"Öhrchen"-Podcast Videoreporter Konstantin Henß: "Noch viel zu tun bei der Barrierefreiheit"

22. Oktober 2022, 12:24 Uhr

"Augen zu und durch!" heißt der neue Podcast von MDR SACHSEN, der am besten mit Kopfhörern genossen wird. Dort nehmen wir Sie mit auf eine audiovisuelle Reise durch unser schönes Sachsen und gehen unter anderem der Frage nach, ob blinde Menschen eigentlich reisen und wenn ja, wie? Auch Videoreporter Konstantin Henß war Teil des Podcast-Teams. Ein Interview mit ihm über die Eindrücke während der Podcastaufnahmen und wie diese seinen Blick verändert haben.

Konstantin Henß war eine ganze Weile der junge Hüpfer im Landesfunkhaus Dresden und in der Online-Redaktion. Vor fünf Jahren fing er dort als Redaktionsassistent an, räumte Technikschränke auf, übernahm kleinere Rechercheaufgaben und half bei der Berichterstattung zur Landtagswahl. Nun ist er im dritten Jahr als freier Mitarbeiter und übernimmt meistens Aufgaben in den Bereichen Social Media, Videoproduktion und Videoschnitt. Bis Marion Waldhauer ihn vor ein paar Monaten ansprach, ob er nicht Teil des neuen Podcasts "Augen zu und durch – Mit dem Öhrchen unterwegs!" sein möchte.

Wie ist Marion auf dich als Teil des Podcasts gekommen?

Konstantin Henß: Marion und ich haben uns als Teil der Online-Redaktion kennengelernt. Sie arbeitet dort manchmal als Grafikerin und ich "nerve" sie dann als Social-Media-Redakteur oft mit Bitten, mir irgendwelche schönen Bilder für unseren Instagram-Account zu basteln. Dadurch sind wir neben Kollegen auch zu Freunden geworden. Wenn wir nicht gerade zusammen arbeiten, spinnen wir immer wieder über verschiedenste Ideen neuer Formate. Eine Idee ließ Marion nicht mehr los: ein binauraler Podcast. Bis sie sich ein dafür notwendiges Mikrofon anschaffen durfte, mussten einige Klinken geputzt werden, doch schlussendlich durfte sie die erste Folge produzieren. Schnell wurde klar, dass das Projekt größer werden könnte, als anfangs gedacht und somit auch mehr Folgen entstehen sollten. Damit musste natürlich auch ein ansprechender Teaser gedreht werden, sowohl für den Onlineauftritt als auch für den MDR SACHSENSPIEGEL. Und da kam ich dann ins Spiel.

Wenn Du als Videoreporter mitgefahren bist, wieso bist Du dann auch im Podcast zu hören?

Als klar wurde, dass ich bei Folge drei und vier mitfahre, um zu filmen, hat Marion sich dafür ausgesprochen, dass ich einfach auch Teil des Podcasts werden soll. Und so hat sie mich mit eingebunden. Ich wurde sozusagen ins kalte Wasser geschmissen. Als wir gemeinsam zu unserem Besuch im Leipziger Zoo aufbrachen, hielt sie mir direkt das Ohrenmikrofon unter die Nase und fing an, mir Fragen zu stellen. Schwups, waren meine Stimme und ich Teil des Podcasts. Daniel, unser sehbehinderter Protagonist, war ebenfalls schon eingeweiht, dass ich mitkommen würde. Lustigerweise dachte er anfangs, ich würde Günther heißen.

Wie war das erste Aufeinandertreffen mit Daniel?

Daniel und ich haben uns im Leipziger Hauptbahnhof kennengelernt. Dort wartete er auf Marion und mich, bevor es dann gemeinsam zum Zoo ging. Ich wurde direkt total herzlich mit den Worten "Ahh Günther, schön dich kennenzulernen" empfangen. Marion hatte ihm wohl schon einiges über mich erzählt und so schien er sichtlich erfreut darüber, mich nun auch mal persönlich kennenzulernen. Mir ging es da ganz genauso. Und so haben wir uns eigentlich von Minute eins an super verstanden. Gar nicht schwierig, bei einem so lustigen und lebensfrohen Zeitgenossen wie Daniel.

Was hast Du alles mit Daniel und Marion erlebt?

Ich habe Daniel und Marion die beiden kompletten Tage in Leipzig und Zwickau begleitet und habe es keine Sekunde bereut, mitgefahren zu sein. Es hat außerordentlich viel Spaß gemacht mit den Beiden auf Erkundungstour zu gehen. Besonders fasziniert war und bin ich aber nach wie vor von Daniel. Er ist der erste blinde Mensch, mit dem ich verreise beziehungsweise überhaupt zu tun habe. Ich hatte viele Fragen an ihn, die er auch stets mit viel Witz und Geduld beantwortet hat. Aus meiner Sicht ist es beeindruckend, dass er ohne viel sehen und erkennen zu können, einfach so von seinem Heimatort Reichenbach nach Leipzig und Zwickau verreisen kann, ohne sich zu verlaufen, verfahren oder ähnliches. Er hat meinen größten Respekt, wie er seinen Alltag alleine meistert. In Sachen Barrierefreiheit gibt es nämlich noch eine Menge zu tun.

Was ist Dir in dem Zuge positiv und was negativ aufgefallen?

Positiv sind mir auf jeden Fall die Führungen im Leipziger Zoo und dem August-Horch-Museum in Zwickau in Erinnerung geblieben. Man hat gemerkt, dass sich unser Zoolotse Frank Schmitz im Vorfeld seiner Führung Gedanken gemacht hat, wie er den Zoo einer blinden Person näher bringen kann. Er hatte einen Beutel dabei, voll mit Gegenständen zum Anfassen für Daniel: Lamafell, den Stachel eines Stachelschweins, Tigerzähne und und und. Ähnlich war es mit Roland Schulze in Zwickau. Er hatte in Absprache mit dem Museum für alle blinden Besucherinnen und Besuchern weiße Handschuhe dabei. Einmal übergestülpt, durften sie alle Exponate anfassen. Und wenn sich einige von ihnen nicht so recht trauten, wurden sie explizit von Roland aufgefordert und ermuntert, die Autos mit ihren Händen genau zu inspizieren. Klar, anfangs waren viele der Blinden noch verhalten, da man normalerweise ja nicht so nah rankommt an die Exponate, aber irgendwann war der Knoten geplatzt und alle hatten sichtlich Spaß an der Führung.

Negativ aufgefallen ist viel, was mit der Reise zu tun hatte. Viele kleinere S-Bahnhöfe hatten zum Beispiel keine Pflastersteine mit Rillen in Richtung Ausgang zur Orientierung. Außerdem gab es dort oft keine Möglichkeit, die Fahrbahn mit Hilfe einer Ampel und Klickgeräuschen alleine sicher zu überqueren. Da gibt es noch an vielen Stellen Nachholbedarf.

Würdest Du auch in Zukunft Teil des Podcasts sein wollen?

Sehr gerne. Mir hat die Arbeit mit Daniel und Marion unglaublich viel Spaß gemacht und ich habe total viel dazugelernt was den Umgang mit blinden Menschen betrifft. Sowohl während der Aufnahme der einzelnen Folgen, als auch in der Nachbearbeitung des Podcasts und beim Schreiben der informativen Artikel, zum Beispiel zur Barrierefreiheit in Sachsen. Diese Erfahrung hätte ich nicht missen wollen. Umso mehr hoffe auch ich, genauso wie die anderen Beiden, dass wir den Podcast noch um jede Menge Folgen erweitern dürfen.

MDR (koh/maw)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 11. Oktober 2022 | 19:00 Uhr

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