Landtagswahl Diese Politiker verlassen freiwillig den Thüringer Landtag

25. Oktober 2019, 07:04 Uhr

Eine ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin, mehrere parlamentarische Urgesteine und ein Abgeordneter mit Stasi-Vergangenheit gehören zu den Abgeordneten, die zur Landtagswahl am 27. Oktober nicht mehr antreten. Hier gibt es einen Überblick.

Inhalt des Artikels:

Mit der Landtagswahl am 27. Oktober verlässt eine Reihe von Abgeordneten den Thüringer Landtag auf eigenen Wunsch. Unter ihnen sind mit Wolfgang Fiedler und Egon Primas die letzten beiden Parlamentarier, die dem Landtag von Beginn an angehört haben, also seit 1990.

Mit Christine Lieberknecht beendet sogar eine ehemalige Ministerpräsidentin ihr parlamentarisches Leben. Werner Pidde oder Dieter Hausold haben ihre Fraktionen zeitweise geführt. Mit Elke Holzapfel zieht sich die aktuelle Alterspräsidentin aufs politische Altenteil zurück. Auch Frank Kuschel, der Rekordhalter in der Disziplin „Parlamentarische Anfragen“, tritt nicht mehr an. Mit Wiebke Muhsal verlässt eine wegen Betrugs zu einer Geldstrafe verurteilte Abgeordnete das Parlament.

Hier eine Aufstellung der freiwilligen Polit-Pensionäre nach der Reihenfolge der Fraktionsgrößen in alphabetischer Reihenfolge:

CDU

Wolfgang Fiedler

Der 67-jährige aus Ostthüringen hat als Kommunal- und Innenexperte seit 1990 die Höhen und Tiefen der Thüringer Politik durchlebt. Als parlamentarisches Urgestein war er gleichzeitig gefürchtet, geachtet und manchmal auch belächelt – etwa wegen dem „Dialekt’ne“, den er bei seinen Wut- und Wuchtreden am Rednerpult nicht unterdrücken konnte und wollte. Oder wegen seines bis heute nicht restlos aufgeklärten Ausflugs in die Erfurter Rotlichtszene im September 1996. Wegen seines Einflusses in der Thüringer Polizei- und Feuerwehrszene galt Fiedler lange als der heimliche Innenminister Thüringens.

Manfred Grob

Der 67-jährige aus dem Wartburgkreis ist seit 1999 CDU-Landtagsabgeordneter. Seiner Fraktion diente der stets freundlich auftretenden Grob als sportpolitischer Sprecher sowie als Vorsitzender des Bildungsausschusses.

Elke Holzapfel

Die 74-jährige Mühlhäuserin rückte 2008 in den Landtag nach und hat als Alterspräsidentin vor fünf Jahren die konstituierende Landtagssitzung eröffnet. Im Landtag setzte sie sich vor allem für Seniorenrechte ein. Schlagzeilen machte sie im Sommer 2010, als sie bei der Wahl des Verfassungsgerichtspräsidenten versehentlich zweimal abstimmte, dies aber verschwieg und erst durch den Videobeweis überführt werden konnte.

Christine Lieberknecht

Die 61-jährige rückte 1991 in den Landtag nach. Im Laufe ihres politischen Lebens bekleidete sie mehrere Ministerposten, war CDU-Fraktionschefin und Landtagspräsidentin, bis sie ihre Karriere 2009 mit dem Amt der Ministerpräsidentin krönte. In der zu Ende gehenden Wahlperiode agierte die beurlaubte Pfarrerin als einfache Abgeordnete recht unauffällig.

Egon Primas

Keine Debatte zu Wald und Forst ohne den jagdpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Außerdem war der 67jährige gelernte Baustoff-Technologe so etwas wie die Stimme der Vertriebenen im Thüringer Parlament. Primas gehört dem Landtag seit der ersten Stunde an, hat seinen Wahlkreis Nordhausen stets direkt gewonnen und ist einer der Stellvertreter von Fraktionschef Mike Mohring.

Manfred Scherer

Der 68-jährige Jurist war eine der Allzweckwaffen der Thüringer CDU-Spitze. Ob als Justiz-Staatssekretär, Rechnungshofpräsident, Justiz- oder Innenminister – der gelernte Richter diente Land und Partei in vielen Funktionen. Mit dem Ende der Ära Althaus 2009 trat er zurück ins Glied und rückte 2010 in die CDU-Landtagsfraktion nach. Nebenbei arbeitet Scherer als Anwalt in einer bekannten Erfurter Kanzlei.

Gerold Wucherpfennig

Das politische Leben des gebürtigen Niedersachsen war eng mit der Karriere von Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus verbunden – dem Eichsfelder diente der 61-jährige vom Büroleiter bis zum Minister. Wucherpfennig zog 2009 in den Landtag ein und agierte in den letzten Jahren eher unauffällig.

Annette Lehmann

Die 54 Jahre alte gelernte Bankkauffrau, die nach der Wende ins Finanzamt wechselte, zieht sich nach drei Wahlperioden aus der Landespolitik zurück - aus freien Stücken und ohne Groll auf Partei oder Kanzlerin, wie sie versichert. Sie war 1999 als Nachrückerin in den Landtag eingezogen und hatte dreimal in Folge das Direktmandat im Wahlkreis Unstrut-Hainich-Kreis II gewonnen.

Gudrun Holbe

Die 61 Jahre alte Bauingenieurin hat dreimal hintereinander das Direktmandat im Wahlkreis Kyffhäuserkreis II gewonnen - nun hört sie auf. Sie hat in den vergangenen fünf Jahren in der Fraktion der kirchen- und religionspolitischen Sprecherin innegehabt und ist ehrenamtlich Bürgermeisterin der Gemeinde Donndorf im Kyffhäuserkreis. Außerdem gehört sie dem Kreistag an.

Linke

Dieter Hausold

Der 63-jährige Geraer war zunächst in der Führung der PDS aktiv, von 1997 bis 2006 als Landeschef. In den Landtag zog er 2004 ein. Als der damalige Fraktionschef Bodo Ramelow als Abgeordneter in den Bundestag zog, führte Hausold die Fraktion im Landtag. Aber 2009 kehrte Ramelow nach Thüringen zurück und Hausold trat zurück in die Reihe der einfachen Abgeordneten.

Margit Jung

Die 59-jährige Geschäftsführerin der Geraer Volkssolidarität war eine der ersten linken Politikerinnen, die ihren Wahlkreis direkt gewannen. Das war 2004. In der Wahlperiode 2014 – 2019 war Jung eine von drei Vize-Präsidenten des Landtags und hatte als Sitzungsleiterin unter anderem mit dem rauer gewordenen Ton im Parlament zu kämpfen.

Jörg Kubitzki

Der ehemalige NVA-Offizier und Diplomlehrer kam 2005 in den Landtag. Ein Problem mit dem Ausscheiden aus dem Landtag hat der 64-jährige nicht. Wie viele bei den Linken ist er der Auffassung, dass drei Wahlperioden im Landtag reichen und dass es dann Zeit ist für einen Wechsel.

Frank Kuschel

Vor dem Auftreten der AfD im Landtag polarisierte kaum ein Abgeordneter so stark wie der Mann aus dem Ilmkreis. Wegen seiner Stasi-Vergangenheit wurde der 58-jährige vom Landtag für parlamentsunwürdig erklärt. Da sich dies nach einem Urteil des Verfassungsgerichts aber nicht auf das Landtagsmandat auswirkt, konnte Kuschel bleiben und sich als kommunalpolitischer Experte profilieren, der der Landesverwaltung mit hunderten von Anfragen auf den Zahn fühlte. Zudem stritt er für eine Kreisgebietsreform und gegen Straßenausbau-Beiträge, wobei er für seine sowohl detailreichen wie länglichen Reden eine gewisse Berühmtheit als „Fidel Castro der Thüringer Plenardebatte“ erlangte.

Ina Leukefeld

Die Suhlerin hört nach drei Wahlperioden auf. Im Parlament hatte sich die 64-jährige als Arbeitsmarktexpertin profiliert – für den Mindestlohn und gegen Kinderarmut. Schlagzeilen machte sie aber auch wegen ihrer Vergangenheit als „IM Sonja“ bei der politischen Kriminalpolizei der DDR. Wegen dieser Verstrickung wurde sie zeitweilig als parlamentsunwürdig eingestuft.

Diana Skibbe

Wahrscheinlich spielt niemand im Landtag so gut Schach wie die 58-jährige Präsidentin des Thüringer Schachbundes. Die gelernte Physiklehrerin aus dem Wahlkreis Greiz gehört dem Landtag mit Unterbrechungen seit 2004 an.

SPD

Werner Pidde

Werner Pidde ist das Urgestein der SPD-Fraktion und hat ihre ganze Geschichte seit 1994 am eigenen Leibe erfahren und stellenweise auch durchlitten. Im Landtag kümmerte sich der promovierte Diplomlehrer aus Waltershausen kenntnisreich und fleißig um Finanzpolitik. Wegen seiner stets freundlichen und geduldigen Art, auch im Umgang mit der politischen Konkurrenz, erwarb sich der 66-jährige im Landtag den Ehrentitel „Herr Piddeschön“.

AfD

Wiebke Muhsal

Wiebke Muhsal war einst an der Seite von Fraktionschef Björn Höcke die wichtigste Frau in der AfD-Fraktion. Aufsehen erregte sie, als sie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise voll verschleiert im Plenarsaal erschien und sich vor den Augen der Abgeordneten quasi entschleierte. Aufsehen erregte die Mutter von vier Kindern aber auch, als sie in mehreren Instanzen wegen Betrugs bei der Abrechnung von Landtagszuschüssen zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Fraktionslose Abgeordnete

Jürgen Reinholz

Die hessische Umweltministerin Lucia Puttrich und Thüringens Umweltminister Jürgen Reinholz in der Pilotanlage "Power to Gas" zur Herstellung von erneuerbarem Methan.
Da war er noch Umweltminister: Jürgen Reinholz 2013 mit seiner damaligen hessischen Kollegin Lucia Puttrich Bildrechte: Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz

Als Jürgen Reinholz im Jahr 2015 sowohl die CDU-Fraktion verließ und auch noch aus der CDU austrat, war das ein unüberhörbarer Paukenschlag in Richtung CDU-Bundesspitze und Kanzlerin Angela Merkel. Immerhin war Reinholz seit 2004 für die CDU im Landtag, davor in CDU-Kabinetten Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister. Nach dem Auszug wurde es ruhig um den nunmehr fraktionslosen 64-jährigen. Im Plenarsaal pflegte er öffentlich wirksam und mit Ansage eine „Politik des leeren Stuhls“ und hielt sich mit Redebeiträgen sehr zurück.

Klaus Rietschel

Der 70-jährige Stuckateurmeister aus Weimar zog Ende 2017 als Nachrücker für den AfD-Mann Stefan Brandner in den Landtag ein. Dort agierte er unauffällig, bis er 2019 aus AfD und AfD-Fraktion austrat. Als Grund gab Rietschel den Rechtskurs von Fraktionschef Höcke an. Später engagierte sich Rietschel bei der „Blauen Partei“ von Ex-AfD-Chefin Frauke Petry.

Jens Krumpe

Jens Krumpe hatte die AfD-Fraktion ebenfalls im Streit mit Fraktionschef Höcke verlassen. Im Landtag profilierte sich der gelernte Geo-Informatiker unter anderem bei den Themen Katasterwesen und E-Government. Wie sein Ex-Fraktionskollege Gentele stimmte Krumpe das eine oder andere Mal auch für Vorlagen der rotrotgrünen Regierungskoalition.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit | 20. Oktober 2019 | 18:00 Uhr

7 Kommentare

MAENNLEiN-VON-DiESER-WELT am 26.10.2019

Ein ganz großes DANKE - SCHÖN !!!

Das politische Geschäft ist hart.
Das politische Parkett ist glatt.
( Öhm, Parkett im Landtag? Nee,
aber der lichtschluckende graue
Teppich sollte dringend
runderneuert werden ! )

Die Kultur des politischen Streites wird nun wohl um einige erfahrene
Protagonisten ärmer sein. Jede Zeit hat ihre eigene „Politgeneration“.

Beten wir dafür und arbeiten wir daran, dass die nächste Generation
mit ihren Vogängerinnen und Vorgängern mithalten kann ! Damit dieses Land, dieser unser Freistaat Thüringen, zu der blühenden Landschaft werden kann,
die uns zu Anfang der 1990er Jahre versprochen war !
So wie wir heute arbeiten - werden wir morgen leben.

(Nein, ich bin nicht AfD-Wähler und will auch nicht die Wende „vollenden“ ...)
(Nein, ich bin auch kein Genosse - weder einer von denen noch einer von jenen...)
(Nein, ganz schlecht waren die letzten 30 Jahre wirklich nicht, aber . . . )

Wurzelsepp am 25.10.2019

Schade, dass Wolfgang Fiedler geht! Sehr viele werden Sie vermissen. Selten sind Politiker so volksnah und redlich wie er. Nicht umsonst war er immer Stimmenkönig bei allen Wahlen in seinem Kreis. Neider sterben nicht aus.

Atheist am 25.10.2019

Danke dafür das sie mitverantwortlich sind das mein Enkel ihre Gesetze ausbaden muss.
Schreiben nach Gehör, Zwergschulen mit 1. und 2. Klasse, keine Noten bis Klasse 3....
Danke das meine Töchter das Landeserziehungsgeld gestrichen wurde.

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