Mögliche Rückkehr russischer und belarusischer Sportler Stimmungsbild: Das sagen mitteldeutsche Sportler und Trainer zum IOC-Vorschlag

Das Internationale Olympische Komitee hat sich für eine Rückkehr russischer und belarussischer Athleten ausgesprochen. Was sagen mitteldeutschen Sportgrößen dazu?

Die Russische und die Olympia Flagge
Russische und belarussische Sportler waren in vielen Sportarten seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine von den Wettbewerben ausgeschlossen. Bildrechte: imago images / UPI Photo

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und dessen Präsident Thomas Bach hat die Tür für die Rückkehr russischer und belarussischer Sportler in den Weltsport geöffnet. Das IOC will den Weltverbänden die Teilnahme der bisher verbannten Athletinnen und Athleten unter bestimmten Bedingungen zu ermöglichen.

Lesser: Putin wird mit Sport immer Propaganda machen

Dieser Vorstoß sorgt bei vielen für Unverständnis. Auch der frühere Biathlet Erik Lesser versteht nicht "warum Thomas Bach so eine Diskussion vorantreibt, um Russen wieder zuzulassen". "Der Sport in Russland hat immer Propaganda-Hintergrund, Putin wird mit Sport immer Propaganda machen", sagt Lesser im Interview mit "Sport im Osten".

Der McLaren-Report habe gezeigt, dass Athleten aus Russland, auch wenn sie nicht unter russischer Flagge starten, in der Heimat als Helden instrumentalisiert werden. "Das wird jetzt wieder passieren", ist sich der Thüringer sicher, der nicht nachvollziehen kann, warum man eine Tür aufmacht und so die Sportgemeinschaft entzwei reißt.

Erik Lesser 1 min
Erik Lesser Bildrechte: MDR/Sport im Osten

Ludwig: Geht um "Leben und Tod"

Auch der frühere Rennrodler Johannes Ludwig befürwortet die potenzielle Teilnahme der russischen und belarussischen Sportlern an internationalen Wettkämpfen nicht. "Leben und Tod" auf der einen Seite würde der "persönlichen Freiheit einzelner russischer Athleten" entgegenstehen.

"Wenn man durch die Nicht-Teilnahme dieser Sportler ein Zeichen setzen kann oder der Ukraine Solidarität beipflichten kann, dann sollte man das tun, so Ludwig gegenüber "Sport im Osten".

Ralf Ludwig IOC 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

DOSB - IOC-Vorschlag "keine Überraschung"

Für DOSB-Präsident Thomas Weikert ist die Empfehlung des IOC an die internationalen Fachverbände in der Russland-Frage "keine Überraschung". Der Deutsche Olympische Sportbund habe "von Beginn an für den Ausschluss der russischen und belarussischen Athleten plädiert", sagte Weikert. "Wir wissen, dass wir eine Mindermeinung vertreten und werden jetzt sehen, wie alle damit umgehen."

Weikert 1 min
Weikert Bildrechte: MDR/Sport im Osten

Es sei nun umso wichtiger, dass die strikten Voraussetzungen glaubhaft umgesetzt und bei Verstößen Sanktionen verhängt werden, so Weikert. "Es muss unbedingt vermieden werden, dass die Regime in Russland und Belarus die Teilnahme ihrer Athlet*innen am internationalen Sport zu kriegspropagandistischen Zwecken missbrauchen können. Die nächsten Monate werden zeigen, ob dies möglich ist."

"Von einem "Schlag ins Gesicht der ukrainischen Sportlerinnen und Sportler" sprach Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Auch der Athletensprecher Maximilian Klein kritisierte die Empfehlung heftig. "Man sendet damit ein verheerendes Signal", sagte er. Dass die Sportler aus Russland und Belarus unter strikter Neutralität starten sollen, sei kein Argument für eine Rückkehr. "Der neutrale Status schützt nicht davor, dass die Individualathleten von dritter Seite für Kriegspropaganda instrumentalisiert werden", führte Klein aus.

Leichtathletik-Trainer Sack: "Geht eher um Geld"

Die Meinung mitteldeutscher Sportler und Trainer ist geteilt. René Sack, Trainer bei den Halleschen Leichtathletik-Freunden, lehnt eine mögliche Rückkehr strikt ab: "Ich finde es natürlich nicht gut und denke auch, dass Herr Bach 'Putin-Freund' ist. Da geht es eher um Geld, als um alles andere." Sport und Politik gehöre zusammen, aber das IOC gehe dabei falsche Wege. Die Geschichte habe schon oft gezeigt, dass es nicht funktioniert und Systeme stark gemacht wurden, die es nicht verdient hatten, so Sack, der deutlich sagte: "Ich denke, man muss rigoroser vorgehen."

Box-Ikone Maske ist zwiegespalten

Für den früheren Box-Olympiasieger Henry Maske ist es nachvollziehbar, dass ein Land ausgeschlossen wird, was aktuell nicht vertretbare Aktionen durchführt. Er versteht, dass diese Möglichkeit genutzt wird, um ganzheitliche Kraft erkennen zu lassen.

Ex-Boxer Henry Maske am 29. Oktober 2021 im Riverboat
Bildrechte: Andreas Acktun

Allerdings denkt der 59-Jährige auch an die Sportler: "Ich weiß, wie enttäuscht wir waren, als wir 1984 vom Ausschluss betroffen waren, weil wir boykottiert haben und nicht an Olympischen Spielen teilnehmen konnten. Wir sind zu einem indirekten Machtinstrument im politischen Bereich benutzt worden. Für die Sportler und Sportlerin sei das aber in erster Instanz nicht das Ziel, weswegen sie trainieren. Ich gehe davon aus, dass ein Großteil der russischen Athleten vor allem das Ziel hat, im Sport erfolgreich zu sein und die Zeit, die ihr oder ihm zur Verfügung steht, zu nutzen. Wenn sie oder er politisch unterwegs ist, dann hat das selbstverständlich eine andere politische Brisanz."

Ich weiß, wie enttäuscht wir waren, als wir 1984 vom Ausschluss betroffen waren, weil wir boykottiert haben und nicht an Olympischen Spielen teilnehmen konnten.

Henry Maske

Bobpilot Friedrich: "Sie gehören dazu"

Ähnlich sieht es auch Bob-König Francesco Friedrich, der eine Rückkehr russischer und belarusischer Athleten "in Ordnung findet". "Sie gehören dazu. Der Sport hat mit der Politik da nichts zu tun. Ich finde es auch nicht in Ordnung, wenn wir Olympische Spiele, für die wir jahrelang trainiert haben, boykottieren sollen."

Dass viele russische Athleten Sportsoldaten sind, ist für den sächsischen Bob-König kein Problem: "Ich bin auch bei der Bundespolizei angestellt und wenn es das nicht gebe, könnte ich meinen Sport gar nicht ausüben, weil ich es finanziell gar nicht stemmen könnte."

Ex-Kugelstoßerin Schwanitz: Thema Doping bedenklich

Die frühere Weltklasse-Kugelstoßerin Christina Schwanitz meint: "Aus rein sportlicher Sicht sollten man den Athleten perspektivisch eine Chance geben, wieder Leistungssport zu machen und das Leben zu führen, für welches sie sich entschieden haben."

Christina Schwanitz
Bildrechte: imago images/Beautiful Sports

Die müsse aber unter den sauberen und fairen Bedingungen stattfinden, die auch für alle anderen Sportler weltweit gelten, so Schwanitz. Gerade im Bereich Dopingkontrollen seien diese Athleten jetzt schon über ein Jahr raus aus der internationalen Aufsicht und wurden vermutlich lange nicht kontrolliert. Es erfordere also wahrscheinlich mindestens eine ähnliche Zeit, bis man mit intensiven Kontrollen ihre saubere Wettbewerbsfähigkeit wieder sicherstellen kann, glaubt Schwanitz, die der Meinung ist, dass dies für die Olympischen Spiele in Paris noch nicht zu gewährleisten ist.

Handball-Manager Günther: Frieden ist das Wichtigste

Handball-Manager Karsten Günther vom SC DHfK Leipzig will vor allem eins: Frieden. Der Sport könnte dabei eine große Rolle spielen, meinte er. "Das IOC wurde einst als Friedensbewegung gegründet. Frieden bekommt man nicht durch Abschottung. Frieden bekommt man durch Austausch und Dialog. Ich würde es den Sportlern wünschen. Es wäre ein Anstoß, sich wieder in die Augen zu schauen und schnellstmöglich Frieden zu schließen. Es könnte ein erster Schritt sein, den der Sport sendet, er könnte ganz wichtig sein", so Günther.

Lesser: Rückkehr erst nach Kriegsende

Für Lesser dürften hingehen russische und belarusische Athleten erst wieder starten dürfen, wenn sich Russland aus der Ukraine zurückzieht. "Solange die Russen Krieg in der Ukraine führen, ist eine Rückkehr für mich völlig sinnfrei", sagte er im MDR.

Leichtathletik-Weltverband lehnt Rückkehr ab

Bei dem Vorstoß des IOC handelt es sich um eine Empfehlung. Die Entscheidung der Zulassung liegt in der Verantwortung der internationalen Verbände. Der Leichtathletik-Weltverband erklärte am Mittwoch bereits, dass sich "an der Position von World Athletics sich nichts geändert hat." Das Council des Weltverbandes hatte in der vergangenen Woche entschieden, die Sportler und Sportlerinnen der beiden Länder wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine bis auf Weiteres nicht teilnehmen zu lassen.

red/sid/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 29. März 2023 | 17:45 Uhr

35 Kommentare

p1ckering vor 9 Wochen

Die Entscheidung nicht teilzunehmen ging aber in beiden Jahren NICHT vom IOC sondern von den jeweiligen Blockstaaten aus.
Und weder zum Einmarsch sowjetischer Truppen 1979 in Afg. noch den Kriegen im Irak, Syrien und Afg. (2000-er Jahre) durch NATO / USA gab es verurteilende Ansagen seitens des IOC, die in Ausschlüssen gipfelten.

Horst Schlaemmer vor 9 Wochen

Wenn man es nicht verstehen will, versteht man es als Satire. Doch muss ich diese Hoffnung barsch enttäuschen. Merke auf: "Die Macht im Schacht!" Das ist Satire. Mein Beitrag (diesmal) eher nicht.

Matthi vor 9 Wochen

Da gebe ich ihnen recht, die Sport Weltverbände sind genauso Scheinheilig wie die UN Spitzenvertreter, Macht persönliche Vorteile sind eben wichtiger als Rückrat.