Fußball | Regionalliga"Jetzt ist alles eng beieinander" – Erfurt, Chemie, Chemnitz und Co. machen Druck auf den BAK
Weder Rot-Weiß Erfurt noch Energie Cottbus haben Carl Zeiss Jenas Steilvorlage genutzt und den Berliner AK am vergangenen Wochenende von der Spitze gedrängt. Dennoch steht nach gut einem Drittel der Saison fest: Das Meisterrennen der Regionalliga Nordost ist spannend wie lange nicht. Und mittendrin: ein mitteldeutsches Quintett.
Fußball ist schlichtweg eine Angelegenheit für Psychologen. Über zwei Monate lang zog sich die Durststrecke des FC Carl Zeiss Jena. Trainer Andreas Patz, der die runderneuerten Blau-Gelb-Weißen noch zu einem vielversprechenden Saisonstart geführt hatte, kosteten zuletzt sieben teils ernüchternde Spiele in Folge ohne Sieg den Job. Und kaum hat Interimstrainer Henning Bürger das Amt übernommen, lösen sich alle Selbstzweifel und Blockaden. Mit 3:0 fegte der FCC am vergangenen Freitag den Berliner AK aus dem Ernst-Abbe-Sportfeld.
Carl Zeiss Jena: Ausrufezeichen am Freitagabend
"Die Jungs haben gespielt, nicht ich – deswegen gebührt ihnen das ganze Lob", rückte Bürger seinen Anteil an diesem Eindruck schindenden Hoffnungsschimmer des FC Carl Zeiss in den Hintergrund. "Es geht nur über Pensum und Disziplin in Offensive und Defensive – das waren immer wieder die Schlagworte in dieser Woche. Sie haben das extrem diszipliniert gespielt und die notwendige Courage gezeigt, sich aus dem Schlamassel herauszuziehen."
Zwar fehlen den zunächst neuntplatzierten Jenaern noch sieben Punkte zum Tabellenführer, aber nicht zuletzt spitzten sie mit ihrem Ausrufezeichen vom Freitagabend das aufregende Rennen um die vordersten Plätze in dieser Saison noch einmal zu. Wochenlang schien der BAK der Konkurrenz enteilen zu wollen, thront seit dem 3. Spieltag ganz oben, aber nach nur einem Punkt aus den letzten drei Partien spürt das Team von Benjamin Duda mehr denn je die Konkurrenz im Nacken.
Rot-Weiß Erfurt verpasst Sprung an die Spitze
Die Gunst dieser Stunde ließen jedoch sowohl Energie Cottbus durch das 1:3 bei Vorjahresmeister BFC Dynamo als vor allem auch der bisher famose Aufsteiger und FCC-Erzrivale Rot-Weiß Erfurt verstreichen. Die Thüringer Landeshauptstädter handelten sich nach zuletzt fünf Siegen auf einen Streich ausgerechnet beim noch sieglosen Schlusslicht Germania Halberstadt erstmals wieder einen Punktverlust ein – und verpassten den möglichen Sprung auf Rang eins.
"Wir wussten von der ersten Sekunde an, dass es dieses schwere, eklige Spiel wird", meinte RWE-Trainer Fabian Gerber im Anschluss, aber "haben in den ersten 20 Minuten gedacht, 'das geht schon irgendwie'. Nur das funktioniert einfach nicht – gegen keinen Gegner in der Liga. Egal ob gegen den Ersten oder Letzten – wir müssen jedes Mal wahnsinnig viel investieren." Immerhin belohnte Ben-Luca Moritz das Aufbäumen in der dritten Minuten der Nachspielzeit noch mit dem 1:1-Remis und sicherte den 27. Erfurter Punkt im 13. Spiel.
BSG: "Das wirft uns jetzt nicht um" – Frust bei Lok
Mit nur einem Zähler weniger als die zweitplatzierten Thüringer steht das nächste mitteldeutsche Überraschungsteam auf Rang vier – Chemie Leipzig. Doch auch die Leutzscher ließen an diesem Spieltag zwei Punkte liegen. In letzter Minute rettete der Greifswalder FC gegen die BSG ein 2:2-Remis. "Aber das wirft uns jetzt nicht um", betonte energisch Chemies Co-Trainer Christian Sobottka, der ein weiteres Mal seinen krankheitsbedingt ausgefallenen Chef Miroslav Jagatic an der Seitenlinie vertrat. "Ich habe schon zur Mannschaft gesagt, dass wir uns jetzt nicht mit Totenstimmung in den Bus setzen. Die Jungs haben das heute wieder gut gemacht", so Sobottka.
Ungleich frustrierter war die Gemütslage zum gleichen Zeitpunkt 450 Kilometer südlich in Leipzig-Probstheida. "Ich glaube, in dieser Saison haben wir keinen Gegner so beherrscht. Normalerweise gewinnst du das Spiel mit 4- oder 5:1 und verlierst es dann 0:1. Das kannst du gar keinem erzählen", musste Trainer Almedin Civa dort im Bruno-Plache-Stadion ungläubig konstatieren, nachdem der 1. FC Lok das Heimspiel gegen den ZFC Meuselwitz verpatzt hatte.
Die Blau-Gelben, zuvor schon bei Angstgegner Lichtenberg unterlegen, sündigten mit Chancen, Kapitän Sascha Pfeffer verschoss zu allem Übel vom Elfmeterpunkt und blieben dadurch zum ersten Mal in dieser Saison zweimal in Serie ohne Punkt. Der FCL rutschte auf Rang acht – mit fünf Zählern weniger als der BAK.
Chemnitzer FC "wieder in Schlagdistanz"
Wie schnell es manchmal gehen kann, erlebt in der Nordost-Staffel momentan der Chemnitzer FC. Noch Anfang Oktober – mit gerade neun Pünktchen aus den ersten acht Spielen auf dem Konto – lagen die namhaft besetzten Himmelblauen weiter hinter den eigenen Ambitionen zurück. Aber urplötzlich nahm die Mannschaft von Trainer Christian Tiffert Fahrt auf. Die eminent wichtigen Pflichtsiege über Luckenwalde, Lichtenberg und Meuselwitz kehrten den Negativtrend um und schürten Selbstvertrauen. Und das trug den CFC nun zu den überzeugenden Erfolgen über die Topteams BAK und SV Babelsberg.
"Jetzt ist alles eng beieinander, es ist richtig spannend", erinnerte CFC-Mittelfeldspieler Furkan Kircicek nach dem fünften Sieg in Serie an die Kopf-an-Kopf-Situation in der Tabelle. Auf vier Punkte nach ganz oben ist der Rückstand des neuen Tabellensechsten geschmolzen – vor genau vier Wochen waren es noch zwölf. "Wir sind wieder in Schlagdistanz", freute sich Torjäger Felix Brügmann, dem beim 2:0 gegen 03 sein siebtes Saisontor gelungen war. "Die Liga ist extrem ausgeglichen. Das ist auch irgendwie mega cool, macht Spaß und besser als die letzte Jahre, wo eine Mannschaft durchmarschiert ist."
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mhe
Dieses Thema im Programm:MDR+ | Sport im Osten | 27. November 2022 | 14:00 Uhr
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