Menschen bei einer Wahlparty der Partei Die Linke
Bodo Ramelow hat die Absicht, sich "sehr schnell im Parlament zur Wahl zu stellen", sagte er nach der Landtagswahl. Bildrechte: MDR/Fabian Stark

Politik Nach der Landtagswahl: Ramelow auf der Suche nach Koalitionspartnern

28. Oktober 2019, 08:00 Uhr

Der einzige linke Regierungschef Ramelow hat einen historischen Sieg eingefahren - doch wer kann und will mit ihm koalieren? Und was folgt aus der nächsten Schlappe der CDU? Und die der SPD? Alle Parteien suchen Antworten.

Nach der Landtagswahl in Thüringen steht eine schwierige Regierungsbildung bevor. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) reklamierte den Auftrag zur Führung des Landes nach dem klaren Wahlsieg erneut für seine Partei. Die CDU muss nach massiven Einbußen in ihrer einstigen Hochburg ihr weiteres Vorgehen klären. Eine Zusammenarbeit mit der AfD, die zur zweitstärksten Kraft in Thüringen aufstieg, schließen alle anderen Parteien aus. In Berlin kommen am Montag die Parteigremien zusammen, um über den Wahlausgang und mögliche Konsequenzen zu beraten.

Ramelow sagte, alle Demokraten müssten in der Lage sein, miteinander zu sprechen. "Lasst uns doch auch mal ausloten, was es an gemeinsamer Kraft im Parlament gibt." Dies sei noch jenseits der Frage, wer mit wem offiziell in Regierungsgespräche eintrete. In Thüringen habe man es immer wieder geschafft, "über scheinbare parteipolitische Gräben hinweg" in entscheidenden Fragen an einem Strang zu ziehen, etwa nach Bekanntwerden der NSU-Terrorserie. Ramelow betonte, er habe natürlich die Absicht, sich "sehr schnell im Parlament zur Wahl zu stellen".

Die Linke war bei der Wahl am Sonntag erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft geworden. Die bisherige rot-rot-grüne Koalition verlor aber ihre Mehrheit. Die CDU, die seit 1990 stets vorn gelegen hatte, stürzte auf das schlechteste Ergebnis der Landesgeschichte. Sie kam hinter der AfD auf Platz drei, die ihr Resultat mehr als verdoppelte.

Die Wahlbeteiligung lag bei rund 65 Prozent und war damit deutlich höher als 2014 (52,7 %).

Mike Mohring signalisiert Gesprächsbereitschaft

Nach dem vorläufigen Ergebnis verbesserte sich die Linke auf 31,0 Prozent (2014: 28,2) und kam auf das beste Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt. Die CDU von Spitzenkandidat Mike Mohring sackte auf 21,8 Prozent (2014: 33,5 Prozent) - ein Minus von knapp 12 Prozentpunkten. Die AfD, die in Thüringen vom Wortführer des rechtsnationalen Flügels, Björn Höcke, geprägt wird, sprang von 10,6 auf 23,4 Prozent. Die SPD rutschte weiter ab: auf den neuen Tiefstand von 8,2 Prozent (12,4). Die Grünen lagen bei 5,2 Prozent (5,7). Die FDP kam auf 5,0 Prozent (2,5 Prozent) und zog damit wieder in einen ostdeutschen Landtag ein.

SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee brachte eine Minderheitsregierung ins Gespräch. Gegebenenfalls könnte eine rot-rot-grüne Regierung mit wechselnden Mehrheiten bei Entscheidungen, die nicht grundsätzlicher Art seien, agieren, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Alle Parteien auf demokratischem Grund müssten gesprächsfähig sein. "Komplizierte, auch längere Gespräche stehen an", betonte er.

CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring hat nach den unklaren Mehrheitsverhältnissen eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausdrücklich nicht ausgeschlossen. "Die CDU in Thüringen ist bereit für Verantwortung, wie auch immer die aussehen kann und sollte", sagte Mohring am Montag vor Gremiensitzungen seiner Partei in Berlin. "Deswegen muss man bereit sein, nach diesem Wahlergebnis auch Gespräche zu führen. Ohne was auszuschließen, aber in Ruhe und Besonnenheit." Die Frage nach einem möglichen Modell könne er noch nicht beantworten, sagte Mohring.

Die CDU musste nicht nur bei den Zweitstimmen im Vergleich zu 2014 massive Verluste hinnehmen. In mehreren Wahlkreisen verlor sie auch Direktmandate an Wettbewerber von AfD und Linken. Die AfD hatte vor fünf Jahren noch keinen Wahlkreis geholt, nun gewann sie bei den Erststimmen elf Direktmandate.

Die FDP in Thüringen liebäugelt mit einer Minderheitsregierung. Diese "wäre eine Herausforderung für die Demokratie, aber die Wähler würden dann auch wieder sehen, dass Demokratie tatsächlich im Parlament stattfindet", sagte FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich.

Welche Koalitionen sind möglich?

Nach der sich gegenwärtig ergebenden Sitzverteilung sind bislang keine klaren Optionen für eine Regierungsbildung erkennbar. Für die derzeit regierende Koalition aus Linke, SPD und Grüne reicht es nicht zur Stimmenmehrheit im Parlament. Möglich wäre diese, sie die FDP in eine Koalition einbeziehen würde. Kemmerich (FDP) schloss das aber in einer ersten Reaktion am Sonntagabend aus.

Auf der anderen Seite würde eine Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP mit 39 Sitzen keine Mehrheit haben. Auch eine Koalition aus AfD und CDU hätte keine Mehrheit.

SPD bestürzt über schlechtes Ergebnis

Die Linke-Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sprach in einer ersten Reaktion von einem historischen Ergebnis für ihre Partei.

Wir haben zum ersten Mal eine Wahl gewonnen.

Thüringens Linke-Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow

Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow sprach von einem klaren Regierungsauftrag für seine Partei. "Und ich werde diesen Auftrag auch annehmen", sagte er. Wegen der guten Wahlbeteiligung sei er stolz auf das Land Thüringen. "Die Wahlbeteiligung ist seit langem nicht mehr so hoch gewesen, deswegen ist es ein großer Tag für unser Parlament."

"Ein bisschen traurig" sei er, dass SPD und Grüne nicht von der starken Wahlbeteiligung hätten partizipieren können. "Wir haben alle drei für den Erfolg gearbeitet", sagte Ramelow dem MDR.

Die SPD reagierte bestürzt auf ihr schlechtes Ergebnis. Im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren hat sie rund vier Prozentpunkte verloren. Landtagsfraktionschef Matthias Hey sagte: "Das ist ein sehr, sehr bitteres Ergebnis für die Sozialdemokraten." SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee bezeichnete das Wahlergebnis als "für uns enttäuschend, wenn auch wie befürchtet". Seine Partei werde in den nächsten Tagen ausloten, welche Möglichkeiten zur Bildung einer stabilen Regierung in Thüringen bestehen. Dabei gelte, dass alle demokratischen Parteien miteinander reden müssten und ihrer Verantwortung für das Land gerecht werden. Tiefensee nannte keine Parteien im Einzelnen.

Das fühlt sich nicht gut an.

Matthias Hey, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion
Menschen jubeln
Jubel auf der Wahlparty der AfD in Erfurt Bildrechte: MDR/Robin Hartmann

AfD-Landeschef und -Spitzenkandidat Björn Höcke sagte im MDR, seine Partei sei der Gewinner des Abends. Die Regierung von Bodo Ramelow sei abgewählt, die AfD wolle regieren. Die Altparteien seien gut beraten, das Votum des Wählers zur Kenntnis zu nehmen.

Co-Landeschef Stefan Möller umwarb die CDU. Diese solle die Möglichkeiten einer "bürgerlichen Regierung" nutzen - oder diese "verraten" und sich der Linkspartei "andienen".

In Bildern Der Wahlsonntag in Thüringen

Mehr als 1,7 Thüringer waren am 27. Oktober aufgerufen, den neuen Landtag zu wählen. Laut Hochrechnung erhielt die Linke mehr als 30 Prozent der Stimmen. Bilder vom Wahltag und den Wahlpartys gibt's hier.

Menschen bei einer FDP-Wahlparty
Lange Gesichter bei der FDP. Die Liberalen müssen zittern, ob sie den Wiedereinzug in den Landtag schaffen. Bildrechte: MDR/Robin Hartmann
Menschen bei einer FDP-Wahlparty
Lange Gesichter bei der FDP. Die Liberalen müssen zittern, ob sie den Wiedereinzug in den Landtag schaffen. Bildrechte: MDR/Robin Hartmann
Menschen bei SPD-Wahlparty
Die SPD sackte auf einen Tiefststand ab. Die Sozialdemokraten kommen nur noch auf 8,2 Prozent, ein Minus von über 4 Punkten. Bildrechte: MDR/Fabian Stark
Wahlparty der Grünen
Die Stimmung auf der Wahlparty der Grünen war gedrückt. Nach Stand der Hochrechnung ist unsicher, ob sie die fünf-Prozent-Hürde schaffen würden. Bildrechte: MDR/Ann-Kathrin Canjé
Menschen bei einer Wahlparty der Partei Die Linke
Die Linkspartei mit Ministerpräsident Bodo Ramelow erzielte bei der Landtagswahl am Sonntag ein Rekordergebnis von mehr als 30 Prozent. Bildrechte: MDR/Fabian Stark
Mike Mohring im Interview
CDU-Spitzenkandidat und -Landeschef Mike Mohring äußerte sich deprimiert: "Die Demokratische Mitte hat verloren", sagte er in der ARD. Mit diesem Ergebnis habe niemand gerechnet. Bildrechte: MDR/Jörg Pezold
Menschen jubeln
Die AfD konnte mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke das Ergebnis von 10,6 Prozent aus dem Jahr 2014 mehr als verdoppeln. Bildrechte: MDR/Robin Hartmann
Helfer Bei Stimmauszählung
Die Auszählung in Erfurt-Schmira. Bildrechte: MDR/Birgit Schindler
Steffen Dittes
Steffen Dittes von den Linken sagte auf der Wahlparty in Erfurt: "Heute haben wir Grund zu feiern. Und morgen machen wir uns an die Arbeit." Bildrechte: MDR/Fabian Stark
Auszählung der Stimmzettel in Eckstedt.
In Eckstedt im Kreis Sömmerda wird ausgezählt. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann
Wahlparty der CDU
Um 18 Uhr kam die Prognose: Demnach wird die Linke stärkste Kraft in Thüringen. Die Linke-Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sprach in einer ersten Reaktion von einem historischen Ergebnis für ihre Partei. Bildrechte: MDR/Ann-Kathrin Canjé
Wahlhelfer bei der Arbeit.
Der Thüringer Landtag wird am 27. Oktober neu gewählt. Bildrechte: MDR/Jan Schönfelder
Wahllokal im Gasthaus Zur Kaiserlinde in Zimmernsupra.
Wer nicht an die Zeitumstellung gedacht hatte, stand morgens zunächst vor verschlossenen Türen. Bildrechte: MDR/Jana Hildebrand
Bodo Ramelow wirft seinen Wahlzettel ein.
Bodo Ramelow (Linke) bei seiner Stimmabgabe. Bildrechte: MDR/Birgit Schindler
Mike Mohring gibt seinen Wahlzettel zur Landtagswahl ab.
Mike Mohring (CDU) gibt seinen Wahlzettel zur Landtagswahl ab. Bildrechte: MDR/Alexander Reißland
Björn Höcke (AfD) bei der Stimmabgabe.
Björn Höcke (AfD) bei der Stimmabgabe. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Wolfgang Tiefensee gibt seinen Wahlzettel zur Landtagswahl ab.
Wolfgang Tiefensee (SPD) gibt seinen Wahlzettel zur Landtagswahl ab. Bildrechte: MDR/Birgit Schindler
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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 27. Oktober 2019 | 18:00 Uhr

Quelle: MDR THÜRINGEN/dr, dpa, AFP

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 28. Oktober 2019 | 19:00 Uhr

446 Kommentare

Ignatz Wrobel am 29.10.2019

nur deshalb geht es uns so gut wie niemals vorher und deshalb wollen so viele weltweit zu uns, deshalb tolerieren wir leider Rechtsextreme statt sowas zu verbieten und deshalb leben wir in der längsten friedensgeschichte - ABER Gefahr droht von völkisch fremdenfeindlichen Mördern und Extremisten die schon wieder bekennende Demokraten ermorden, wieder Juden und Migranten angreifen. Wir müssen wachsam sein und bleiben und die verirrten Schäfchen zurück zur Herde holen.

Ignatz Wrobel am 29.10.2019

ha ha ha ha ha deshalb schloss sich Osten dem Westen an, deshalb zahlte Westen bis heute für maroden Osten, deshalb braucht niemand im Westen den immer brauner werdenden Osten ....
deshalb jammert der Osten seit 1945 und wurde meist saarländisch regiert - die bekommen selbst nichts auf die Reihe wirtschaftlich und politisch sind es Denkende aus dem Westen

Ignatz Wrobel am 29.10.2019

Respekt den RRG Regierenden denen fies und böse alles Schlechte vorhergesagt wurde von dem nichts zutraf und die den Wessi-rechtsradikalem Superstar, Rechtsrockkonzerte und viele völkisch fremdenfeindliche beherbergen muss.
Ausbürgern wäre angebracht geht in Demokratie die RRG verkörpern nicht. Demokratisch deutsche Tolerant wird vom AfD Flügel zusehend verfassungsfeindlich ausgenutzt und muss weiter "beobachtet" (von uns aus VERBOTEN) werden.

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