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Fußball | JubiläumViel mehr als nur ein Tor für die Ewigkeit – FCM-Legende Jürgen Sparwasser wird 75

04. Juni 2023, 05:00 Uhr

Das Tor zum 1:0 im WM-Spiel gegen die BRD: Darauf wird Jürgen Sparwasser oft reduziert. Dabei ist seine Laufbahn gespickt von Erfolgen. An alle erinnert er sich auch mit nun 75 Jahren noch gern.

"Mir geht's jedenfalls gut, ich bin gesund" – herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag, Jürgen Sparwasser. Bildrechte: IMAGO / STAR-MEDIA

Eigentlich müsste im Hamburger Volksparkstadion eine Erinnerungstafel mit dem Konterfei von Jürgen Sparwasser hängen. Am 22. Juni 1974 schoss der damalige Stürmer des 1. FC Magdeburg das geschichtsträchtige 1:0 im WM-Spiel gegen den späteren Weltmeister BRD. Noch heute, 49 Jahre danach, wird immer wieder an diesen Treffer erinnert, der nach den Worten von Franz Beckenbauer erst den Triumph des Gastgebers ermöglicht hatte. Und auch der Schütze des Tores ist zumindest vom Namen her Jung und Alt geläufig. Jürgen Sparwasser – an diesem Sonntag (4. Juni) feiert er in der Wahlheimat Bad Vilbel seinen 75. Geburtstag.

Cupsieger '74, drei Mal DDR-Meister, vier FDGB-Pokale

Nein, über das Tor wollte und will Sparwasser eigentlich schon lange nicht mehr reden. Es sei alles gesagt. Auch wenn sich seine Popularität in Ost und West damit verbindet: Sparwasser war viel mehr als das Tor für die Ewigkeit. Allein die reine Erfolgsbilanz spricht schon dafür: Dreimal DDR-Meister, viermal FDGB-Pokalsieger – jeweils mit dem 1. FC Magdeburg. 271 Oberligaspiele für die Elbestädter mit 111 Treffern. Junioren-Europameister 1965, Olympia-Bronze 1972, Europapokalsieger der Pokalsieger mit dem FCM 1974, WM-Teilnehmer 1974, 53 Länderspiele mit 15 Toren. "Was will ich mehr? Ich habe fast alles erreicht, was man erreichen kann. In meiner Karriere gibt es nichts, was ich gern ausblenden würde", sagt Sparwasser.

Größter Triumph einer DDR-Klubmannschaft: Jürgen Sparwasser (li.) und Manfred Zapf (re.) bejubeln in Rotterdam den Finalsieg über den AC Mailand im Europapokal der Pokalsieger. Bildrechte: imago images/Horstmüller

Das wertvollste Tor? Im Europacup-Halbfinale 1974!

"Schuld" an der großartigen Fußballerkarriere war sein Onkel, der ihm das Spiel und die Technik lehrte, ihm vor allem beibrachte, beidfüßig zu schießen. Diese Fähigkeit machte ihn später unberechenbar und zu einem Torjäger. "Er war bei uns schon vom Junioren-Alter an derjenige, der die meisten Tore geschossen hat. Joachim Streich kam ja erst später nach Magdeburg. Er war ein Ausnahmestürmer. Er ist immer vornweg gegangen, war ein Vorbild", sagt sein langjähriger Teamkollege Siegmund Mewes über den Jubilar.

Was will ich mehr? Ich habe fast alles erreicht, was man erreichen kann. In meiner Karriere gibt es nichts, was ich gern ausblenden würde.

Jürgen Sparwasser | DPA-Interview

Sparwassers wichtigstes Tor? Nein, auch das war nicht der Treffer in Hamburg. "Im Halbfinale des Europapokals 1974 habe ich beim 2:1-Heimsieg gegen Sporting Lissabon das 2:0 gemacht. Das war für mich nicht nur das schönste, sondern auch wertvollste Tor, weil es der Ausgangspunkt für den späteren Cup-Triumph war", erinnert sich der Torjäger ohne langes Nachdenken. Überhaupt war der Europapokal Sparwassers Lieblingswettbewerb. In 40 Spielen markierte er 20 Treffer.

So gut er technisch auch ausgebildet war, Sparwasser konnte auch ordentlich zulangen. "Wer mir weh tat, konnte damit rechnen, dass er das doppelt und dreifach zurückbekommt", erzählt der Wahl-Hesse. Ein ganz spezieller Fall sei der Jenaer Michael Strempel gewesen. Der habe in Heimspielen sehr brutal gespielt. "Aber in Magdeburg hat er fast immer geheult", sagt Sparwasser.

Ende der 1990er Jahre stand Sparwasser der Vereinigung deutscher Vertragsfußballer vor. Bildrechte: IMAGO / Alfred Harder

Nach der Karriere: Diplomsportlehrer und VdV-Präsident

So sehr er Fußballer aus Leidenschaft war, Sparwasser hatte auch die Karriere nach der Karriere im Blick. Mit 20 Jahren holte er das Abitur nach, während der Laufbahn und mit Familie studierte er. So hatte er einen reibungslosen Übergang ins Berufsleben als Diplomsportlehrer an der Pädagogischen Hochschule Magdeburg, als seine Karriere wegen einer Verletzung 1979 vorzeitig endete. Diese Erfahrung nutzte er später, als er von 1997 bis 1999 Präsident der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV) war.

"Da habe ich zwei Dinge installiert, auf die ich schon stolz bin", sagt Sparwasser. Zum einen führte er ein, dass es für die Mannschaften der Bundesliga bis zu damaligen drittklassigen Regionalliga verpflichtend sportmedizinische Untersuchungen auch in der Winterpause gibt. Zum anderen wurde das Projekt Nach-Karriereplanung gestartet. "Spielern ab Liga zwei nach unten haben wir geholfen, den Sprung ins Leben zu schaffen. Wir haben mit Firmen über Ausbildungsplätze verhandelt oder Studienplätze vermittelt", berichtet der Familienvater.

Im Herbst 1974 lieferten Jürgen Sparwasser (re.) und Co. Titelverteidiger FC Bayern München (hier Hans-Georg Schwartzenbeck) im Europapokal der Landesmeister einen großen Kampf, schieden nach einem 2:3 in München und einem 1:2 in Magdeburg aus. Bildrechte: IMAGO / Fred Joch

Herz für Ausbildung junger Spieler – Kritik am DFB

Nebenbei kümmerte er sich um junge Fußballer, war Projektleiter Talenttraining in der Charly Körbel-Fußballschule. Die Ausbildung junger Fußballer liegt ihm auch heute noch am Herzen, auch wenn er selbst nicht mehr aktiv dabei ist. Und kritisiert in diese Richtung den Deutschen Fußball-Bund. "Wenn der Verband nicht die kleinen Vereine und Ehrenamtlichen an der Basis stützt und so die Voraussetzungen schafft, kann es passieren, dass der Fußball seinen Status als Volkssport verliert", sagt Sparwasser, der auch kritisch mit dem Profifußball umgeht. "Ich bin enttäuscht über den Werdegang der Nationalmannschaft, vor allem ihren Leistungen und die Darstellung in Katar. Wenn man sich so präsentiert, verliert der Fußballfan die Lust und den Glauben daran, dass es besser wird. Ich kann den Frust der Menschen verstehen, die nicht mehr die Freude haben, ins Stadion zu gehen. Es macht einfach keinen Spaß."

Jürgen Sparwasser mit seiner Ehefrau Christa im Mai 2022 auf der Tribüne der Magdeburger MDCC-Arena. Die FCM-Meistermannschaft von 1972 feierte ihr 50-jähriges Titeljubiläum. Bildrechte: IMAGO / CHROMORANGE

Sparwasser fiebert mit den Ostklubs – aber ist "immer ein Blauer geblieben"

Und so schaut er lieber am Samstagnachmittag im Mitteldeutschen Rundfunk die Berichterstattung über die 3. Liga, fieberte zuletzt mit Dynamo Dresden und dem FSV Zwickau mit, freute sich über den Klassenverbleib des FC Hansa Rostock und seines 1. FC Magdeburg in Liga zwei. "Ich bin immer ein Blauer geblieben", sagt der Jubilar, der jedes Jahr um den 8. Mai mit den früheren Mitspielern "die dritte Halbzeit des Europapokalsieges feiert. Nächstes Jahr zum 50. Jahrestag lassen wir es als Mannschaft krachen, das haben wir uns geschworen", berichtet Sparwasser. Und noch ein 50. Jubiläum steht dann an: der runde Jahrestag seines Tores für die Ewigkeit. Spätestens dann wird er wohl wieder darüber reden müssen.

Mir geht's jedenfalls gut, ich bin gesund.

Jürgen Sparwasser | DPA-Interview

Zunächst aber begeht er seinen eigenen Geburtstag am Sonntag in einer derzeit noch nicht feststehenden Runde. Seine Familie – Frau, eine Tochter, ein Enkel, zwei Urenkel, die allesamt im hessischen Gebiet um Bad Vilbel wohnen – sind in jedem Fall dabei. Dazu ein paar Freunde. Und ehemalige Mitspieler? "Keine Ahnung, ich lasse mich überraschen. Mir geht's jedenfalls gut, ich bin gesund. Wer kommt, ist herzlich willkommen", sagt Sparwasser.


dpa/red

MDR-Doku "Unsere Mannschaft '74" – Eine Zeitreise

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | SACHSEN-ANHALT HEUTE | 04. Juni 2023 | 19:00 Uhr

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