ist eine große Verantwortung. Druck möchte ich es nicht nennen. Aber ich bin ganz optimistisch, dass ich dem standhalten kann. Ich müsste aber lügen, wenn ich sage, die SPD ist in einer super Konstitution und dass das ein Selbstläufer wäre. Das spüren wir natürlich vor Ort, auch wenn es um ganz konkrete kommunale Themen geht.

Sven Schulze SPD-Kandidat bei der OB-Wahl in Chemnitz

Interessanterweise bildet sich die "nicht super Konstitution" der SPD aber nicht in den Mitgliedszahlen ab. Seit der Wende gibt es zwischen 4.500 und 5.300 Sozialdemokraten in Sachsen, die Tendenz in den letzten fünf Jahren sogar wieder steigend. Und rund ein Drittel der SPD-Mitglieder ist unter 35 Jahre alt, die SPD Sachsen ist damit einer der jüngsten Landesverbände der SPD bundesweit. Aber mehr als ein Trostpflaster für die Patientin SPD ist das wohl nicht.

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSENSPIEGEL | 30.08.2020 | 19:00 Uhr

4 Kommentare

Realist62 am 07.09.2020

In der SPD bestimmen immer noch überwiegend Westpolitiker über das Wehe dieser Partei. Wo sind die SPD-Sachsen in der Bundesregierung. Noch nicht mal derzeit Staatssekretäre in den Bundesministerien.

Torsten W am 07.09.2020

Eine Partei welche mit 7,7% in der Landespolitik die Fäden ziehen möchte und dies in Zukunft mit knappen 5% garantiert weiter handhabt, Skrupel gibt es bei den Genossen nämlich nicht, kann gerne mal draußen bleiben...

Benutzer am 07.09.2020

wer braucht die auch noch? man hat doch zum Glück die AfD.

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