Teamcheck1. FC Magdeburg – mit simpler Lösung zum Klassenerhalt?
Trotz ansprechender Auftritte belegt der 1. FC Magdeburg vor dem Start in die Rückrunde einen Abstiegsplatz. Dabei liegt die Lösung der Probleme laut Trainer Christian Titz auf der Hand.
"Sorgenfrei" lautete das Stichwort beim 1. FC Magdeburg vor der Saison. Nach der Hinrunde lässt sich festhalten: Ziel verfehlt. Das Team von Cheftrainer Christian Titz steckt mitten im Abstiegskampf, der Klassenerhalt wird ein enormer Kraftakt. Die große Frage lautet: Hat der FCM aus seinen Fehler gelernt?
Wäre die Hinrunde eine Zahl...
Die erste Halbserie der Magdeburger stand ganz im Zeichen der 17. Nach 17 Spieltagen stehen 17 Punkte zu Buche, was in der Summe Tabellenplatz 17 bedeutet. Während der gesamten Hinrunde war der FCM fast ausschließlich im unteren Tabellendrittel beschäftigt. Vor allem im ersten Saisondrittel zahlte man viel Lehrgeld. Allein gegen St. Pauli, Hannover und Mitaufsteiger Kaiserslautern wurden in Summe elf Gegentreffer am Stück kassiert – meist durch individuelle Fehler und Unkonzentriertheiten hervorgerufen.
Paradoxerweise war die Mannschaft ihren Gegnern von der Spielanlage her nur selten unterlegen. Im Gegenteil: 58 Prozent Ballbesitz bedeuten Rang drei im Liga-Ranking, eine Passquote von knapp 85 Prozent unterstreicht die offensiv-mutige Spielidee von Titz. 33 Gegentore sind dagegen Negativwert aller 18 Zweitligisten. Immer wieder brachte sich der FCM durch eigene Nachlässigkeiten in Schwierigkeiten. Ob vermeidbare Platzverweise oder selbst aufgelegte Gegentore – derartige Fehler wurden eiskalt bestraft.
Hinzu kommt, dass das auf Ballbesitz und kontrolliertes Passspiel ausgelegte Spielsystem insgesamt zu wenig Durchschlagskraft hervorbrachte. Die Offensive agierte wenig zielgerichtet, zu oft wurde der Ball durch die eigenen Reihen geschoben ohne am Ende auch nur ansatzweise für Gefahr vor dem gegnerischen Tor zu sorgen. Vor allem aus dem Mittelfeld, in der Aufstiegssaison noch das Prunkstück, kam viel zu selten Torgefahr. 20 Treffer unterstreichen die zumeist harmlosen Auftritte in der Offensive.
Und doch gab es immer wieder Lichtblicke. Allen voran der an Dramatik kaum zu überbietende 3:2-Auswärtserfolg beim Aufstiegsanwärter Hamburger SV zeigte, dass die Spielidee von Titz zum Erfolg führen kann. Zudem trat die Abwehr – auch dank der im Saisonverlauf getätigten Transfers von Cristiano Piccini und Herbert Bockhorn – zuletzt deutlich stabiler auf. Umso unerklärlicher, dass der FCM im letzten Hinrunden-Spiel gegen Tabellennachbar Arminia Bielefeld in alte Muster verfiel, hinten den Gegner zum Toreschießen einlud und vorne trotz großer Dominanz Chance um Chance leichtfertig vergab.
Drei erfahrene Neuzugänge
Nicht nur aufgrund des seit Monaten anhaltenden Verletzungspechs hat der FCM in fast allen Mannschaftsteilen Verstärkungsbedarf. Insbesondere in der Offensive drückt der Schuh. Abhilfe soll Luc Castaignos schaffen. Gut zwei Wochen trainierte der 30-jährige Angreifer als Probespieler im Trainingslager mit, ehe er unter Vertrag genommen wurde.
Auf dem Niederländer ruhen große Hoffnungen. Mit seiner Erfahrung soll Castaignos die lahmende Offensive ohne allzu große Eingewöhnungszeit beleben. Bei seinen vorherigen Stationen (u.a. Inter Mailand, Sporting Lissabon und Eintracht Frankfurt) und auch in den Testspielen mit dem FCM hat er seine Torjäger-Qualitäten bewiesen. Hinter seiner Fitness steht allerdings ein Fragezeichen. Sein letztes Profispiel bestritt Castaignos im Sommer für OFI Kreta. 90 volle Minuten wird der 1,88 Meter große Rechtsfuß zum Rückrundenstart wohl kaum absolvieren.
Wenige Tage vor dem Auftakt gegen Düsseldorf (Freitag, 27. Januar, 18.30 Uhr live in der SpiO-App) wurden zwei weitere Planstellen in der Defensive besetzt. Daniel Heber kommt von Drittligist Rot-Weiss Essen und soll als "schneller, zweikampfstarker" Spieler die "Abwehrreihe auf mehreren Positionen variabel" unterstützen. Titz kennt den 28-Jährigen noch aus seiner Zeit als Cheftrainer in Essen. Dort war Heber bis zu seinem Wechsel Kapitän und Stammkraft. Auch auf der linken Außenverteidigerposition, wo seit dem Ausfall von Leon Bell Bell eine Lücke klafft, wurde mit der Verpflichtung von Maximilian Ullmann nachgebessert. Der 26-jährige Österreicher stand zuletzt beim italienischen Zweitligisten Venezia FC unter Vertrag und soll mit seiner Erfahrung auch das Angriffsspiel über die Außenbahn ankurbeln.
Abgesehen vom vorzeitig beendeten Leihgeschäft mit Mittelfeldspieler Ömer Beyaz vom VfB Stuttgart sind weitere Abgänge nach derzeitigem Stand nicht abzusehen. Obwohl der Kader mit aktuell 32 Spielern – inklusive der drei Torhüter – arg aufgebläht ist. "Wir werden keine Spieler aktiv wegschicken", unterstrich Schork. Auch um weitere personelle Ausfälle aufzufangen.
Titz setzt ein "klares Zeichen" und verlängert
Eines lässt sich nach den durchwachsenen Ergebnissen der Hinrunde festhalten: Verein und Cheftrainer halten an dem vor gut zwei Jahren eingeschlagenen Weg fest. Titz verlängerte seinen Vertrag im Dezember 2022 vorzeitig. Und das trotz der sportlich prekären Lage. Der Zeitpunkt überraschte, die Entscheidung weniger. Denn Titz genießt nach wie vor hohes Ansehen im Verein. "Es zeigt sich, dass der Verein auf einem guten Weg ist", begründete der 51-Jährige seine Vertragsverlängerung. "Unser Ziel ist, die Mannschaft zu stabilisieren und weiterzuentwickeln."
Diesen Prozess hat er maßgeblich angeschoben und seit seinem Amtsantritt im Februar 2021 für nachhaltige Aufbruchstimmung gesorgt. Unter dem ehemaligen HSV-Trainer hat eine neue Spielkultur Einzug gehalten. Seine Philosophie des Ballbesitzfußballs funktioniert – auch weil er sie nach zunehmender Kritik angepasst hat. Die langen Ballbesitzphasen konnten zum Ende der Hinrunde öfter ins Angriffsdrittel verlagert werden, also in die Zone, wo sie schlussendlich auch benötigt werden.
Titz hat aber nicht nur aufgrund seiner Expertise das Vertrauen der Vereinsführung. Der gebürtige Mannheimer ist dafür bekannt, auf junge Spieler zu setzen und diese weiterzuentwickeln. Das ist ihm bereits in Hamburg gelungen. Auch beim FCM hat er die ins Stocken geratenen Karrieren seiner ehemaligen Schützlinge Moritz-Broni Kwarteng und Tatsuya Ito wieder in Schwung gebracht. Zudem treibt er mit dem Ausbau der Infrastruktur die langfristige Zukunft auf dem Platz voran.
Über Titz' Vertragslaufzeit hüllten sich Schork und Co. in Stillschweigen. Diese Intransparenz stößt nicht zum ersten Mal auf Kritik bei den Fans. Unklar ist zudem, ob sein neuer Kontrakt auch Gültigkeit für die 3. Liga besitzt. Entsprechend spannend wird es sein, ob die Vereinsführung ihre Entscheidung revidiert, sollte Titz es nicht gelingen, den FCM aus dem Tabellenkeller zu führen.
Es wird eng mit dem Klassenerhalt – aber machbar
Egal wie viel Ballbesitz du hast, am Ende zählen nur Ergebnisse. Und die sind in Magdeburg zu oft ausgeblieben. Einzig zwischen dem 13. und 15. Spieltag blieb man dreimal in Folge ungeschlagen. In der zweiten Halbserie muss also in erster Linie Konstanz in die Leistungen. Bleibt der FCM in der Rückrunde dagegen so fehleranfällig, wird es nichts mit dem Klassenerhalt.
Die Lösung ist daher recht simpel. "Was bei uns besser laufen muss, ist ziemlich einfach: Wir müssen die Torchancen, die wir uns herausspielen, besser verwerten. Und hinten konsequenter stehen, dass uns nicht diese kleinen individuellen Fehler unterlaufen", sagte Titz im Rahmen des Trainingslagers. Dafür wurde unter anderem ein Mentaltrainer hinzugezogen. Die Anforderung des Cheftrainers ist mittlerweile auch "in den Köpfen der Spieler angekommen", unterstrich Keeper Dominik Reimann.
Chancenlos ist der FCM in der 2. Bundesliga keineswegs. Das haben vor allem die Siege gegen die qualitativ besser besetzen Teams aus Hamburg oder Nürnberg gezeigt. Das Gefälle in der zweiten Tabellenhälfte ist zudem nicht groß. Das derzeitige Schlusslicht Sandhausen und Hansa Rostock auf Rang neun trennen aktuell nur fünf Punkte. Umso wichtiger wird es sein, zu Beginn der Rückrunde gegen die direkten Konkurrenten Karlsruhe und St. Pauli im unteren Tabellendrittel die Punkte zu holen.
Testspiele im Überblick
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Sport im Osten | 14. Januar 2023 | 14:00 Uhr
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