Selbstbestimmt: Anna und die Stimmen im Kopf Schizophrenie-FAQ: Wer bin ich und wenn ja, wie viele?

30. Januar 2024, 04:00 Uhr

Wer bin Ich und wenn ja, wie viele? Bei Schizophrenie ist oft die Rede von der gespaltenen Persönlichkeit. Jana Abitzsch, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, klärt auf, welche Formen die Krankheit tatsächlich annimmt und wie sie sich behandeln lässt.

Was ist Schizophrenie?

Schizophrenie ist die häufigste und schwerste Form einer Psychose. Die Patienten leiden unter einem Realitätsverlust. Wirklichkeit und deren Wahrnehmung spalten sich auf, nicht die Persönlichkeit. Betroffene hören Stimmen, die nicht da sind, haben also akustische, aber auch optische Halluzinationen. Das Erscheinungsbild ist sehr vielfältig, stark beeinträchtigt sind ganz verschiedene Bereichen des Wahrnehmens, Denkens, Fühlens, der Sprache, der Psychomototik, des Antriebs.

Dafür gibt es keinen eindeutigen Auslöser. Typisch ist, dass die Erkrankung im jungen Alter beginnt und dass bestimmte Belastungssituationen in dieser Zeit – wie das Abitur oder der Schulabschluss, der geschafft werden muss – ein Auslöser sein können.

Wann beginnt die Erkrankung typischerweise?

Man sagt, dass Männer früher erkranken als Frauen, zwischen dem 15. bis 25. Lebensjahr, bei den Frauen im 20. bis 35. Lebensjahr. Aber das differiert. Aber wichtig zu wissen ist, die Erkrankung beginnt meist in jungen Jahren.

Welche Formen der Erkrankung gibt es?

Die Schizophrenie kann akut ausbrechen. Es gibt verschiedene Formen, beispielsweise die paranoide Schizophrenie, die auch das Bild in der Bevölkerung prägt und durch eine ausgeprägte Störung der Wahrnehmung gekennzeichnet ist. Das heißt, die Patienten nehmen ihr Umfeld völlig verändert, verzerrt wahr. Die Grenzen zwischen dem Ich, der Person und der Umwelt verändern sich oder verschmelzen auf eine ganz eigenartige Weise. Das kann ganz unterschiedlich aussehen, zum Beispiel so, dass ein Schizophrener meint, sein Denken werde von außen beeinflusst. Oder es kommen Halluzinationen dazu, dass der Patient Stimmen hört, die ihm irgendwelche Anordnungen oder Befehle geben. In der Welt des Betroffenen ist das alles logisch und richtig, was er tut. Es ist nicht so, dass er die Lage, in der er sich befindet, intellektuell nicht erfassen kann, er nimmt sie nur einfach anders wahr.

Es gibt Schizophrenien, die kommen als akuter Schub, man behandelt sie und der Patient ist geheilt. Es gibt Formen, die so einen schubförmigen Verlauf haben, wo es immer mal wieder Episoden gibt, und es gibt eine chronische Variante. Wenn man das in Zahlen ausdrücken will, dann ist die Verteilung jeweils ein Drittel.

Lässt sich Schizophrenie medikamentös behandeln?

Um die Störung und die Wirkweise der Medikamente zu erklären: Wir haben Nervenzellen, mit Hilfe von Botenstoffen werden Informationen an sie übertragen. Wenn ich zu viel Botenstoffe habe, bei der Schizophrenie beispielsweise das Dopamin, dann kommt es zu einem Stau, weil es gar nicht genug Stellen zum Andocken dafür gibt. Das führt zu einer Informationsverarbeitungsstörung. Genau an der Stelle greifen Medikamente ein. Die Einstellung darauf ist sehr individuell und schwierig. Trotzdem ist es ganz wichtig, dass man möglichst früh die Diagnose stellt und mit der Behandlung, auch der medikamentösen anfängt. Die Betroffenen oder deren Angehörige sollten sich nicht schämen, Hilfe zu suchen.

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Selbstbestimmt: Anna und die Stimmen im Kopf Schizophrenie: Wie Anna Kunze ihr Leben mit der Krankheit meistert

Anna Kunze wächst in einem kleinen Dorf nahe Zwickau auf. Die Familie lebt in drei Generationen unter einem Dach. Dort fängt es an, mit 16 hört sie Stimmen, doch es ist niemand außer ihr im Haus ...

Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
Anna Kunze wächst in einem kleinen Dorf nahe Zwickau auf. Die Familie lebt in drei Generationen unter einem Dach.
Dort fängt es an, mit 16 hört sie Stimmen, doch es ist niemand außer ihr im Haus.
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
Anna Kunze wächst in einem kleinen Dorf nahe Zwickau auf. Die Familie lebt in drei Generationen unter einem Dach.
Dort fängt es an, mit 16 hört sie Stimmen, doch es ist niemand außer ihr im Haus.
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
Erst mit 19 bekommt sie die Diagnose Schizophrenie gestellt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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Da ist sie gerade für ein Studium von Zwickau nach Dresden gezogen. Sie muss es abbrechen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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Seit 2015 bloggt Anna Kunze im Netz über ihre Krankheit. Sie bekommt viele Kommentare und Mails von Betroffenen oder deren Angehörigen, die ihr für die Offenheit und Aufklärung über die Krankheit danken. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
Inzwischen arbeitet Anna Kunze ehrenamtlich im Selbsthilfenetzwerk für seelische Gesundheit und bei EX-IN LV Sachsen e.V. zu engagieren, seit 2018 geht sie für das Projekt "Verrückt? Na und!" in Schulklassen, um aufzuklären und gegend das Stigma anzukämpfen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
"Seid achtsam und wertschätzend!", gibt sie den Schülern mit, denen sie erzählt, in welche Verzweiflung sie das Mobbing damals stürzt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
In ihrem Blog schreibt Anna Kunze, dass sie sich während der Zeit ihrer schwersten Krise, die sie 2014 für acht Monate in die Klinik brachte, eine Genesungsbegleiterin gewünscht hätte, um sie besser über ihre Krankheit aufzuklären und ihr Mut zu machen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
Anna Kunze möchte nichts mehr als unabhängig leben, sich frei bewegen können. "Mobil zu sein, das ist für mich ein Schritt in die sogenannte Normalität", sagt sie. Ihr Fahrlehrer macht ihr Mut. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
Vor sieben Jahren hat Anna Kunze das Malen während einer ihrer Therapien für sich entdeckt. So bannt sie ihre Ängste. In einigen Porträts fehlt den Augen die Iris. Eine Anspielung darauf, dass sie ihren Therapeuten damals nicht in die Augen schauen konnte, weil sie glaubte, "dass sie dadurch meine Seele, meine Gedanken lesen konnten". Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
Der Galerist Peter Löwe hat Anna Kunzes Bilder im Netz entdeckt und schließlich eine Ausstellung im brandenburgischen Goyatz organisiert. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
Zur Eröffnung der Ausstellung drückt ihr einer der Besucher seine "große Achtung" aus, für ihren Mut. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anna und die Stimmen im Kopf - Selbstbestimmt-Reportage
Anna Kunze lebt mit ihrer Krankheit, die unberechenbar ist. Sie kennt inzwischen besser ihre Kraftquellen und hat sich gewappnet mit ihrer "Löffelliste". Inspiriert hat sie dazu der Film "Das Beste kommt zum Schluss", wie sie erzählt: "Da sind zwei ältere Herren, die todsterbenskrank sind und die machen eine 'Löffelliste'. Eine Liste mit Gründen zum Weiterleben, 'bevor man den Löffel abgibt'." Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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Projekt: "Verrückt? Na und!" inittiert vom Irrsinnig Menschlich e.V. * Irrsinnig Menschlich e.V., gegründet 2000 von Dr. Manuela Richter-Werling und dem Psychiater und Stigmaforscher Prof. Matthias C. Angermeyer, will über seelische Erkrankungen informieren und so Vorurteile abbauen. Richter-Werlings Antrieb war die Hilf- und Sprachlosigkeit in der Familie, als ihr Bruder in der Schulzeit seelisch erkrankte.

* Aus der Erkenntnis heraus, dass Stigmatisierung einer der schwerwiegendsten Gründe für Betroffene ist, rechtzeitig Hilfe zu suchen, selbst wenn es wirksame Behandlungsmöglichkeiten gibt.

* Die Mehrheit aller seelischen Erkrankungen beginnt vor dem 20. Lebensjahr, in einer Zeit, die für eine gute Entwicklung insgesamt wichtig ist.

* Deswegen geht der Verein mit dem Projekt "Verrückt? Na und!" auch in Schulen, um seelische Gesundheit zum Thema zu machen, mit dem Ziel über Erkrankungen aufzuklären und Auswege aus seelischen Krisen zu vermitteln. Und das nicht nur durch Fachexperten, sondern auch Menschen, die seelische Krisen bewältigt haben.

* Sachsenweit gibt es inzwischen drei Regionalgruppen, dazu kommen weitere in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Rund 70 Regionalgruppen gibt es bundesweit, auch in Tschechien, der Slowakei und Österreich machte das Projekt Schule.

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Hilfsangebote • Info-Telefon Depression: 0800 / 33 44 533 (werktags je 4 Stunden erreichbar), rund um die Uhr bei der Telefonseelsorge unter der kostenlosen Rufnummer 0800 - 111 0 111 oder 0800 - 111 0 222
• ein Selbsttest, Wissen und Adressen rund um das Thema Depression auf www.deutsche-depressionshilfe.de
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• Der Verein AGUS unterstützt Angehörige nach Suizid durch Beratung, Betreuung und Vermittlung von Kontakten Betroffener www.agus.de

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Selbstbestimmt | 06. Oktober 2019 | 08:00 Uhr