Porträt Christine Lieberknecht - zwischen Demut und Machtausübung

02. Dezember 2014, 20:36 Uhr

Nach 24 Jahren Politik verzichtet Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht auf einen Kampf um die Macht. Dabei kann sie kämpfen, wenn sie will, und auch harte Machtkämpfe gewinnen. Ein Porträt.

Hinweis: Dieses Porträt von Christine Lieberknecht ist erstmals am 2. Dezember 2014 erschienen. Damals hatte die CDU-Politikerin angekündigt, nicht erneut als Ministerpräsidentin zu kandidieren.

Wer Christine Lieberknecht in diesen Tagen trifft (und sie vielleicht nicht so gut kennt) der mag sich wundern. Für die wüsten Tage, die ihre Regierung gerade erlebt, wirkt die Noch-Ministerpräsidentin ziemlich entspannt. Selbstbewusst und gelassen - ziemlich aufgeräumt für jemanden, dessen politisches Lebenswerk gerade auf der Kippe steht. "Ich bin mit mir im Reinen", sagt die 56-Jährige dazu. Und wenn man sie bittet, ihre Ministerpräsidentenzeit zusammenzufassen: "Mein größter Erfolg ist es, dass es den Menschen in Thüringen heute besser geht als vor fünf Jahren, 2009, als wir angefangen haben."

Zwischen Demut und Machtausübung

Menschen, die ihr ziemlich nahe stehen, die wundern sich dagegen überhaupt nicht. So sei sie eben, die Frau aus dem kleinen Dorf Ramsla im Weimarer Land, wo sie in ihrem ersten Leben, also vor der Politik, auch Pfarrerin war: Ganz protestantischer Pflichtmensch, freudig im Dienen, demütig im Ertragen, im Innersten unabhängig von Äußerlichkeiten. Aber auch diese Zuschreibung trifft die Politikerin Lieberknecht nicht ganz. Tatsächlich gestaltet Christine Lieberknecht nämlich ganz gern, hat schon immer gerne Verantwortung übernommen und dabei auch Macht ausgeübt, die Zeit an der Spitze des Freistaats Thüringen ganz sicher auch genossen.

"Habe Rot-Rot-Grün verhindert"

Unangefochten war sie in diesen fünf Jahren nie. Klar, zunächst sorgte sie für ein deutliches Achtungszeichen, so wie sie ihren gestrauchelten Vorgänger Dieter Althaus gekonnt beerbte und ihrer CDU die Macht in Thüringen erhielt - allerdings um den Preis einer Koalition mit den Sozialdemokraten. Tatsächlich stand Thüringen schon 2009 kurz vor der Bildung einer rot-rot-grünen Landesregierung, aber anders als heute konnte Lieberknecht damals Bodo Ramelow die Braut namens Sozialdemokratie gerade noch vor der Nase wegschnappen - obwohl die Mehrheit für Rot-Rot-Grün 2009 weitaus deutlicher war. "Ich habe fünf Jahre lang Rot-Rot in Thüringen verhindert", sagt Lieberknecht dazu heute mit Stolz.

Störfeuer aus der CDU-Landtagsfraktion

In ihrer Partei hatte das aber längst nicht jeder begriffen. Gerade in der CDU-Landtagsfraktion taten sich viele "Parteifreunde" nach zehn Jahren absoluter Mehrheit schwer mit dem Gedanken, jetzt einen Koalitionspartner zu haben, wollten den Preis für den Machterhalt nicht zahlen. Manches von dem, was Lieberknecht am Dienstag im Kabinett mit der SPD beschloss, überstand die CDU-Fraktionssitzung am Folgetag nicht. Gegenüber den "Sozis" sei die "Chefin" zu knieweich, wurde gestichelt - "zu wenig Härte!". Andere Parteifreunde fühlten sich schon von Lieberknechts Machtübernahme überrumpelt, übergangen und machten den Obstruktionskurs mit. Statt geschlossen aufzutreten, agierte die Thüringer CDU immer wieder indifferent, schlecht zu berechnen, auch vom Koalitionspartner SPD.

Umsteuern in der Finanzpolitik auf dem Schuldenberg

In dieser gespannten Atmosphäre ging fast unter, wie gut sich Thüringen während der Regentschaft Lieberknecht entwickelt hat. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig wie nie, die heimische Wirtschaft brummt und sogar in dem von einer langen Reihe von CDU-Finanzministern verantworteten Landeshaushalt gelang ein Umsteuern. 16 Milliarden Euro hoch ist der Thüringer Schuldenberg, unter der Führung von Lieberknecht hörte er auf zu wachsen. Anders als bei vielen anderen Personalentscheidungen hatte sie mit Wolfgang Voß aus Sachsen einen glücklichen Griff getan. Der "Ost-Import" schaffte es tatsächlich, den von ihm immer als schwerfälligen Supertanker bezeichneten Landeshaushalt in sicheres Gewässer umzusteuern.

Was bleibt?

Dieses Ende der Schulden-Macherei, der Beginn der Renovierungsarbeiten in den Landesfinanzen hat gute Chancen, einmal als "das was bleibt" in die Thüringer Geschichtsbücher einzugehen. Vielleicht hat Christine Lieberknecht ja noch Gelegenheit, ihren Enkelkindern einmal aus diesen Büchern vorlesen. Für die hatte sie ja in den letzten Jahren nur wenig Zeit. Gibt es noch andere Zukunftspläne? Dazu möchte die 56-Jährige jetzt noch nichts sagen.

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