Landtagswahl 2019 Wolfgang Tiefensee im Portrait

18. Oktober 2019, 15:25 Uhr

Er ist gebürtiger Thüringer und leidenschaftlicher Politiker: Wolfgang Tiefensee. Zu DDR-Zeiten arbeitete er als Ingenieur, ehe er 1990 den Schritt in die Politik wagte: nach sieben Jahren als Oberbürgermeister von Leipzig folgte eine Amtszeit als Bundesverkehrsminister. Seit 2014 ist der Sozialdemokrat Wirtschaftsminister in der rot-rot-grünen Thüringer Landesregierung. Bei der Landtagswahl im Oktober tritt Tiefensee als Spitzenkandidat der SPD an.

Es ist April 2003. In einem Saal eines großen Münchner Hotels tritt Wolfgang Tiefensee mit dem Cello in der Hand auf die Bühne, setzt sich auf einen Stuhl und intoniert "Dona nobis pacem" - auf deutsch: "Gib uns den Frieden". Eines der Lieder der friedlichen Revolution in der DDR. Dieser Auftritt, mit dem der damalige Leipziger Oberbürgermeister für seine Stadt als Standort für die Olympischen Sommerspiele 2012 warb, ist typisch für Tiefensee: geboren am 4. Januar 1955 in Gera wuchs er in einem musikalischen und katholischen Elternhaus auf.

Schon als Kind lernte er das Cello-Spiel, gewann am Cello den Leipziger Bachpreis. Und aufgrund seiner christlichen Erziehung ging er nicht konform mit dem DDR-Regime. Tiefensee war nicht bei der FDJ, nahm nicht an der Jugendweihe teil und verweigerte den Dienst an der Waffe in der NVA, sondern wurde Bausoldat. "Das Ziel war immer, widerständig zu sein, sich nicht dem Mainstream anzupassen, nach dem Motto, es lässt sich sowieso nichts ändern", so Tiefensee.

Nach dem Abitur und Ingenieur-Studium für Elektrotechnik war Tiefensee zunächst an der Technischen Hochschule Leipzig tätig. In der Wendezeit engagierte sich der mittlerweile 34-Jährige erstmals in der Politik und arbeitete in der Bürgerbewegung "Demokratie jetzt" mit. Über das kommunale Engagement wurde Tiefensee Dezernent für Bildung. Für den Politik- und Verwaltungsneuling führte das zu teils kuriosen Erfahrungen: "Am ersten Arbeitstag kam die Chefsekretärin zu mir ins Zimmer und sagte 'Guten Tag, ich bin bereit für's Diktat'", erinnert sich Tiefensee. "Ich habe dann geantwortet, ich habe nichts zu diktieren."

Es folgte ein Aufstieg in der kommunalen Hierarchie vom Stadtratsmitglied (1992), zum Bürgermeister (1994) und schließlich zum Oberbürgermeister der Stadt Leipzig (1998). 1995 trat er in die SPD ein.

Von Leipzig nach Berlin

2002 wurde sein Name erstmals bundesweit bekannt. Damals wollte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Tiefensee in sein Kabinett berufen. Der Leipziger Oberbürgermeister lehnte ab. Auch, weil gerade die Bewerbung Leipzigs für die Olympischen Sommerspiele lief: "Am 15. Oktober 2002 fand beim Bundeskanzler Schröder ein Gespräch statt", erklärt Tiefensee. "Da haben wir darauf gewartet, dass die Delegation des Nationalen Olympischen Komitees am 1. November nach Leipzig kommt, um sich unsere Bewerbung anzusehen. Es war also nicht auszudenken, alles hinzuwerfen und nach Berlin zu gehen." Ebenfalls im Jahr 2002 arbeitete Tiefensee in der so genannten Hartz-Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes mit.

2005 trat er dann aber als Bundesverkehrsminister in das erste Kabinett Angela Merkel ein. In seine Amtszeit fiel unter anderem die Debatte darüber, ob die Deutsche Bahn teil-privatisiert und an die Börse gebracht werden sollte. Ein Plan, von dem Tiefensee nach eigenen Angaben nicht überzeugt war. Der Börsengang wurde letztlich abgesagt, unter anderem wegen der Finanzkrise 2007. Sehr zum Ärger des damaligen Bahnchefs Hartmut Mehdorn. "Mehdorn war ein besonderer Manager", meint Tiefensee rückblickend. "Es gibt einen Menschen in Deutschland, der hat den Vornamen Bahnchef. Und der heißt nicht Hartmut, sondern Bahnchef." Tiefensee und Mehdorn werden wohl keine guten Freunde mehr.

2014 als Wirtschaftsminiter nach Thüringen

2009 endete die Koalition zwischen Union und SPD - und Tiefensee wurde wieder "normaler" Bundestagsabgeordneter. Und wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Im Jahr 2014 ging Tiefensee allerdings dorthin zurück, wo er herkommt: nach Thüringen. Er trat als Wirtschaftsminister in die neue rot-rot-grüne Landesregierung ein. "Das war ein großer Schritt", sagt Tiefensee. "Wegen meiner Vita bin ich ja gegenüber der PDS einigermaßen skeptisch eingestellt gewesen. Ich konnte aber schon während meiner Zeit als OB von Leipzig hervorragend mit der PDS zusammenarbeiten."

Den Schritt nach Thüringen hat er nicht bereut, betont Tiefensee. Und räumt auch ein, dass ihn das Amt des Wirtschaftsministers mehr gereizt hat als das wirtschaftspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion: "Legislative ist das eine. Aber das andere ist die Exekutive, sprich, mit einem Verwaltungsapparat und mit den Fraktionen zusammen etwas zu bewegen."

Seit 2018 ist Tiefensee auch SPD-Chef in Thüringen. In dieser Funktion und auch als Wirtschaftsminister versucht er immer wieder, den Menschen klar zu machen, dass sie stolz sein können auf das, was seit 1990 geschafft wurde. Dass es darum geht, eine positive Grundstimmung zu erzeugen, von der sich Menschen und Unternehmen außerhalb Thüringens angezogen fühlen. Und Tiefensee versucht, etwas gegen Politikverdrossenheit zu unternehmen: "Es macht mich manchmal traurig, dass Politiker einen Vertrauensverlust erleiden, dass ihre Arbeit nicht gewürdigt wird. Es muss eigentlich jedem klar sein, dass nicht immer alles sofort klappt. Aber dass man Politikern pauschal abspricht, etwas zum Wohl der Menschen tun zu wollen, das betrübt mich sehr und ich bemühe mich, diese Gräben zuzuschütten." Tiefensee fordert von den Menschen, sich nicht meckernd zurückzuziehen. "Besser wäre es, zu fragen: Wie und wo kann ich selbst die Ärmel hochkrempeln? Vieles können wir nur gemeinsam schaffen."

Tiefensee ist geschieden und Vater von zwei Söhnen und zwei Töchtern. Heute ist er mit Sibylle Müller liiert, der Geschäftsführerin der Kulturfabrik Apolda. Sie ist 29 Jahre jünger als er.

Quelle: MDR THÜRINGEN

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