Ex-HFC-Spieler René Tretschok im Interview "Man musste doppelt so gut sein wie die alten Hasen"

19. Januar 2016, 05:00 Uhr

Als René Tretschok 1984 nach Halle kommt, kann es kaum besser laufen. Er lernt und trainiert auf der Sportschule, genießt eine hervorragende sportliche Ausbildung und wird nach drei Jahren Spieler in der Männermannschaft des Halleschen FC. Gemeinsam mit seinen Teamkollegen gelingt ihm der Sprung in die 2. Bundesliga. Als er den Club von der Saale 1992 verlässt, fängt seine Karriere gerade erst an.

MDR SACHSEN-ANHALT: Hallo Herr Tretschok, wie geht es Ihnen?

René Tretschok: Hier in Magdeburg scheint die Sonne und ich durfte hier zu Gast sein und ein tolles Projekt vorstellen. Also mir geht es gut.

Sie haben hier heute ein Streetsoccer-Projekt vorgestellt. Worum geht es da genau?

Neben meiner aktiven Karriere als Profi-Fußballer habe ich auch immer Projekte mit Kindern und Jugendlichen, die mit Fußball zu tun hatten, vorangetrieben. Seit dem Jahr 2000 veranstalten wir die Fairplay-Soccer-Tour. Das ist eines der größten Jugendsozialprojekte im Straßenfußball-Bereich in Deutschland. Und das macht sehr viel Spaß. Diesem Thema bin ich auch als Fairplay-Botschafter sehr verbunden.

Schon 1996, auf dem Höhepunkt ihrer Fußballer-Karriere, haben Sie die Tretschok-Fußballschule gegründet. Woher kam die frühe Einsicht, später mit Nachwuchsspielern arbeiten zu wollen?

Aus meiner Historie heraus: Ich habe mit sieben Jahren angefangen, im Verein Fußball zu spielen.

Mit zehn hatte ich schon fünf Mal die Woche Training und am Wochenende ein Spiel - mein ganzes Leben drehte sich immer schon um Fußball.

Da ich in meiner Jugend eine sehr gute Ausbildung genossen habe, habe ich mir vorgenommen, das während oder nach meiner Karriere zurück- und auch weiterzugeben.

2012 waren Sie für einige Monate Co-Trainer der Hertha BSC-Profis. Würde Sie eine Stelle im Männerbereich auch reizen?

Man sollte nie nie sagen. Aber ich habe mich 2012 bewusst entschieden, nur noch die Projekte zu machen, die mir wirklich am Herzen liegen. Ich habe mein Trainerdasein auf Eis gelegt, weil ich beide Tätigkeiten zeitlich nicht unter einen Hut bekommen habe. Wenn ich etwas mache, dann will ich auch 100 Prozent geben. Und die Soccer-Tour hat sich so gut entwickelt, dass ich das sogar hauptamtlich mache.

Von außen betrachtet war der Hallesche FC in den 70ern und 80ern eine ziemlich graue Maus im DDR-Fußball. Was hat den Club für seine Anhänger dennoch zu etwas Besonderem gemacht?

Ich war ja von 1984 bis 1992 in Halle, habe in der Sportschule mein Abitur gemacht, habe meine ersten Schritte im Männerbereich gemacht und habe in der Jugendnationalmannschaft gespielt. Ich habe gute Erinnerungen an Halle. Ich bin dem Verein dankbar, dass er mir eine so gute Ausbildung gegeben hat. Ich verbinde Halle mit sehr professionellem und doch für unsere Zeit erfolgreichem Fußball.

Nach dem Oberligaaufstieg des HFC 1987 hatten Sie als 18-Jähriger Ihr Debüt in der 1. Mannschaft. Welche Erinnerungen haben Sie an die Zeit?

Ich bin mit 15 Jahren von zu Hause weg - ich komme ja aus Wolfen.

Ich bin quasi zur Sportschule delegiert worden und habe mich dort integriert. Wir haben in der Jugendoberliga gespielt. Man hat mir dann die Möglichkeit gegeben, in den Männerbereich zu wechseln.

Das war eine sehr, sehr schwierige Zeit, weil damals noch andere, raue Sitten geherrscht haben.

Als junger Spieler hatte man sich erst mal hinten anzustellen und musste doppelt so gut sein wie die alten Hasen. Das war eine sehr lehrreiche Zeit, die ich aber nicht missen möchte. Man hat wirklich sehr, sehr viel gelernt. Man hatte trotzdem viele Freiheiten, um sein Leben wirklich selber gestalten zu können. Das andere war Leistungsfußball pur damals.

Gemeinsam mit Ihnen kam auch Dariusz Wosz aus der Jugend, den viele als den vielleicht besten HFC-Spieler aller Zeiten in Erinnerung haben. Wie war ihr Verhältnis und wie haben Sie ihn als Spieler erlebt?

Nicht nur Dariusz war ein Großer, sondern auch mein guter Freund Steffen Karl. Wir drei haben als Jugendspieler für die meiste Furore gesorgt beim HFC - und wir haben ja letztlich auch den Weg in die Bundesliga geschafft. Dariusz hat in Bochum sein Glück gefunden und ist heute dort noch Technik- und Jugendtrainer. Ab und zu haben wir noch Kontakt. Aber aufgrund der Entfernung ist es leider nicht so oft möglich, sich mit anderen Spielern aus der Vergangenheit zu treffen. Es war auf jeden Fall in Halle eine sehr, sehr schöne Zeit.

Nach einer starken Saison 1990/91 qualifizierte sich der Hallesche FC für die 2. Bundesliga, schaffte es aber nicht, sich dort zu etablieren. Warum hat es damals nicht gereicht?

Ich glaube, dass hing auch mit der Maueröffnung zusammen. Plötzlich gab es lukrative Möglichkeiten in Westvereine zu wechseln. Viele Spieler aus unserem Team bekamen nach der sehr guten Vorsaison Angebote von anderen Vereinen. Die älteren Spieler, die eigentlich kurz vor dem Karriereende standen, hatte im Kopf, vielleicht doch noch mal etwas anderes zu probieren. Diese erfolgreiche Mannschaft des HFC ist dann peu à peu auseinandergebrochen.

Ihre Karriere ging danach erst richtig los und später gewannen Sie mit Borussia Dortmund Meisterschaften und die Champions League. Der Hallesche FC stürzte dagegen bis in die Verbandsliga? Wie haben Sie den Niedergang des Clubs verfolgt?

Das betraf ja nicht nur Halle, sondern auch sehr viele andere Traditionsmannschaften aus den neuen Bundesländern.

Einige sind wohl aus wirtschaftlichen Situationen nicht herausgekommen und sind abgestiegen. Ich habe das immer verfolgt. Ich war später auch noch mal für ein Freundschaftsspiel in Halle, da hat man dann erstmal gemerkt, wie es zu der Zeit in dem Verein wirklich aussieht. Es war traurig zu sehen, wie der einst große Verein ein bisschen in den Niederrungen versunken ist.

Aber ich habe das schon verfolgt und bin auch froh, dass der Verein mit seinem neuen Stadion stabil geworden ist. Ich hoffe, dass der HFC irgendwann höherklassiger spielen wird. Und ich habe gehört, dass sie das Nachwuchsleistungszentrum wiederaufbauen wollen. Es ist sehr wichtig, dass man im Jugendbereich eine Basis hat.

Mittlerweile spielt der HFC wieder in der 3. Liga. Wann sehen wir denn einen Absolventen der Tretschok-Fußballschule im Erdgas-Sportpark auflaufen?

Christian Tiffert war in der Fußballschule und ist auch mal für Halle und später in der Bundesliga aufgelaufen. Der ein oder andere ist da auch schon erfolgreich rausgekommen. Dieses Jahr habe ich 20-jähriges Jubiläum und auch wieder viele Camps. Ich hoffe, dass bald mal wieder der ein oder andere beim HFC durchstartet und dort dann auch den Sprung in die erste Männermannschaft schaft.

Zeit für gute Wünsche: Was wünschen Sie dem Halleschen FC zum Geburtstag?

Ich wünsche dem Halleschen Fußballclub alles, alles Gute für die nächsten 50 Jahre - vor allem natürlich sportlichen Erfolg. Viele entscheidende und schöne Spiele in der Stadt. Dass die Fans immer zahlreich ins Stadion kommen. Und ich wünsche dem HFC, dass sich der Verein weiter positiv entwickelt und in eine gute Zukunft blicken kann.

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