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Dienstags direkt | 15.11.2022 | 20:00 - 23:00 Uhr"Schwund" im Portemonnaie – neues Einkaufsverhalten und die Folgen

Stand: 13. November 2022, 18:06 Uhr

Auch wenn kaum jemand noch über Krisen reden will, haben sie unser Einkaufsverhalten verändert. Die Lockdown-Maßnahmen während der Corona-Pandemie verstärkten den Trend zum Online-Handel. Die Bedeutung des Bargeldes hat dadurch abgenommen. Steigende Energiekosten und Inflation sorgen nun dafür, dass für das gleiche Geld weniger im Einkaufskorb liegt. Darüber, wie Krisen unser Einkaufsverhalten verändern und welche Folgen die Digitalisierung des Geldes hat, haben wir am Dienstagabend gesprochen.

Aktuelle Inflationsrate und Verbraucherpreisindex für Oktober 2022:Inflationsrate:
+10,4 %

Verbraucherpreise Energie:
+ 43,0 %

Verbraucherpreise Nahrungsmittel:
+ 20,3 %

Quelle: destatis.de

Schneller Klick versus Innenstadt-Shopping

Durch den Anstieg im Bereich des Online-Handels haben digitalisierte Formen des Bezahlens (Paypal, Klarna und Co.) noch einmal einen kräftigen Schub erhalten. Damit einher gehen Gefahren der schnelleren Verschuldung. Firmen wie Klarna wehren sich auf ihren Internetseiten gegen Vorwürfe, sie würden Jugendliche in die Schuldenfalle treiben.

Der Kauf vor Ort beim Einzelhändler um die Ecke oder in der Innenstadt ist in den vergangenen Monaten und Jahren noch seltener geworden. Was heißt das für die Einzelhändler: Online first? Braucht jedes noch so kleine Geschäft einen eigenen Onlineshop oder sind sie gezwungen, sich auf größeren Plattformen zu präsentieren?

ifo Institut: "Die Innenstadt als Konsumzentrum: Ein Opfer von Corona und Homeoffice?" Abb.1: Anteil der Online-Umsätze an den deutschen privaten Konsumausgaben, 2018–2022" (Seite 4) Bildrechte: ifo-Institut

Was können wir uns in der Krise noch leisten?

Im Oktober 2022 hat das MDR-Meinungsbarometer "mdrfragt" die Mehrbelastungen durch die aktuellen Preissteigerungen erhoben: Jeder Zweite der Teilnehmenden hat danach in dieser nicht repräsentativen Umfrage angegeben, eine starke Mehrbelastung zu empfinden.

Im Moment weiß ich nicht mehr, woher ich das Geld noch nehmen soll. Wir haben ausschließlich die Rente zur Verfügung und wie sicher viele Ostdeutsche keine großen Ersparnisse.

Sylvia Hosang | Rentnerin aus Prausitz | mdrfragt-Umfrage, Oktober 2022

Zwei Drittel der über 28.000 Menschen (14.594 aus Sachsen), die sich an der Umfrage beteiligt haben, glaubt, die Preissteigerungen nicht durch Sparmaßnahmen abfedern zu können. Dabei seien solche Sparmaßnahmen bei 70 Prozent der Befragten schon in vollem Gange – vor allem beim Einkauf von Lebensmitteln und Konsumgütern.

Ergebnis der MDRfragt-Umfrage zum Thema "Sorgen Finanzen" Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ergebnis der MDRfragt-Umfrage zum Thema "Finanzielle Mehrbelastung" Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Spürt der Handel diese Entwicklungen bereits? Geht nur "billig" richtig gut? Werden Premiumprodukte zum Ladenhüter? Und wird die ausgedehnte Shopping-Tour in die Innenstadt zum Relikt früherer Tage?

Die Innenstadt ist tot – es lebe die Innenstadt?

Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung München haben die Corona-Pandemie und das dadurch bedingte Arbeiten im Homeoffice dazu geführt, dass viele Menschen zum Einkaufen eher zum Supermarkt oder Einzelhändler um die Ecke im Wohngebiet gehen, als in die Innenstadt zu fahren. Was bedeutet das für die Händler in den Innenstädten? Analysiert wurde dabei neben vier anderen deutschen Großstädten auch Dresden und das Umland.

Wie haben sich die Innenstädte durch die Krisen verändert? Bildrechte: IMAGO / Michael Gstettenbauer

Wie schwer würde es die sächsischen Innenstädte treffen, wenn ein Zugpferd wie Galeria-Karstadt-Kaufhof schließen würde? Warum ist ausgerechnet ein Online-Händler wie büro.de schlagkräftig genug, Filialen zu übernehmen?

Und was kann es für eine Stadt wie Bautzen bedeuten, wenn dort in der Innenstadt ein neues Woolworth-Kaufhaus eröffnet?

Karte, Handy und "Bezahlen mit dem Gesicht" – Ist Bares nicht mehr Wahres?

Bezahlen mit Karte? Selbst in vielen Bäckereien oder beim Fleischer um die Ecke ist das seit gut zwei Jahren möglich. Durch die Pandemie ist Bezahlung mit Karte aus hygienischen Gründen in den meisten Geschäften zum Standard geworden. Scheine und Münzen verlieren an Bedeutung, auch wenn einige Kunden gern daran festhalten möchten.

Eine Studie des Online-Bezahldienstes Klarna zeigt, dass 50 Prozent der Käuferinnen und Käufer in Deutschland Bargeld als Bezahlmittel nutzen. Zukünftig soll es nach der Vorstellung eines Kreditkarten-Herstellers sogar reichen, freundlich zu lächeln, um im Geschäft zu bezahlen. Das System wurde im Mai vorgestellt. Stichwort: Gesichtserkennung. Bezahlen auf der Grundlage von biometrischen Daten. Der letzte Schrei oder möchte man da als Verbraucher nur noch schreien?

Über unser verändertes Einkaufsverhalten und über die Digitalisierung des Geldes haben wir bei "Dienstags direkt" mit diesen Gästen gesprochen:

Miriam Flegel Bildrechte: Miriam Flegel

  • Miriam Flegel | Inhaberin des Modegeschäfts "Mi& she - Hut und Mode Flegel" in Döbeln

Die aktuelle Preisentwicklung und zunehmende Verunsicherung sorgen beim Kunden zu merklicher Kaufzurückhaltung. Die Konsequenz sind Umsatzrückgänge, ein veränderter Durchschnitts Bon und verminderte Fluktuation in der Innenstadt. Die derzeitige Krise trifft erneut den Textilhandel.

Sylvia Hosang Bildrechte: Sylvia Hosang

  • Sylvia Hosang | Rentnerin aus Hirschstein/Ortsteil Prausitz

Wir im Osten haben gelernt, mit Mangel umzugehen - das war unsere Stärke! Außerdem haben wir einen wirtschaftlichen Zusammenbruch erlebt! Wenn man jemanden fragen sollte, wie es geht, dann uns!

Sylvia Hosang

  • Michael Faupel  | Vorstand der Konsum Leipzig eG

Michael Faupel Bildrechte: Michael Faupel

Corona, unterbrochene Lieferketten, das Herauswachsen der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Arbeitsleben und eine sich ändernde Arbeitseinstellung in der Gesellschaft werden dazu führen, dass sich die Konsumenten auf neue Verhältnisse einstellen müssen.

Michael Faupel

Simon Krause Bildrechte: Romy Vinogradova

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt und das Konsumverhalten in großen Städten nachhaltig verändert. [...] Wer verstärkt im Homeoffice arbeitet, kauft mehr lokal vor Ort und mehr im Internet ein, aber geht weniger in die Innenstadt. Dabei entsteht vor allem in größeren Städten ein sogenannter Donut-Effekt, nämlich die Verlagerung von Arbeit und Konsum an den Stadtrand und ins Umland. Meiner Einschätzung nach handelt es sich bei Homeoffice und den Konsumverschiebungen um einen anhaltenden Trend. Daher sehe ich die Städte insgesamt vor großen Herausforderungen und wichtigen Weichenstellungen für die Zukunft.

Simon Krause

Interviewpartner:

Prof. Dr. Thomas Kater | Professur der Philosophie an der Uni Leipzig       

René Glaser | Geschäftsführer des Handelsverbandes Sachsen

 Moderation:

Redaktionelle Mitarbeit: Alexander Schubert
Leitung: Ines Meinhardt

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