Verkündigungssendung Das Wort zum Tag vom 20.-26.05.2019

Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag sprechen in dieser Woche Kathrin Posdzich, am Sonntag Pfarrer Andreas Martin.

Wort zum Sonntag, 26.05.2019

gesprochen von Pfarrer Andreas Martin

Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Schwestern und Brüder,

"Christsein – und trotzdem glücklich?!", so sollte das Thema eines Glaubensseminars lauten und mein Part dazu: "Was ist der Mehrwert des christlichen Glaubens?" Eine harte Nuss! Oder würde Ihnen dazu gleich was einfallen? Nun, mir fiel dazu zunächst ein Witz ein: Bei einem Essen äußert einer der Gäste der Gastgeberin gegenüber: "Also irgendwie schmeckt alles nach Fisch?!", - "Was!!!", ruft diese ganz aufgeregt.  - "Ja, es schmeckt nach 'Meer/mehr'!" Mehrwert des Christlichen.

Vor einigen Jahren hatte ich ein Gespräch mit einem jungen Mann. Er war Student der Philosophie und konnte für sich nicht akzeptieren, dass gläubige Menschen - aufgrund ihres Glaubens - etwa mehr vom Dasein, der Welt, ihrem Sinn usw. verstehen sollten als er, der er an keinen Gott oder an Übernatürliches glaubte. Es war sehr schwierig, meinen Standpunkt klar zu machen, wollte ich doch nicht irgendwie überheblich klingen oder seine Position verächtlich machen.

Ich erinnerte mich an eine Szene in einem Jesusfilm, wo Jesus von einem Blindgeborenen um Hilfe angerufen wird. Seine Jünger wollen ihn davon abhalten und meinen, es hätte ja sowieso keinen Sinn, da dieser Mann ohnehin nie etwas gesehen habe, also auch nichts vermissen würde. Doch der Blinde ruft eindringlich und Jesus geht zu ihm. Er macht einen Teig aus Speichel und Staub und streicht ihn auf dessen Augen. Dann fordert er ihn auf, sich im nahen Teich zu waschen. Der Mann, der zudem im Film als besonders hässlich dargestellt ist, tut dies.

Zunächst sieht er nur Schemen, nach einer zweiten Waschung aber ruft er - mit nun ganz verändertem, geradezu schönem Gesicht - aus: "Brüder, ich kann euch sehe, ich kann euch sehen!" Dieser Ruf geht einem durch Mark und Bein.

Ist da also doch noch ein Mehrwert verborgen? Zunächst scheinen für uns Christen Gebote wichtig, es gibt das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe, das neue Gebot der gegenseitigen Liebe, das Jesus "sein Gebot" nennt, und eine Menge moralischer und kirchlicher Normen und Vorschriften, die uns auch nicht immer schmecken: das Sonntagsgebot, die Fastengebote, die Regeln, die wir auf sexuellem Gebiet beachten sollten, ganz zu schweigen von solchen Überforderungen wie Feindesliebe, die andere Wange hinzuhalten, Leuten Geld oder Dinge zu borgen, selbst auf die Gefahr hin, nichts davon wiederzubekommen. Das alles klingt nicht unbedingt verlockend, wenn man sieht, was andere so dürfen und sich auch herausnehmen, um sich das Leben schön zu machen und frei und zwanglos zu schalten und zu walten. Aber es gibt ja dann auch viele schöne Dinge, die wir an unserem Christsein nicht missen wollen: Die christlichen Feste, dass wir uns jedes Jahr neu auf Ostern und besonders auf Weihnachten freuen, den Advent, mit seinen schönen Bräuchen, die Gemeinschaft mit anderen, das Zugehörigkeitsgefühl zu einer großen Familie der Glaubenden weltweit, die Schönheit unserer Kirchen, der wunderbaren Kirchenmusik, die Freude am gemeinsamen Beten und Singen; die Feier einer kirchlichen Hochzeit, vielleicht auch die Würde, wie wir von unseren Lieben Abschied nehmen in Tod und Trauer. Wer schon eine weltliche Beerdigung miterlebt hat, weiß, wovon ich spreche.

Glauben heißt, mehr an Wirklichkeit haben und wahrnehmen. Der scherzhafte Ausdruck: "Wer früher stirbt, lebt länger ewig!" weist schon auf einen großen Unterschied hin, den christliches Bewusstsein mit sich bringt: Ich komme nicht aus dem Nichts und ich gehe nicht ins Nichts! Oder besser: Das Nichts, aus dem ich komme und in das ich zumindest scheinbar gehe, ist ein sinnvolles, ja kreatives Nichts, so wie wir sagen: Gott hat die Welt aus dem Nichts erschaffen, was ja eigentlich heißt: aus sich selbst, aus seiner Fülle, eben aus Liebe.

Der Philosoph Bernhard Welte hat eine interessante Überlegung dazu angestellt, woher der Mensch kommt und wohin der Mensch geht, und was dieses Woher bzw. Wohin oder besser wer dieses Woher und Wohin ist. In einem modernen Vergleich könnten wir sagen: Wer so etwas geniales, wie einen Roboter hervorbringt, der muss wohl um ein vielfaches genialer sein als ein Roboter, sonst könnte er diesen nicht erschaffen haben, und das ist eben der Mensch. Und ähnlich argumentiert Welte: Wenn wir den Menschen mit all seinen Eigenschaften betrachten, nicht nur den intellektuellen, sondern besonders denen, die ihn eigentlich zum Menschen machen: sein Humanum: seine Liebesfähigkeit, seine Fähigkeit zu Dank und die Gabe des Humors, seine tiefe Beseeltheit, sein Gewissen und das Wissen um Schuld, seine Willensfreiheit, dass er Lachen und Weinen kann, sein Suchen nach Sinn, all das und noch vieles mehr, was uns eben zum Menschen macht, weit über das hinaus, zu dem ein Tier auch nur ansatzweise in der Lage ist, dann muss doch das oder wohl besser der, der den Menschen hervorgebracht hat, sich ihn "ausgedacht" hat, all diese Eigenschaften in einem noch viel höherem Maße besitzen, etwa eben auch personal verfasst sein, aber in einem noch viel vollkommenerem Maße als wir es sind: Eine Quelle der Liebe sein in einem geradezu unergründlichen Ausmaß und auch Erkenntnis haben, die all unser Denken weit übersteigt.  Das Nichts, aus dem wir kommen, und das Nichts, auf das wir zuleben, ist in Wirklichkeit das Alles, der Raum Gottes, unseres Schöpfers; es ist Gott selbst, ja es ist der dreifaltige Gott, der so auch Urbild allen personalen und gemein­schaftlichen Seins ist, Urbild des Menschen und menschlicher Gemeinschaft, dann aber auch all dessen, was unter, vor dem Menschen da ist: Die Schöpfung, alles Belebte und Unbelebte. Und das ist auch das erste, was uns die hl. Schrift erzählt: "Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde… Und siehe es war sehr gut." (Gen 1,1.31)

Wenn ein Christ auf die Schöpfung schaut, dann sieht er tatsächlich mehr! Und zwar nicht, weil er bessere Augen hätte oder eine stärkere Einbildungskraft als andere Menschen: Er sieht, was alle sehen, er sieht, was sich naturwissenschaftlich feststellen lässt, er sieht auch, was das Auge eines Künstlers sieht, und er sieht hinter all dem den Schöpfer und in allem die Schöpfung. Spüren Sie diesem Gedanken einmal nach! Schauen Sie immer wieder bewusst und neu auf die Dinge, die Natur, die Pflanzen, die Tiere und besonders die Menschen. Macht es nicht einen riesen Unterschied, wenn ich vielleicht nach Jahrzehnten vor dem Haus stehe, in dem ich als Kind gelebt habe oder von dem ich weiß, dass meine Eltern oder Großeltern da gelebt haben? Was sind dagegen all die anderen Häuser, sie mögen noch so elegant und groß dastehen.

Aber dieses eine Haus, das geht mich an, das hat mit mir zu tun, meiner Geschichte, meinen Erfahrungen.

Die Wirklichkeit, die ein Gott, ein liebender Gott gesetzt hat, ist ganz etwas anderes als das Endprdodukt einer blinden Evolution, viel mehr als ein Zufallsprodukt irgendwelcher blinder Kräfte und Energien. Es hat die ersten Kosmonauten und Austronauten geradzu übermannt, als sie den blauen Planeten Erde vom Weltall aus gesehen haben.

Da war so etwas wie Ehrfurcht, Staunen, vielleicht sogar Glaube, der da aufleuchtete. Und es drängt sich uns ein Wort auf die Lippen, das einem Zufallsprodukt gegenüber auszusprechen völlig sinnlos wäre: Danke! Wir wollen und wir dürfen für die Schöpfung danken!!!

"Herr, unser Herr, / wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde," betet der Psalmist im Psalm 8, "der du deine Hoheit gebreitet hast über den Himmel. … Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger,
Mond und Sterne, die du befestigt:
Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst,
des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?
Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott,
du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit.
Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände,
alles hast du gelegt unter seine Füße:
Schafe und Rinder, sie alle
und auch die wilden Tiere,
die Vögel des Himmels und die Fische im Meer,
was auf den Pfaden der Meere dahinzieht.
Herr, unser Herr,
wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!"
Ihnen allen einen gesegneten Sonntag!

Sonnabend, 25.05.2019: Die Wahrheit ist keine Waffe

Unterwegs sehe ich was Rotes am Boden liegen. Ich schaue genauer hin. Es ist die Hälfte einer zerbrochenen Tasse. Mit schwarzen Buchstaben auf rotem Grund steht im Design eines bekannten deutschen Nachrichtenmagazins folgendes Zitat: "Wahrheit ist eine Waffe, auf die man trainiert sein muss - Rudolf Augstein". Die Tasse liegt unmittelbar neben der Stelle im Stadtpark, wo sich eine Gruppe Trinkfester zum täglichen Gelage trifft. Wenn ich mit meinen Kindern auf dem Spielplatz gehe, mache ich einen großen Bogen um die Stelle. Das Zusammentreffen von Zitat und Fundort lässt mich nicht mehr los. Wahrheit, eine Waffe?

Die Wahrheit der Leute im Stadtpark, wo die Tasse zu Bruch ging, ist sicher keine schöne. Der eine oder andere trinkt bestimmt nicht ohne Grund. Die Wahrheit, dass ich froh bin, dass ich mein Leben besser unter Kontrolle habe, ist auch nicht besonders toll. Die Schere in unserer Gesellschaft ist schon weit auseinander gegangen. Die Wahrheit zu finden bedeutet manchmal, dass man selber bloßgestellt wird. Das ist nicht gerade angenehm. Oder es bedeutet, dass man im Rausch die Kontrolle über sich verliert, weil die Wahrheit ist, dass man einfach nicht alleine klarkommt.

In der Bibel fragt auch mal jemand: "Was ist  das eigentlich - Wahrheit?" Es ist Pontius Pilatus, der römische Statthalter. Obwohl er an Jesus Christus keine Schuld findet, beugt er sich dem Willen der Masse und lässt ihn hinrichten. Welche Schlagzeile hätte Rudolf Augstein aus dieser Geschichte gemacht? Jesus war auf die Wahrheit trainiert, aber nicht, um sie als Waffe zur Meinungsbildung einzusetzen, sondern um Menschen frei zu machen. "Ich bin die Wahrheit" sagte er und meinte damit: Ich halte, was ich verspreche. Das hat er dann auch getan. Er starb und kam wieder ins Leben, damit unser Leben nicht an unseren Wahrheiten scheitern muss. Was für eine Schlagzeile.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Pfarrer Dr. Andreas Martin

Pfarrer Dr. Andreas Martin

geboren am 2. Juli 1957 in Greiz | erlernter Beruf: Bautischler | Studium "Mathematische Methoden und Datenverarbeitung in der Wirtschaft" | 1985 Abschluss als Diplomwirtschafter | 1998 Magisterstudium "Katholische und evangelische Theologie und Philosophie | von 2004-2006 Mitarbeiter im "St. Benno Verlag" | parallel Dissertation an der TU Dresden, Religionsphilosophie | ab Oktober 2006 Diplomstudien-Tagung Katholische Theologie und Dissertation im Fach Theologie an der Universität Erfurt | 2009 Diakonweihe und Dienst in Radebeul | 2010 Promotion zum Dr. theol. | 2010 bis 2015 Pfarrer in Altenburg/Thüringen | 2016-2020 Pfarrer in Markkleeberg und Leipzig | seit Oktober 2020 Caritasrektor des Bistums, er ist zuständig für die geistliche Begleitung und religiöse Weiterbildung von Mitarbeitern der Diözesancaritas | zudem priesterliche Dienste in der Pfarrei Meißen.

Kurzbiografie Kathrin Posdzich

Kathrin Posdzich

geboren 1983 in Zwickau, aufgewachsen in Wildenfels | verheiratet, zwei Kinder | ev.-luth. verwurzelt, ev.-meth. beheimatet | 2002 geboren 1983 in Zwickau, aufgewachsen in Wildenfels | verheiratet, zwei Kinder | ev.-luth. verwurzelt, ev.-meth. Beheimatet | 2002 Abitur am Peter-Breuer-Gymnasium Zwickau | 2002-2009 Theologiestudium in Leipzig | 2009-2016 Gemeindearbeit in Süd-Ost-Thüringen | 2015-2019 Zusammenarbeit mit dem Senderbeauftragten der evangelischen Freikirchen beim MDR | seit 2018 Pastorin der ev.-meth. Kirche in Werdau und Umland | seit 2015 Sprecherin Wort zum Tag und Wort zum Sonntag bei MDR SACHSEN

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.