Mehrere Personen um einen Tisch, auf dem Holzgegenstände liegen
Fiene Herkula hat sich an der Hochschule Magdeburg-Stendal zur Bildungsfachkraft qualifiziert. Bildrechte: Miamedia/MDR

Inklusions-Projekt Fiene Herkula und Denise Schmidt: Aus der Werkstatt für Menschen mit Behinderung an die Hochschule

14. März 2024, 11:55 Uhr

An der Hochschule Magdeburg-Stendal entwickelt ein inklusives Team Bildungsangebote. Fiene Herkula und Denise Schmidt vermittel als Bildungsfachkräfte, welche Lebenswelten, Bedürfnisse und Sichtweisen Menschen mit Behinderung haben.

Fiene Herkula und Denise Schmidt haben sich an der Hochschule Magdeburg-Stendal zur Bildungsfachkraft qualifiziert. Vorher haben sie in Werkstätten für Menschen mit Behinderung gearbeitet. Als Bildungsfachkraft leiten sie Seminare, in denen Lebenswelten, Sichtweisen und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung vermittelt werden. Solche Seminare sind Teil des Projekts Inklusive Bildung Sachsen-Anhalt. Selbstbestimmt-Moderator Martin Fromme (MF) hat mit ihnen gesprochen.

MF: Vielen Dank, dass ich gerade Mäuschen spielen durfte beim Seminar. Für mich war es sehr interessant. Wie war es für Sie?

Denise Schmidt: Die erste Zeit war anstrengend. Uns geht es wie den Studierenden: In der Regel kommen wir nicht miteinander in Kontakt. Am Anfang war das sehr komisch, inzwischen ist es eigentlich normal.

MF: Wie gefällt Ihnen die Arbeit als Bildungsfachkraft?

Fiene Herkula: Mir macht Spaß, dass ich zum einen eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt erlernt habe und Menschen ohne Beeinträchtigung unsere Lebenswelte nahe bringen kann. Zum anderen, dass ich dadurch selbst Kontakte zu Menschen ohne Beeinträchtigung pflege.

MF: War es schwierig, aus dem Werkstatt-Verhältnis an die Hochschule zu kommen?

Denise Schmidt: Teils war es schwer, sich von den gewohnten Werkstatt-Strukturen zu lösen. Wenn es jetzt Unbehagen oder Probleme zu lösen gibt, muss man das selbstständig machen. Sagen wir so: Der Druck ist ein anderer, wenn man auf eigenen Beinen steht.

Drei Personen in einem Klassenraum
(v.l.n.r.) Denise Schmidt, Fiene Herkula und Martin Fromme im Gespräch. Bildrechte: Miamedia/MDR

Fiene Herkula: Mir hat es anfangs Sicherheit gegeben, zu wissen, dass ich zurück in die Werkstatt kann, wenn die Arbeit als Bildungsfachkraft nichts wird. Für mich stand aber nach wenigen Wochen fest, dass ich nicht zurück will.
Denise Schmidt: Da will keiner freiwillig zurück. Ich finde es persönlich nicht schlimm, dass es Werkstätten gibt. Das Problem an diesen Werkstätten ist, dass sie ihrer Aufgabe, Menschen zu fördern und sie fit für den ersten Arbeitsmarkt zu machen, nicht gerecht werden. Es ist eine Einbahnstraße: Man kommt rein, aber nicht wieder raus.

MF: Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?

Denise Schmidt: Mein Wunsch ist, dass Betriebe offener für Menschen mit Behinderung werden. Zum Beispiel, dass sie wirklich ab 20 Mitarbeitenden einen behinderten Menschen beschäftigen und dass das, was gesetzlich verankert ist, so gut wie möglich umgesetzt wird. Es sollte keine Frage mehr sein, wer behindert ist und wer nicht.

Zum Projektteam gehören Menschen mit und ohne Behinderung. Zusammen planen sie die nächsten Seminare, Vorträge und Workshops für Studierende, Vereine oder Firmen. Es geht um das Thema Inklusion. Die Teammitglieder geben persönliche Einblicke in ihr Leben mit Behinderung. So wollen sie Berührungsängste abbauen und für einen respektvollen Umgang werben. Dieses Projekt gibt es seit vier Jahren. Die Teilnehmenden ziehen durchweg positive Bilanz:

Wiebke Bretschneider: Ich kann mich noch an die Auftaktveranstaltung erinnern. Das war ein Highlight für mich. Wir haben einen kleinen Apéro gemacht. Es gab belegte Brötchen und Getränke. Ich hatte Stehtische an der Hochschule organisiert. Auf einmal kam Denise Schmidt zu mir, mit ihrem Teller und ihrem Kaffee und fragte, wo sie das denn hinstellen solle. Nur Stehtische zu organisieren war ein typischer Fehler von mir als nicht-beeinträchtigter Person. Das hatte ich gar nicht mitgedacht. Für diese Lerneffekte bin ich sehr dankbar.

Sven Gräbner: Mir hat es positive Energie gegeben. Ich bin selbstständiger geworden, kann reflektieren über mich. Wir sind wie eine große Familie hier. Und man weiß, wofür man aufsteht.

Sabine Schulze: Am Anfang war es für mich sehr schwierig. Weil ich undeutlich spreche, hatte ich Angst davor. Aber jetzt macht es mir richtig Spaß. Ich bin viel selbstbewusster und nicht mehr so aufgeregt, vor Leuten zu sprechen.

Mario Drogmann: Ich bin noch heute erstaunt, wie wir von Anfang an zusammen gefunden haben. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass wir alle irgendwie beeinträchtigt sind. Da muss man sich notgedrungen irgendwie zusammenraufen.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Selbstbestimmt | 12. Juni 2022 | 08:00 Uhr