Chemie Mannschaft inmitten der Fans von Chemie Leipzig 5 min
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Fußball | Regionalliga Polizei kassiert Blockfahne ein – viel Frust und Wut bei Chemie Leipzig nach Cottbus-Spiel

29. Mai 2023, 17:54 Uhr

Das "Königreich Leutzsch" sollte am letzten Regionalliga-Spieltag für einen stimmungsvollen Saisonabschluss sorgen. Doch es kam anders. Chemie Leipzig und die Polizei Leipzig geben sich gegenseitig die Schuld.

Das letzte Regionalliga-Saisonspiel zwischen der BSG Chemie Leipzig und Energie Cottbus wirkt auch mehr als 24 Stunden nach Abpfiff emotional nach. Und das ist ziemlich ungewöhnlich für eine torlose Nullnummer, in der es sportlich um nichts mehr ging. Grund für die Mischung von Frust, Ärger und Wut auf Seiten der Chemie-Fans und des Vereins ist die Inbeschlagnahme einer großen Blockfahne durch die Polizei vor der Partie.

Chemie-Sprecher Skoruppa: "Schwer empört"

"Wir sind schwer empört", schimpfte BSG-Vorstandsprecher Dirk Skoruppa am Montag (29. Mai) danach im MDR-Gespräch: "Wir haben alles getan, damit wir ein friedliches Fußballfest sehen. Wir haben alle Absprachen mit der Polizei akkurat umgesetzt. Und stattdessen kesselt die Polizei unsere Fans ein."

Die Grün-Weißen werfen den Beamten ein deutlich überzogenes Vorgehen gegen Anhänger ihres Vereins und ein widerrechtliches Einkassieren einer lange vorbereitenen Choreografie vor. Im Detail wollten die BSG-Fans unmittelbar vor Anpfiff eine große Blockfahne über den Norddamm aufziehen und beide Mannschaften mit einer "Königreich Leutzsch"-Choreografie begrüßen. Doch die für die Choreo vorgesehene Blockfahne gelangte erst gar nicht in den Leutzscher Alfred-Kunze-Sportpark. Das hatte unter anderem eine Verzögerung des Anpfiffes zur Folge, weil sich daraufhin die Chemie-Spieler mit den eigenen Fans solidarisierten und 20 Minuten gemeinsam im Norddamm hinter dem Tor verbrachten.

Chemie Mannschaft inmitten der Fans von Chemie Leipzig
Die Chemie-Mannschaft solidarisierte sich vor der Partie mit ihren Anhängern. Bildrechte: Picture Point

Polizeisprecherin: "Fahne war kein Thema"

Nach Angaben der Polizei sei die Fahne aus "gefahrenabwehrrechtlichen Gründen" einbehalten worden, wie Polizeisprecherin Sandra Freitag dem MDR bereits am Sonntag (28.05.2023) noch im Verlauf des Spiels mitgeteilt hatte. "Solch eine Block-Überziehfahne muss angezeigt und genehmigt werden. Das ist nicht erfolgt", sagte Freitag und verwies darauf, dass die Fahne nicht beschlagnahmt wurde, sondern lediglich "sichergestellt, weil sich kein Besitzer gefunden" habe.

Auf Nachfrage am Montag (29.05.2023) bekräftige die Polizeisprecherin: "Alle Beteiligten haben sich in den Sicherheitsberatungen zwischen Verein und Polizei im Vorfeld des Spiels darauf verständigt, dass es keine Choreografie mit Block-Überziehfahne geben wird."

Skoruppa: "Choreo wurde abgesprochen"

Dem jedoch widersprechen die Leipziger energisch. "Das ist eindeutig nicht richtig. Es wurde abgesprochen, dass es eine Choreo gibt. Das ist im Protokoll der Sicherheitsberatung im Übrigen auch vermerkt", so Skoruppa. Anwalt Christian Friedrich vom Rechtshilfekollektiv BSG Chemie Leipzig e.V. und Vorstandsmitglied des Vereins ergänzt: "Der Verein und nicht die Polizei entscheidet über Choreos." Chemie habe die Aktion der Fans zugelassen. Laut Friedrich und Skoruppa hätte die Polizei zudem während der Maßnahme ihre Argumentation mehrfach geändert.

Ankündigungsplakate
Eines der besagten Ankündigungsplakate im Leipziger Stadtgebiet. Bildrechte: Picture Point

"Wildplakatiererei und Sachbeschädigung"

Demnach soll die Polizei zunächst bei Sichtung des Choreo-Materials argumentiert haben, dass ein auf der Fahne verwendetes Logo einem Emblem ähnele, mit dem zuvor für einen Fanmarsch geworben worden sei. Da die Plakate für den Fanmarsch ohne Genehmigung in der Stadt angebracht worden seien, habe die Polizei versucht, die Choreo wegen "Wildplakatiererei und Sachbeschädigung" zu beschlagnahmen.

Gefahrenabwehr oder Kunsturheberrecht?

Später seien Argumente der Gefahrenabwehr und des Verstoßes gegen das Kunsturheberrecht vorgebracht worden. Die Gefahrenabwehr hätte sich laut Friedrich auf Ausschreitungen beim Fanmarsch bezogen. Dieser Anschuldigung hätten aber selbst sogenannte "szenekundige Beamte" widersprochen.

Der Vorwurf wiederum, das verwendete Emblem mit einem grünen Baum und weißen Wurzeln falle unter das Kunsturhebergesetz, ist laut Friedrich "völliger Unsinn". Stattdessen resümiert Chemie-Sprecher Skoruppa: "Man hat sich verzettelt. Man hat die abstrusesten Begründungen gegeben, weil man gemerkt hat, dass es nicht haltbar ist."

Chemie: "Behandlung wie Schwerverbrecher"

So seien auch 30 bis 40 Fans, die die Fahne ins Stadion bringen wollten, lange festgehalten worden. Eine erkennungsdienstliche Behandlung durch die Polizeit konnte laut Skoruppa "durch Intervention unserer Fananwälte" verhindert werden. Die Anhänger seien von der Polizei aber eingekesselt und erst 20 Minuten vor Abpfiff ins Stadion gelassen worden. "Der gesamte Polizeieinsatz an diesem Spieltag stellt für uns eine neue Dimension fragwürdigen polizeilichen Handelns in Zusammenhang mit unseren Heimspielen dar", heißt es in einer offiziellen Chemie-Vereinsmitteilung vom Montag.

Der Klub sei nicht länger bereit, "die allgemeine Behandlung unserer Fans wie Schwerverbrecher, unter anderem auch mit über dem Stadion kreisenden Spezialdrohnen", hinzunehmen. Stattdessen verlangt die Klubführung: "Die an der Einsatzleitung beteiligten Behörden, neben der Polizei auch die Leipziger Staatsanwaltschaft, fordern wir auf, ihre aus unserer Sicht nicht zur Deeskalation geeignete Einsatzstrategie kritisch zu hinterfragen." Die Blockfahne haben die Leipziger Fans übrigens auch nach dem Spiel nicht zurückerhalten.


Dirk Hofmeister

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 30. Mai 2023 | 19:30 Uhr

34 Kommentare

countdown vor 46 Wochen

Das ist eine "private Fehde" welche die Behörden mit Chemie Leipzig ausfechten und geht schon über Jahre. Das war aber eindeutig der Höhepunkt und muss Konsequenzen haben.

Kampffrettchen vor 46 Wochen

Also im Muldental und in Probstheida gehört die Hoheit über das wilde Kleben uns Lokis. Des Weiteren haben wir alle Leipziger Stromkästen blau gelbt angemalt. Das fand Marco eigentlich extrem cool, also Aalfred entspann Dich.

Blauer Himmel vor 46 Wochen

Ich denke unser Chemnitzer Auftritt bei Euch war auch ganz in Ordnung. Nur von Euren "Brüdern" der Lokomotive Leipzig las man hier im MDR von Zerstörung. Warum auch immer, aber das müsst Ihr untereinander klären.

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