Selbstbestimmt lebenDer Möglichmacher: Wenn anders sein normal ist
Daniel Kowalweski hat ein Inklusionsunternehmen gegründet. Das Ziel: Wirtschaftlicher Erfolg und auf die individuellen Qualitäten jedes einzelnen Mitarbeiters eingehen.
Daniel Kowalewski hat eine Vision. "Vielleicht braucht es in Zukunft auch gar keine Inklusion mehr in Unternehmen." Diese Zuversicht kann er besten Gewissens aussprechen. Denn vor 14 Jahren hat er hat die Esslinger Modefirma Wasni gegründet. Dort werden Hoodies hergestellt, oft auch maßgeschneidert. Der Firmenslogan weist darauf hin, was Daniel Kowalwskis Vision meint: "Wenn anders sein normal ist."
Daran arbeiten bei Wasni ganz unterschiedliche Menschen. Zum Beispiel Nadine: Sie ist kleinwüchsig und hat schon als Kind mit ihrer Mutter an der Nähmaschine gesessen, um ihre eigene Kleidung individiduell anzupassen. Die ausgebildete Modeteilnäherin Yaprak ist von Geburt an gehörlos. Daniel Kowalewski hat sie eingestellt und dann beschlossen, Gebärden zu lernen, um sich verständigen zu können.
Fähigkeiten eines Menschen erkennen
Der Wille, Gebärden zu lernen, gehört inzwischen zur Voraussetzung, um bei Wasni mit zu arbeiten. "Inklusion ist für viele Menschen der Abbau von Barrieren wie weniger Stufen und so weiter. Aber hier geht es darum, dass Yaprak uns nicht verstehen kann. Also lernen wir einfach ihre Sprache. Und das ist für mich echte Inklusion", sagt Daniel Kowalewski.
Vor der Gründung hat der gelernte Betriebswirt 13 Jahre lang in der freien Wirtschaft gearbeitet. Er war als Nachfolger für seinen Chef vorgesehen, doch es fehlte ihm an Sinn in seiner Arbeit. Nach seiner Kündigung machte er einen Bundesfreiwilligendienst in einer Schule für Kinder mit geistiger Behinderung. Dort hatte er Aha-Erlebnisse: "Es geht darum, herauszufinden, welche Fähigkeiten ein Mensch hat. Und ich glaube, dass jeder besondere Fähigkeiten hat", sagt Daniel Kowalewski. Bei Wasni bedeutet das, auf die Qualitäten jedes einzelnen einzugehen und die Strukturen anzupassen – nicht umgekehrt.
Individuelle Arbeitszeiten, wirtschaftlicher Erfolg
Dazu gehört auch, dass in seiner Firma flexible und individuelle Arbeitszeiten möglich sind. Kadde hat Depressionen, sodass es ihr schwer fällt, länger als drei Stunden am Tag zu arbeiten. Das ist bei Wasni aber kein Problem. Im Gegenteil, Daniel Kowalewski hat ihr dabei geholfen, ihre Erkrankung erstmals offiziell anerkennen zu lassen, damit sie in der Firma einsteigen kann.
Gerade bei psychischen Erkrankungen sei die fehlende Anerkennung durch Ämter, aber auch in der Gesellschaft, ein Problem, erzählt er:"Es ist witzig, wenn Leute bei uns in den Laden kommen. Die scannen immer: Wer ist denn hier wohl behindert? Ich finde, das ist irgendwie eine komische Sichtweise zu glauben, dass eine Behinderung einfach so zu sehen ist."
Anfangs gab es die Hoodies nur im Ladengeschäft zu kaufen. Inzwischen macht Wasni zwei Drittel seines Umsatzes online. Mit der Firma hat er es bereits geschafft, seine erste Vision möglich zu machen: Erfolgreich zu wirtschaften, "trotz oder gerade wegen einer besonderen Belegschaft", wie Daniel Kowalewski sagt.
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Selbstestimmt | 07. Juli 2024 | 08:00 Uhr