Fußball | Regionalliga Ist der Chemnitzer FC ein Selbstbedienungsladen?

01. Juni 2023, 16:45 Uhr

Romy Polster und Marc Arnold geraten beim Chemnitzer FC immer mehr unter Beschuss. Dem MDR liegen brisante Dokumente vor. Sie zeigen, wie Polsters Catering-Firma die Preise beim CFC anzog und große Einnahmen generierte.

Der Chemnitzer FC kämpft mit einer finanziellen Schieflage. Mehrere Investoren und viele Fans machen die Präsidentin Romy Polster und den Geschäftsführer der Chemnitzer FC Fußball GmbH Marc Arnold dafür verantwortlich. Am heutigen Donnerstagabend (1. Juni) wird es eine Krisensitzung von Aufsichtsrat, Vorstand und GmbH-Gesellschaftern geben. Ein Kritikpunkt ist der geringe Ertrag aus dem Catering, für das die Firma Polster Sport Catering zuständig ist. Dem MDR liegen Dokumente vor, die ungewöhnliches Geschäftsgebaren im Catering vermuten lassen. Außerdem wird deutlich, wie unzureichend die Kommunikation und Kontrolle in der Führungsetage von Verein und der Chemnitzer FC Fußball GmbH ist.

Choreografie der Chemnitzer Fans
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Wie viel investierte Polster Catering überhaupt ins Stadion?

Polster Catering hatte den Catering-Vertrag für das neue Stadion bereits am 30. Mai 2014 abgeschlossen, aufgrund von Bau-Verzögerungen wurde die Arena erst im August 2016 eröffnet. Zweifellos hat die Polster Catering GmbH Geld investiert in die Ausstattung, insbesondere in die VIP-Räumlichkeiten und Stadion-Kioske. Ob von Polster Catering dabei tatsächlich 1,2 Millionen Euro investiert worden sind, wie Romy Polster am 30. Mai 2023 in einem Interview der Bild-Zeitung behauptete, wird von mehreren CFC-Insidern angezweifelt.

Ein damaliges CFC-Aufsichtsratsmitglied spricht auf MDR-Nachfrage nur von Investitionen in Höhe von 500.000 Euro. Als 2018 der Verein in die Insolvenz ging, hatte Polster Catering Forderungen von 480.000 Euro anmeldet. Die Investition in das Stadion könnte also in der Insolvenzmasse aufgegangen sein.

Je mehr Zuschauer beim CFC, umso mehr Gewinn für Polster Catering

Am 1. Juli 2018 hatte der mittlerweile verstorbene Insolvenzverwalter Klaus Siemon einen neuen Vertrag mit Polster Catering abgeschlossen – über fünf Jahre mit einer einseitigen Option für Polster Catering für fünf weitere Jahre. Ungewöhnlich an dem Vertrag: Der CFC (damals gab es die GmbH noch nicht) erhält für das Stadion-Catering keinen prozentualen Anteil am Gewinn, sondern eine Pauschale in Höhe von 1.500 Euro pro Heimspiel. Je mehr Zuschauer im Stadion sind, desto höher ist also der Gewinn von Polster Catering. Allerdings zahlt Polster Catering laut Vertrag zusätzlich pauschal 1.000 Euro pro Heimspiel an den CFC.

Für den Aufstieg in die 3. Liga 2018/19 gab es in dem Vertrag eine gesonderte Regelung. Damals wurde auf eine Beteiligung umgestellt: 10 Prozent des Netto-Umsatzes für den Verein. Zum Vergleich: Beim FC Carl Zeiss Jena sind es in der Regionalliga ca. 20 Prozent.

Chemnitzer FC 3 min
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Fußball-Marketing-Experte: "Vertragslaufzeit ist sehr ungewöhnlich!"

Nach nur einem Jahr in der 3. Liga stieg der CFC 2020 zwar wieder ab – dafür ließ sich Romy Polster die feste Vertragslaufzeit von fünf auf zehn Jahre verdoppeln und gleichzeitig einseitige Optionen für weitere zehn Jahre einräumen. Zum Anlass wurde ein Vertragswechsel genommen, nämlich von Polster Catering zur neuen Firma Polster Sport Catering – auch hier hat Romy Polster Prokura. In Paragraf 3 wird das Cateringrecht vom 1. Juni 2019 für zehn Jahre gewährt, plus einem Optionsrecht von zweimal fünf Jahren. Die Verlängerung bis 2037 unterzeichnete für die CFC Fußball GmbH der damalige Geschäftsführer Thomas Sobotzik. Die Kontrolle lag zu dieser Zeit bei Insolvenzverwalter Klaus Siemon.

Fußball-Marketing-Experte Peter Rohlmann schätzt das folgendermaßen ein: "Cateringverträge im Profi-Fußball haben normalerweise eine längere Laufzeit, weil für das Catering häufig auch eine Einrichtung oder technische Ausstattung nötig ist. Fünf bis sechs Jahre sind üblich, manchmal bis zu acht Jahren. Zehn Jahre Laufzeit wäre schon sehr ungewöhnlich." Beim Chemnitzer FC hat es die Polster Sport Catering GmbH in der Hand, die Vertragslaufzeit bei Ausübung der ihr eingeräumten Optionen auf insgesamt 20 Jahre auszustrecken.

Wie Polster Catering dem CFC die Preise im VIP-Bereich erhöhte

In der Saison 20/21 bereitete die Corona-Pandemie vielen Vereinen massive Probleme. Der Chemnitzer FC bekam – wie viele andere Vereine auch – staatliche Hilfen. So wurde das Geschäftsjahr am Ende sogar mit einem Plus von etwas über 200.000 Euro abgeschlossen. Polster Sport Catering nahm am 24. Februar 2021 trotzdem eine Änderung im Catering-Vertrag vor: Für die Saison 2021/22 werde im VIP-Bereich des Regionalligisten das "kulinarische Niveau der 3. Liga" angeboten. Laut Vertrag sollten damit die "Aktivitäten des CFC im Bereich Marketing und Sponsoring" unterstützt werden.

Konkret bedeutete das: Die Preise für Speisen wurden extrem angehoben. Bei den knapp 668 VIP-Plätzen um 50 Prozent (von 10 auf 15 Euro), bei den 147 Logenplätzen um 100 Prozent (von 15 auf 30 Euro). Dazu wurde eine neue Getränkepauschale von 5 Euro eingeführt. Außerdem wird die pauschale Catering-Zahlung an den CFC in Höhe von 1.500 Euro erst ab 2.000 Stadionbesuchern gezahlt. Bei weniger als 2.000 Besuchern wird also gar nichts gezahlt. Die Zusatzzahlung von 1.000 Euro erfolgt erst ab 3.500 Gästen im Stadionbereich, was der CFC beim aktuellen Durchschnitt von 3.354 Zuschauern in der Regel nur zu Topspielen übertrifft. Zum Ende der Saison 2021/22 stand in der Vereinsbilanz ein Minus von 346.000 Euro.

CFC Geschäftsführer Michael Reichardt
Michael Reichardt wurde von Romy Polster beim CFC als Geschäftsführer installiert und unterschrieb ein folgenschweres Papier. Bildrechte: imago images/Picture Point

Gesellschafter wurden nicht informiert

Unterschrieben hat diese Vertragsänderung Michael Reichardt, der Anfang 2020 zum Geschäftsführer der CFC Fußball GmbH berufen worden war. Fünf der elf Gesellschafter der CFC Fußball GmbH haben dem MDR schriftlich mitgeteilt, dass sie von dieser Vertragsänderung nichts wussten.

Drei Monate nach der Vertragsunterschrift wurde Reichardt zusätzlich zu seinem Job beim CFC auch noch bei der der Park- und Sportcatering GmbH zum Geschäftsführer bestellt. Das ist eine Firma der Polster-Gruppe. Es fragt sich, ob hier nicht ein Interessenskonflikt besteht. Die fünf CFC GmbH-Gesellschafter, die über die oben genannte Vertragsänderung nicht informiert waren, wussten auch nichts von dieser weiteren Geschäftsführertätigkeit. Die für den CFC nachteilige Vertragsänderung wurde nach Ende der Corona-Maßnahmen nicht rückgängig gemacht.

Marc Arnold
Der aktuelle CFC-Geschäftsführer Marc Arnold. Bildrechte: IMAGO / Picture Point

Polster zeichnet Abrechnung ihrer eigenen Firma frei

Und dann kam im August 2022 das Pokalspiel gegen Union Berlin. Eigentlich ein Geldsegen. Zusätzliche Fernsehgelder und natürlich auch Catering-Einnahmen, denn das Stadion war mit knapp 14.000 Zuschauern ausverkauft. Am Ende stand beim Stadion-Catering jedoch nur ein Erlös von 2.500 Euro zu Buche. Polster hat einfach denselben Abrechnungsschlüssel angewendet wie bei Ligaspielen. Dabei steht im Catering-Vertrag ausdrücklich, dass DFB-Pokalspiele gesondert verhandelt werden müssen. Darauf hatte GmbH-Geschäftsführer Marc Arnold aber verzichtet – trotz mehrerer Hinweise aus der Belegschaft. Auf MDR-Anfrage schrieb Arnold: "Die Absprachen sind, wie in den Vorjahren, zwischen beiden Parteien mündlich geführt worden. Die branchenübliche Endabrechnung erfolgt nach dem Ende der Spielzeit."

Beim Sachsenpokal-Knaller Ende März 2023 gegen Erzgebirge Aue wiederholte sich das Ganze. Wieder gab es keine gesonderte Verhandlung für das Catering, wieder sprang nur ein bescheidener Erlös von 2.500 Euro heraus – trotz 14.000 Zuschauern. Auf der Geschäftsstelle weigerten sich offenbar im Anschluss die Mitarbeiter, die Abrechnung gegenzuzeichnen. Laut einer dem MDR vorliegenden Mail hat Romy Polster die Abrechnung an Polster Sport Catering am Ende selbst freigegeben. Das war ihr möglich, weil sie auch in der CFC Fußball GmbH über Prokura verfügt.

Chemnitzer Spieler werden verabschiedet.
Der Chemnitzer FC verabschiedete alle Spieler mit auslaufendem Vertrag. Bildrechte: Picture Point

Mitarbeiter informiert Gremien, Arnold feuert ihn

Nach MDR-Informationen soll ein Mitarbeiter den Vorgang dann an verschiedene Vereinsgremien weitergetragen haben. Er wurde kurz darauf von Marc Arnold fristlos entlassen. Am 15. Mai 2023 haben die GmbH Gesellschafter 500.000 Euro in den Verein gepumpt, um die dramatische finanzielle Schieflage zu korrigieren – damals angeblich nur unter der Bedingung, dass Romy Polster als Präsidentin zurücktritt. Die Zusage, die Polster an diesem Tag gegeben haben soll, wurde im Nachgang von ihr in den Verzicht auf die Prokura in der CFC Fußball GmbH uminterpretiert.

Sind Polster und Arnold zu halten?

Am 25. Mai verkündete der CFC, dass aus Spargründen alle acht auslaufenden Spieler-Verträge nicht verlängert werden. Auf MDR-Anfrage beziffert die CFC Fußball GmbH den Fehlbetrag zum Saisonende mit 600.000 Euro. Am heutigen Donnerstag (1. Juni) treffen sich die Vereinsspitze und die Gesellschafter der GmbH. Auf der Agenda steht die Finanzplanung für die kommende Saison. Und die Zukunft von Romy Polster und Marc Arnold.

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 01. Juni 2023 | 21:45 Uhr

35 Kommentare

Schwarzwasser vor 46 Wochen

Glück auf,

ich bin wahrlich kein Fan vom CFC. Und doch habe ich Achtung vor Sportlern wie Müller, Bähringer, Bemme, Neuhäuser, u.u.u. Was derzeit in der Stadt der Moderne abläuft, eigentlich kriminell… Ich hoffe für die ehrlichen CFC Fans, die mit ihrem privaten Geld den Niedergang des Vereins gestoppt haben, alles Gute. Den selbstherrlichen Geldsammlern im Vorstand wünsche ich,….ein Gewissen..

Steffen-Das Original vor 46 Wochen

Ganz einfach, ich schreibe bei Nichtaufstieg(!). Das ist ganz wichtig, weil in Liga 3, gibt es allein fast 1 Millionen mehr Fernsehgeld. Noch hat Energie Geld, und zwar durch den Erlös von Schades Transfer SCF-Brentford( Ausbildung). Aber die Mannschaft ist total überteuert. Ich weiß ungefähr was die 4 von Jena allein in Jena verdient haben. Ein Timmy Thiele hat sich nach Lautern zuerst in Jena gemeldet und ist dort mit seiner Gehaltsforderung abgeblitzt. Energie hat ihn genommen und er ist mehr verletzt als das er spielt. Auch ein Osterhelweg bekommt ein schönes Sümmchen. Und das zieht sich durch den ganzen Spieleretat. Das kannst du ein Jahr machen. Aber nicht 2 Jahre in dieser Liga, da gehen die Lichter aus. Und jetzt hör auf mit sowas wie Behauptungen, Zahlen usw.! Das ist doch alles ganz einfach. Jede Truppe in Deutschland, die Regionalliga oben spielt hat immer einen finanziellen Balanceakt zu stemmen, und das geht nur für kurze Zeit.

GEWY vor 46 Wochen

@AB alles richtig, aber erklären Sie mal die Gelddruckmaschine, bei 3354 Zuschauer im Schnitt. Erwirtschaften Sie mal 1500 € Gewinn bei dem da zu erwartenden Umsatz. Der Gewinn errechnet sich ebne aus dem Einkaufspreis und nicht auf den Brutto, sprich Verkaufspreis. Selbst wenn jeder der Zuschauer 5€ umsetzt sind das 16770€ Brutto. Ein Drittel ist ca. der Einkaufspreis davon 20% Gewinn kalkuliert sind 1102€. Das mal 19 Heimspiele sind 20.942€ im Jahr. Dazu kommen die 2 Spiele mit 14000 Zuschauern das ergibt bei gleicher Rechnung nochmals zusammen 9.240€ Gewinn. Zugegeben sehr gerundet und vereinfacht. Aber so läuft der Hase ungefähr. Und mit diesen insgesamt 30.182€, die ja auch abgeführt sind, kann man niemand retten. Braucht man auch nicht denn die 600t die anstehen sind ja Verluste und keine Schulden (bis jetzt). Der Fehler liegt bei der Gesamtfinanzierung. Dort muss man ansetzen. alles andere ist Polemik, Stimmungsmache unwürdig so etwas zu schreiben und zu veröffentlichen.

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