Donnerstag, 04.04.2019: Ehrerbietung

Sie war flott unterwegs, als sie um die Hausecke kam. Genau wie ich auf dem Gehsteig von der anderen Seite. Plötzlich standen wir voreinander. Ein bisschen zu nah für zwei Fremde, aber erleichtert einen Zusammenstoß vermieden zu haben. Während ich einen Schritt zur Seite trat, tat sie dasselbe. Nochmals wich ich zur anderen Seite aus. Sie ebenso, als wäre sie mein Spiegelbild.

Und wieder standen wir voreinander und versperrten uns den Weg. Das ist der Moment, wo es spannend wird. Verdüstert sich die Mine, oder kann man lachen über die Unbeholfenheit, einander ausweichen zu wollen, um sich dann doch wieder neu zu blockieren?

Einer komme dem anderen in Ehrerbietung zuvor, heißt es einmal in einem Wort der Bibel aus dem Römerbrief. (Röm 12)

Eigentlich sympathisch solche alltägliche Ehrerbietung. Ich gehe zur Seite, damit du Platz hast. Nur wenn beide so zuvorkommend sind, kann sich die Situation verhaken. Wäre es da nicht besser, wenigstens einer pocht auf sein Recht und fordert vom anderen, Platz zu machen?

Ist selbstbewusste Eindeutigkeit nicht oft mehr wert, als demütige Rücksicht?

Es heißt, unsere Gesellschaft werde immer rauer. In der Sprache, in den Kommentaren des Internets, im Drängeln an der Kasse, oder beim Überholen auf der Autobahn. Mag sein.

Ich erlebe aber auch das andere. Eine aufgehaltene Tür. Eine freundliche Geste zum Überqueren der Fahrbahn. Einen Gruß unter dem Schreiben, das formale Freundlichkeit um eine Kleinigkeit überbietet.

Die Frau auf dem Gehsteig fasste mich an den Schultern, schob mich behutsam zur Seite und sagte: Wir kriegen das hin. Einen schönen Tag noch. Ein Lächeln. Sie ging weiter. Der Tag kann gut werden.

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