Expertenrat Kinder fit im Umgang mit sozialen Medien machen

Wie können Eltern und Großeltern Kinder im Umgang mit Instagram, Facebook und Co. sicher begleiten? Was ist okay und worauf sollte man achten? MDR SACHSEN hat darüber mit Medienpsychologin Yvonne Gerigk gesprochen.

Digitale Medien gehören mittlerweile zu unserem Leben dazu. Aber vor allem Kinder brauchen im Internet eine sichere Begleitung. Die fängt damit an, dass Eltern und Großeltern Bescheid darüber wissen, wie und wo sich ihre Kinder und Enkel im Internet bewegen.

Frage: Welche Medien werden von Kindern am meisten genutzt?

Yvonne Gerigk: Das ist sehr altersabhängig. Bei den Jüngeren sind es z.B. YouTube und vielleicht auch schon TikTok, was videobezogene Plattformen sind. Wenn sie dann älter werden, sind Facebook und Instagram spannend. Die Medien, wo sozialer Austausch im Vordergrund steht.

Dürfen Eltern die Aktivitäten ihrer Kinder in den sozialen Medien überprüfen oder kontrollieren?

Bis zu einem gewissen Alter ist es sogar notwendig. Denn die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) erlaubt die Zustimmung zur Verarbeitung personenbezogener Daten erst mit 16 Jahren. Davor muss die Einverständnis der Eltern eingeholt werden, wenn man solche Plattformen nutzen möchte.

Eine Besonderheit von Social Media ist, dass die Nutzer nicht nur Konsumenten, sondern auch Produzenten sind. Wo liegen hier Gefahren für Kinder?

Natürlich macht man sich angreifbarer, wenn man Dinge von sich preisgibt. Das erhöht das Gefahrenpotenzial. Es kommt darauf an, was man teilt. Ich finde eine gute Richtlinie ist immer die Frage: Würde ich das, was ich teile, auch in der Schule aufhängen? Wäre mir das unangenehm, oder finde ich das in Ordnung?

In jungen Jahren kann man es auch nicht immer so gut abschätzen. Da gibt es ein gutes Beispiel von Sarah-Lee Heinrich von der Grünen Jugend. Direkt nach ihrer Wahl sind alte Nachrichten aufgetaucht, die kein gutes Licht auf sie warfen.

Das Beispiel zeigt: Es geht nichts verloren. Dieses Verständnis dafür, dass Inhalte solange abrufbar und auffindbar sind, solange es das Internet gibt, ist noch nicht ganz angekommen.

Junges Mädchen nutzt Facebook
Das Internet vergisst nichts. Bildrechte: imago/ZweiKameraden

Wie umgehen mit bösen bzw. bösartigen Reaktionen?

Es ist ganz wichtig, dass man als Eltern oder Großeltern zur Seite steht und das einordnet und sagt: 'Teilweise sind es keine realen Personen, die dahinter stehen, sondern irgendwelche Roboter oder Menschen, die nur darauf spezialisiert sind, solche unfreundlichen Kommentare zu schreiben. Lass es nicht so an dich heran.' Aber das erfordert, dass die Erwachsenen eine gewisse Kompetenz haben.

Mit welchen Inhalten werden Kinder als Konsumenten in sozialen Medien konfrontiert?

Das ist auch sehr altersabhängig. Die Jüngeren werden oft noch stärker begleitet von den Eltern. Kleinere nutzen kinderfreundlichere oder extra an Kinder gerichtete Medien. Wenn sie dann älter werden und auch mit sozialen Medien in Kontakt kommen, können sie auch mit potenziell gefährlichen Inhalten in Kontakt kommen - wie im echten Leben auch. Hass, Gewalt, Pornografie und auch Satire und Ironie sind schwer für Kinder zu begreifen.

Also vorbeugend tätig werden?

Auf jeden Fall ist das Begleiten und Kinder da abzuholen, wo sie gerade stehen, wofür sie sich interessieren, wichtig. Man muss keinem Fünfjährigen Social Media erklären, wenn er dafür noch gar kein Interesse zeigt. Aber sobald das erste Interesse besteht, finde ich es gut, die Kinder an die Hand zu nehmen und die Potentiale zu zeigen. Gemeint ist, wie das alle funktioniert und auch, welche Gefahren sich möglicherweise verstecken.

Was heißt "Medienkompetenz"? Wir verstehen darunter einen Umgang mit Medien, der selbstbestimmt, kritisch und verantwortlich ist. Und, dass man die Medien zum einen nutzen, aber auch mit ihnen produzieren und konsumieren kann - mit einem reflektierten Blickwinkel.

Wir unterscheiden noch mal mitunter zwischen grundlegender und gehobener Kompetenz. Die grundlegende Idee ist, dass wir Kindern erst mal erklären, was Medien überhaupt sind. Da gehören klassische Medien wie Buch, Zeitung, Radio genauso dazu wie digitale Medien, also Internet, Computer und so weiter. Das Schöne dabei ist es, dass man dadurch einen umfangreichen Blick für Medien bekommt und damit den Begriff Medien fassbar machen kann.

Haben wir etwas versäumt in dieser Beziehung?

Ich finde, dass wir gerade in den Schulen und Institutionen, diesen Wandel zu wenig begleitet haben. Zu oft heißt es noch, Smartphones und Tablets dürfen nicht in die Schule. Dabei sind sie tagtägliche Begleiter. Und es ist ganz wichtig, dass man mit ihnen kompetent umgeht. Deshalb sollte es von mir aus mindestens ein Schulfach geben, das sich explizit mit Mediennutzung beschäftigt.

Warum ist es so wichtig, Kindern schon im Kindergartenalter Medienkompetenz beizubringen?

Dadurch, dass Kinder schon früh mit Medien konfrontiert sind, leitet sich ab, dass wir auch schon früh anfangen müssen, das zu kontrollieren, zu begleiten und mit sicherer Hand alles einordnen. So, dass man auch versteht, wie das zusammenhängt und dass es den Überbegriff 'Medien' gibt und was er bedeutet.

Tipps für Eltern und Großeltern:

Wie lernen die Kinder den Umgang mit Medien am besten?

Am besten ist es, sie einfach zu begleiten, sie da abzuholen, wo sie gerade stehen, was sie interessiert und wenn man darauf eingeht. Natürlich ist es auch wichtig, gewisse Rahmenbedingungen zu setzen, beispielsweise eine zetliche Begrenzung nach dem Motto: Mediennutzung okay, aber danach bitte das Smartphone weglegen. Auch, damit man mal ein bisschen runterkommen kann, zum Beispiel vor dem Schlafengehen.

Ich finde, dass es sehr stark auf das Alter ankommt: Je jünger die Nutzer sind, desto mehr begleiten und auch physisch bei der Nutzung dabei sein. Je älter sie werden, desto mehr Freiräume auch ermöglichen, sodass sie das Gefühl haben, ihnen wird in puncto Mediennutzung vertraut. Die wichtigen Sachen sollten da schon vermittelt worden sein. Man sollte da auch ein bisschen Vertrauen in die Kinder stecken, dass sie es dann auch irgendwann selbst regulieren können.

Könnten Eltern dem Problem aus dem Weg gehen, indem sie ihren Kindern die Nutzung von speziellen Apps verbieten?

Man sollte sich eher der Herausforderung stellen. Verbote funktionieren schlecht, weil sich Kinder dann woanders Zugang suchen. Es wäre besser, Kompromisse zu finden. Wenn sich das Kind dafür interessiert, ist es auch wichtig, auf diese Bedürfnisse einzugehen.

Mit welchen technischen Mitteln könnten Eltern für Sicherheit im Netz sorgen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten:

  • Zum einen kann man an dem Endgerät, also am Smartphone oder am Tablett selbst gewisse Einstellungen vornehmen und zum Beispiel die Zeit begrenzen.
  • Aber auch die Apps, die überhaupt auf das Tablett installiert werden, können einschränken. Auch in den Plattformen selber, zum Beispiel auf Instagram oder YouTube, kann man Einstellungen vornehmen und diese besser auf jüngere Nutzende anpassen.

Wie können Eltern durch den persönlichen Umgang mit ihren Kindern für deren Sicherheit sorgen?

Das finde ich einen ganz, ganz wichtigen Punkt, dass man die Kinder ab einem Punkt nicht bei jedem Schritt begleiten kann. Gut wäre es, wenn man als Ansprechperson zur Stelle ist. Wenn sie also auf irgendetwas aufmerksam geworden sind oder irgendetwas nicht einordnen können, sie zu ermutigen, es gemeinsam zu bewältigen. Das ist wirklich mein wichtigster Punkt: Ansprechpersonen sein.

Was sind Anzeichen dafür, dass das Kind durch Social Media psychische Proleme bekommt?

Da ist die Studienlage noch nicht eindeutig: Ob es Social-Media-Sucht gibt oder ob das nicht andere Ursachen hat. Wenn das Kind sich immer weiter zurückzieht und nur noch am Handy ist, sollte man auf das Kind zugehen, aber auch erst einmal fragen, was los ist. Wenn es zu großen Schwierigkeiten kommt, ist es immer die psychologische Hilfe, die in Anspruch genommen werden sollte.

Wo findet man Hilfe, wenn man das Gefühl hat, es läuft bei den Kindern oder Enkeln etwas schief?

Zuerst sollte man die Kinder selbst kontaktieren. Also fragen, was dahinter stecken könnte. Manchmal sind die Kinder auch schon bereit dafür, dass sie selbst gemerkt haben, so möchte ich das nicht. Ansonsten kann man sich an die Schulen wenden. Die haben Schulsozialarbeit oder einen schulpsychologischen Dienst. Als letzte Möglichkeit gibt es dann die psychologische Hilfe.

Nachlesen:

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 19. April 2022 | 10:24 Uhr