Corona-Protest "Wir machen auf" Thüringer Händler lassen Läden mehrheitlich geschlossen

06. Januar 2021, 17:24 Uhr

Unter dem Slogan "Wir machen auf – Lockdown beenden" ruft eine Netzinitiative Gewerbetreibende in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Protest auf. Die Händler sollen am 11. Januar ihre Läden öffnen und damit absichtlich gegen die Corona-Beschränkungen verstoßen. In Thüringen distanzieren sich die meisten Händler von der Initiative.

Die Tische und Stühle vor einem Restaurant in Jena sind zusammengeräumt
Mit dem verlängerten Lockdown bleiben auch die Geschäfte geschlossen. Nicht alle sind bereit, das zu akzeptieren. (Archivfoto) Bildrechte: imago images/Jacob Schröter

Thüringer Händler lehnen eine Ladenöffnung am 11. Januar als Protest gegen die Corona-Beschränkungen mehrheitlich ab. Das geht aus einer stichprobenartigen Umfrage von MDR THÜRINGEN hervor. So wollen sich beispielsweise die Erfurter Kaufhäuser "Anger1", "Thüringen Park" und "TEC" weiterhin an die behördlichen Auflagen halten. Oberstes Ziel müsse es sein, die Fallzahlen nach unten zu bringen, sagte etwa Thüringen-Park-Manager Julian Mirsanaye. Der Aktionismus Einzelner helfe nicht dem gesamten Handel und verzögere im Zweifel nur die Wiedereröffnung.

Thüringer Handelsverband rät von Öffnung ab

Auch der Handelsverband Thüringen ging auf Abstand zu der Protestaktion. Präsidiumsmitglied Emanuel Michael sagte: "Für den Handel steht die wirkungsvolle und schnelle Bekämpfung der Pandemie an erster Stelle. Der Handelsverband rät allen Mitgliedern, sich an Recht und Gesetz zu halten." Gleichwohl mache die Aktion die Verzweiflung der Handelsunternehmen deutlich und unterstreiche die Forderungen nach staatlicher Unterstützung.

Krefelder Kosmetiker startet Telegram-Gruppe

Ausgangspunkt der Protestaktion ist offenbar eine Telegram-Gruppe, der sich seit dem Wochenende mehr als 56.000 User angeschlossen haben. Die Initiative "Wir machen auf - Lockdown beenden" verbreitet seither die Aufforderung, dass Ladenbesitzer ihr Geschäft am 11. Januar öffnen sollen. Am Sonntag war der Hashtag "WirMachenAuf" zwischenzeitlich das meistbesprochene Thema auf Twitter. Neben den Händlern richtet sich die Initiative auch an Verbraucher. Diese werden animiert, die Händler zur widerrechtlichen Eröffnung zu drängen. In einem Post der Telegram-Gruppe heißt es wörtlich: "Ruft euren Wirt an, Reserviert Tische […] Ruft sie an. Macht Termine, Reserviert. Überschüttet sie. Sagt ihnen, dass ihr kommt."

Initiator der Aktion ist offenbar ein Krefelder Kosmetiker, der auch eine über die Telegram-Gruppe geteilte Internetseite namens "Coronapedia" betreibt. Selbiger teilt auf seiner Facebook-Seite seit Monaten Verschwörungserzählungen rund um das Coronavirus und wettert dort gegen Medien, Politik, Masken und Schutzimpfungen. Unterstützung erfährt die Initiative von der Thüringer AfD, die sich als einzige Partei in den Sozialen Netzwerken mit der Aktion solidarisierte.

Nur vereinzelte Zustimmung bei Thüringer Händlern

In Thüringen haben sich bisher nur wenige vereinzelte Händler offen für die Protestaktion gezeigt. So erklärte Michael Meier, Geschäftsführer von Intersport Meier in Jena, in der TLZ, dass er sich vorstellen könnte, den Laden zu öffnen, wenn sich genügend Mitstreiter finden. Ob das geschieht, bleibt aber fraglich. So seien laut Nicole Schwan, Leiterin der Wirtschaftsförderung der Stadt Gotha, via Facebook vereinzelte Mitglieder des dortigen Gewerbevereins aufgerufen worden, sich zu beteiligen. Keines der Mitglieder halte das aber für das richtige Signal.

Diese Einschätzung teilt auch Daniel Stassny von den Freien Wählern in Erfurt. Der Stadtrat, der bei Facebook die Seite "Erfurt kauft lokal" betreibt und darüber einen engen Bezug zu vielen Erfurter Ladenbesitzern hat, ist sich sicher: "Daran werden sich kaum Erfurter Händler beteiligen. Alle Ladeninhaber, die ich gesprochen habe, werden ihren Laden geschlossen lassen. Allein schon aus einem sozialen Verantwortungsgefühl heraus und weil das Ordnungsamt empfindliche Bußgelder verhängen könnte."

Läden und Gastro am Erfurter Domplatz im Lockdown
Trotz der Protestaktion werden in Erfurt die Läden und Geschäfte wohl weiterhin geschlossen bleiben. Bildrechte: imago images / Karina Hessland

Bußgeld von 2.500 Euro und mehr

Nach dem "Thüringer Bußgeldkatalog Coronavirus" droht den Gewerbetreibenden ein Bußgeld von 2.500 Euro. Sollten sie sich nach Aufforderung weigern, das Geschäft zu schließen, kämen noch einmal bis zu 3.000 Euro hinzu. Behörden könnten in diesem Falle wohl auch die Gewerbeordnung (§ 35) heranziehen und die Ausübung des Gewerbes wegen "Unzuverlässigkeit" untersagen. Sollten sich Menschen durch die Ladenöffnung nachweislich mit dem Coronavirus infizieren, wäre laut Infektionsschutzgesetz (§ 74) sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren denkbar.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 05. Januar 2021 | 18:00 Uhr

31 Kommentare

JanoschausLE am 07.01.2021

Welcher Verband, ob IHK oder Handelsverband, wäre zu klären.
Bei N-tv fand ich folgendes zum Tgema:
"Der Handelsverband Bayern sieht in der Aktion vor allem einen "Hilfeschrei", der die Wut und Verzweiflung unzähliger Einzelhändler zeige, die um ihre Existenz kämpften.."
Also,wenn die Leute bei auftretenden Problemen gleich durchdrehen und kriminelle Energie freilegen, wäre wohl zu prüfen, ob sie charakterlich überhaupt geeignet ist ein Unternehmen zu führen. Von der Wand bis zur Tapete denkend. Ich würde mich fragen, lohnt es überhaupt in fast menschenleeren Ladrnstraßen das Geschäft zu öffnen?

JanoschausLE am 07.01.2021

Welcher Verband für welche Geschäfte zuständig ist wäre zu klären. Der Bremer Gastro Verband hatte reagiert:"Diese Kampagne widerspreche dem Anspruch, "unseren Gästen eine maximale Sicherheit in unseren Betrieben zu gewährleisten". Wer diese Querdenker-Idee unterstütze, könne nicht zugleich Mitglied der BGG sein."
Eine klare Messages.

JanoschausLE am 07.01.2021

Eines fällt auf: den Läden, die öffnen wollen, fehlt es an Kreavität. Nur Jammern ist bei denen auf hohem Niveau. Sie bekommen, wenn auch leider schleppend, Unterstützung vom Staat. Kreativitat: Warum hängen die nicht ein hübsches Plakat in ihr Schaufenster, bewerben ihre Ware auf ihrer Seite mit Verweisen vielleicht auch auf ebay, und versuchen online zu verkaufen? Im Bekanntenkreis hab ich zwei Händler, die das machen. Die haben zwar 10-15% weniger, können, so sagen sie, damit paar Monate überbrücken.

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