Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN vom 30.08. - 05.09.2021

Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag sprechen in dieser Woche Tobias Petzoldt und Dr. Harald Lamprecht.

Sonntag, 05.09.2021:

Sonnabend, 04.09.2021: … dass die Kirche im Dorf bleibt

Ich arbeite in der Kirche. Diese eher mittelspannende Tatsache bietet immer wieder interessante Gesprächsgrundlagen auf Partys, wenn die Gäste nicht aus der christlichen Szene kommen. In der Regel folgen dann zwei mögliche Gesprächsablaufe. So erzählen mir die einen dann sehr interessiert, dass sie ja auch an irgendetwas glauben, berichten von Pilgerabenteuern oder spirituellen Erfahrungen in der Natur. Die anderen wiederum reagieren eher kritisch auf Kirche und weisen auf Hexenverfolgung, Kreuzzüge, Missbrauch, Papst und Zölibat hin. Dass ich evangelisch bin, spielt dafür keine Rolle. Oft entstehen im Verlauf dann aber spannende Gespräche, die auch mich sehr bereichern. 

In der Tat hat es die Kirche in unseren Tagen nicht leicht. Für manche Leute scheint sie irgendwie aus der Zeit gefallen und in unserer aufgeklärten Zeit entbehrlich zu sein. Für andere ist sie lau, zahnlos und nicht radikal genug hinsichtlich ethischer Vorgaben oder gesellschaftlichen Engagements. Und den meisten ist sie wohl schlicht egal, solange nicht am Sonntagmorgen das Glockengeläut den Schlaf raubt oder ein Moralapostel den privaten Lebensstil kritisiert. 

Ich aber bin gern in der Kirche, im Bauwerk auch. Dann stelle ich mir vor, wie auf demselben Platz Menschen vor hundert Jahren saßen und ihre Hoffnungen und Ängste mitbrachten, ihre Kinder und ihre Toten. Nun sind wir hier, und so Gott will, schärfen auch in hundert Jahren in ebendieser Holzbank Menschen den Blick zur selben Mitte, nämlich zum Kreuz. So ist die Kirche für mich wichtig und erhaben gegen alle Trends: Weil sie Menschen zusammenführt, fernab aller Alters-, Nationen-, und Milieugrenzen. Weil sie Kultur, Bildung und Besinnung bietet bis in den kleinsten Winkel unseres Landes. Weil sie Gaben fördert und Aufgaben erfüllt für die Gemeinde und das Gemeinwesen. Und weil von ihr Impulse ausgehen, die unser persönliches Leben, unsere Verantwortung und die Strukturen der Gesellschaft hinterfragen.

Darum will ich meinen Teil beitragen, damit die Kirche im Dorf bleibt. Und uns zeitlos Perspektiven aufzeigen kann für unser Leben - und weit darüber hinaus.

Freitag, 03.09.2021: Der Glaube ist eine Baustelle

An manchen Orten unserer Erde erscheint Geschichte besonders greifbar. Jerusalem gehört dazu. Kurz vor Beginn der weltweiten Corona-Krise durfte ich mit Kollegen der Evangelischen Hochschule Moritzburg dort unterwegs sein. Besonders beeindruckt hat mich dabei, dass wohl jeder Stein in der Jerusalemer Altstadt und deren Umgebung unzählige Geschichten über seine Verwendung in den letzten Jahrhunderten, ja Jahrtausenden erzählen könnte. Denn immer wieder kamen neue Herrscher und Völker nach Jerusalem, bauten auf, bauten um und rissen ein.

So entstanden aus wiederverwertetem Material Häuser und Handelsplätze sowie Kirchen, Moscheen und Synagogen. Viele aktuell genutzte Gotteshäuser stehen in Jerusalem auf den Fundamenten noch älterer Vorgängerbauten. Man hat die steinernen Grundlagen immer wieder genutzt, um weiterzubauen, umzubauen und anzubauen. In der Kirche der Heiligen Anna, in der Grabeskirche oder in der von der Evangelischen Kirche in Deutschland getragenen Erlöserkirche ist das besonders sichtbar.

Diese Tatsache ist ein gutes Symbol für den christlichen Glauben. Gründet der nicht auch auf althergebrachten Fundamenten und wird mit bewährtem Material stetig neu weitergebaut?

Christinnen und Christen, die heute leben, haben den Glauben nicht erfunden. Vielmehr sind wir ein Teil der Geschichte Gottes mit seinen Menschen. Zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten fragten und fragen Menschen nach Gott, finden Erkenntnisse und hegen Zweifel, suchen Gottes Nähe und spüren Sehnsucht nach Wahrheit. Manches lässt sich erkennen, vieles festhalten, anderes rutscht durch die Finger. Das Fundament aber ist zu allen Zeiten dasselbe, nämlich das Evangelium des lebendigen Gottes. Auf diesem wächst immer neu Neues. Darauf baut Gott sein Reich mit lebendigen Steinen von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Darum können auch wir unseren Glauben heute zeitgemäß leben. Dies geschehe gleichermaßen in Demut vor dem Überlieferten und der Gelassenheit, dass auch wir nicht der (göttlichen) Weisheit letzter Schlussstein sind.

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.