Verschiedene Zeitungen liegen aufeinander.
Die Landtagswahl in Thüringen wird deutschlandweit kommentiert. Bildrechte: Colourbox

Reaktionen Presseschau zur Landtagswahl: Das sagt Deutschland über Thüringen

28. Oktober 2019, 07:12 Uhr

Für die "Thüringer Allgemeine" steht der Freistaat scheinbar vor der Unregierbarkeit. Sollte die CDU eine Koalition mit AfD oder Linke in Erwägung ziehen, wäre sie verzichtbar - findet die "Bild". Ein Presse-Überblick.

Thüringer Allgemeine

Dieser Abend der Rekorde mag ein Fest für Statistik-Fans gewesen sein. Thüringen aber könnte er ins politische Chaos führen – samt Neuwahl. Die Parteien der Mitte wurden zwischen Linken und AfD aufgerieben. Der Lagerwahlkampf hat sich in Zahlen manifestiert. Das Land steht scheinbar vor der Unregierbarkeit.

Thüringische Landeszeitung

Es gibt Regionen wie etwa das Schwarzatal, da schmiert ein rühriger Einheimischer von der CDU komplett ab gegen einen AfD-Mann, von dem die Wähler eigentlich nur wissen, dass er sein Geld mit Flüchtlingen verdienen will. Der Unionsabgeordnete im Eichsfeld dagegen erreicht fast 50 Prozent. Björn Höcke holt dort ganz persönlich nur knapp mehr als 20 Prozent. [...] Die Wähler haben den Parteien eine verdammt schwierige Aufgabe gestellt.

Ostthüringer Zeitung

Selbst wenn eine Vierer-Koalition aus Linken, SPD, Grünen und FDP knapp reichen mag. Sie macht politisch keinen Sinn. Rot-Rot-Grün ist abgewählt und die FDP zu schwach, um einen Akzent zu setzen. Den Mehrheiten nach stabil wäre eine Koalition aus Linke und CDU. Politisch schwer zusammenzuraufen. Aber, die Thüringer haben einen starken Mann ausgewählt, das Unmöglich scheinende möglich zu machen: Bodo Ramelow.

Süddeutsche Zeitung

Sollte es in Erfurt nun doch, zum Beispiel, ein bislang unvorstellbares Bündnis aus CDU und Linken geben, ist eigentlich nur die Frage, was schlechter ankäme: wenn die künftigen Freunde streiten oder wenn sie nicht streiten? Den ersten Fall mögen die Leute eh nicht, und im zweiten würde die AfD ihnen erst recht einreden, zwischen all den anderen bestehe gar kein Unterschied, nicht einmal zwischen Schwarz und Dunkelrot. Wo landet Höcke dann 2024? Möglicherweise aus diesem Grund könnte eine Minderheitsregierung einen Versuch wert sein, wahrscheinlich geführt von Bodo Ramelow. 

Frankfurter Allgemeine

Aus den Wahlen in Sachsen und Brandenburg ging die Linke als ein Schatten ihrer selbst hervor. In Thüringen ist sie zum ersten Mal in Deutschland stärkste Partei geworden – dank eines präsidial-bürgerlichen und bürgernahen Ramelow, der die Koalition aus Linken, SPD und Grünen fünf Jahre lang sicher durch alle Fährnisse der Landespolitik gelotst hat.

Spiegel Online

Das wahrscheinliche Szenario der kommenden Wochen und Monate sieht so aus: Der neue Landtag tritt zusammen, wählt aber mangels Mehrheit keinen neuen Ministerpräsidenten. Stattdessen bleiben Ramelow und seine Minister geschäftsführend im Amt. Und zwar bis auf Weiteres, denn die Thüringer Verfassung schreibt keine Frist vor, innerhalb derer ein neuer Regierungschef gewählt werden muss.

Bild

Die Union verspielt ihren bürgerlichen Markenkern: Wenn jetzt auch noch Stimmen laut werden, die Kooperation mit Linken und AfD ausloten zu wollen, ist sie endgültig in der Beliebigkeit angekommen. Und: verzichtbar. Den Wählern ist inzwischen offenbar fast schon egal, wohin sie von der Union abwandern. Grün, links, ganz rechts – egal. Motto: Nichts wie weg.

Die Welt

Die AfD findet enorme Zustimmung, auch dort, wo sie unverhohlen rechtsextrem ist. Mit Björn Höcke hat ein Spitzenkandidat, der für ein rassistisches, geschichtsrevisionistisches und nationalistisches Deutschland steht, das Ergebnis verdoppelt. Nur Narren können Trost in dem Argument finden, dass die AfD im Westen deutlich schwächer ist. Denn an Typen wie Höcke und seinen Gleichgesinnten im Flügel kommt die Bundespartei endgültig nicht mehr vorbei.

Zeit Online

Ramelow ist mit Sicherheit kein dogmatischer Ideologe und kein vorbelasteter SED-Kader. Mit dem nüchternen Blick auf politische Realitäten, dessen sich die CDU ja eigentlich rühmt, könnte man in ihm einen Sozialdemokraten neuer Fasson erkennen. 

taz

Wir erleben nicht nur, aber vor allem im Osten einen wuchtigen Rechtstrend. Über ein Fünftel hat, wie in Sachsen und Brandenburg, AfD gewählt – selbst mit einem faschistoiden Führer wie Höcke. Anti-AfD-Kampagnen mobilisieren die Klientel der demokratischen Parteien, das zeigt die gestiegene Wahlbeteiligung. Doch an den Protestwählern perlt alle Skandalisierung des Rechtsextremismus ab. Die AfD-­Erfolge sind keine Protestwahlen mehr.

Deutschlandfunk

Bodo Ramelow hat als Ministerpräsident des Freistaates Thüringen so sozialdemokratisch regiert, dass der SPD die Luft wegbleibt. Die Landesverfassung gibt Ramelow jetzt Zeit. Ein Haushalt fürs nächste Jahr ist verabschiedet. Das allein ist die feststehende und auch gute Nachricht in diesen Zeiten der Polarisierung.

Westfalen-Blatt

Am Ende steht in Thüringen ein Ergebnis, das zwar erwartet wurde, aber dennoch fassungslos macht. Rot-Rot-Grün ist abgewählt, die Regierungsbildung nur schwer oder gar nicht möglich, eine Minderheitsregierung nicht ausgeschlossen. Bis auf die CDU findet die politische Mitte aus SPD, Grüne und FDP jeweils nur noch im einstelligen Prozentpunktebereich statt. Auch das ist eine der bitteren Erkenntnisse dieser denkwürdigen Wahl.

Kölner Stadt-Anzeiger

Die Menschen in Thüringen sind auf ihrer Suche nach Orientierung völlig konträren Politikansätzen gefolgt. Vermeintlichen Halt suchten sie leider auch bei jenen, die das demokratische System für heruntergewirtschaftet, degeneriert und überflüssig halten. Die AfD hat ihren Wähleranteil mehr als verdoppelt. Björn Höcke, der politische Kopf des rechtsnationalen Flügels der Partei, nimmt diesen Erfolg als Bestätigung für seinen Anspruch, künftig auch bundespolitisch eine wichtigere Rolle in seiner Partei zu spielen.

Frankfurter Rundschau

Die Demokratie atmet ein wenig durch in Thüringen. Jeder wusste genau, dass Björn Höcke mit seinem ultrarechten „Flügel“ versucht, ein System mit faschistischem Vorbild aufzubauen. Es gab keine Ausrede: Wer AfD wählt, wählt nicht Protest, sondern rechtsextrem. Höcke hat immer noch über 20 Prozent geholt. Drei Viertel der Wähler haben den Gesellschaftsvertrag mit der Demokratie aber nicht gekündigt.

Rhein-Zeitung

Die CDU könnte es noch einmal bedauern, dass sie ihren Unvereinbarkeitsbeschluss für Koalitionen kategorisch sowohl für die AfD als auch für die Linke gefasst hat. Denn in Erfurt hat Ministerpräsident Bodo Ramelow die Partei mit Abstand zur stärksten Kraft gemacht und das Land keineswegs wirtschaftlich ruiniert oder gespalten. Im Gegenteil. Skandale, große Krisen gab es keine. Politik hängt oft von der Fähigkeit, der Klugheit, dem Charisma und dem Anstand Einzelner ab. Bodo Ramelow hat den Regierungsauftrag bekommen. Angesichts der Schwäche der anderen ist sein Name jetzt Programm: Regierung Ramelow.

Stuttgarter Zeitung

Die größten Verlierer des Wahlsonntags sind SPD und CDU. Auch in Thüringen gerieten deren Landesverbände in den Abwärtssog, den ihre Parteien auf Bundesebene erzeugen. Die Wähler spüren, dass beide Parteien mit sich selbst nicht im Reinen sind.

Reutlinger General-Anzeiger

Die Niederlage der CDU hat sicherlich viele Ursachen. Aber ein großer Fehler lässt sich jetzt schon ausmachen: Mohring hat früh ein Regierungsbündnis mit den Linken ausgeschlossen. Nun sitzt er in der Falle. Denn eine stabile Regierung ist nur durch ein Zusammengehen von CDU und Linkspartei möglich. Warum er das ablehnt, obwohl der Erfolg der AfD die Parteien zu Veränderungen zwingt, wird schwer zu erklären sein.

Quelle: MDR THÜRINGEN/mm

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 28. Oktober 2019 | 06:00 Uhr

5 Kommentare

ralf meier am 28.10.2019

Der MDR entschied sich in seiner Presseschau, die Welt mit der Behauptung zu zitieren, die die AFD sein in Thüringen rechtsextrem. Man hätte auch die Welt mit einem Statement des Herrn Merz zitieren können. Der sagte:
„Erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte haben CDU, SPD, FDP und Grüne zusammen in einem Parlament keine Mehrheit mehr.“ Wenn es zwischen diesen Parteien keine wahrnehmbaren Unterschiede mehr gebe, wichen die Wähler aus – nach links und nach rechts.

Aber dann hätte man einen Kronzeugen für etwas zitiert, was die AFD schon länger meint und wovon sie natürlich profitiert. Es gibt zwischen den Altparteien in vielen Politikfeldern keine Unterscheide mehr. Herr Höcke spricht deshalb auch vom 'Altparteienkartell'.

Mir scheint, das mediale Interesse an einer weiteren Polarisierung ist größer, als eine Beschäftigung mit den Ursachen der schon vorhandenen Polarisierung.

aus Elbflorenz am 28.10.2019

Die linken Medien schwafeln von "Demokratiefeinden" etc, kommen aber gleichzeitig mit Parolen von der "Regierung Ramelow",einem Regierungsauftrag für Ramelow, dem Mann, der unmöglich Scheinende möglich machen soll, um die Ecke und davon, dass Ramelow jetzt Zeit und Geld (Doppelhaushalt) habe, um in Ruhe weiterzuregieren.

Hans Frieder leistner am 28.10.2019

Die GROKO hat in all den letzten Jahren die Bürger des eigenen Landes vernachlässigt. Die Kanzlerin vertritt nur Europa. Die SPD ist nur mit dem eigenen Personal beschäftigt. Der Bund nimmt jährlich mehr Steuern ein, aber der Bürger merkt nichts davon. Pflege, Bildung, Infrastruktur werden sträflich vernachlässigt. Da braucht man sich doch über das Ergebnis nicht wundern. Und da Thüringen noch große ländliche Bezirke hat versagen auch die Erziehungsmethoden und Verbotsabsichten zwecks Naturschutz der Grünen bei den Bürgern, die sich mit ländlichen Gepflogenheiten noch auskennen. Darüber sollten mal die Politikwissenschaftler auch nachdenken ehe sie allen möglichen Unsinn über die AfD von sich geben.

Mehr aus Thüringen

Mehr aus Thüringen