Thüringen nach der Wahl Regierungsbildung: Welche Koalitionen in Thüringen möglich sind

28. Oktober 2019, 08:52 Uhr

Eines dürfte kurz nach der Landtagswahl in Thüringen klar sein: Dass das Land in den nächsten fünf Jahren von einer Koalition mit eigener Mehrheit regiert wird, ist relativ unwahrscheinlich. Die derzeitigen Koalitionäre Linke, SPD und Grüne bräuchten einen vierten Partner, doch dafür steht wohl keine der anderen Parteien (AfD, CDU, FDP) zur Verfügung. Die drei größten Parteien (Linke, AfD, CDU) wollen derzeit nicht miteinander. Ein Ausweg könnte eine tolerierte Minderheitsregierung sein.

Nach der Landtagswahl in Thüringen am Sonntag wird die Regierungsbildung spannend: Das bisher regierende Bündnis aus Linken, SPD und Grünen hat seine Mehrheit im Parlament verloren. Die Erweiterung der rot-rot-grünen Koalition um eine gelbe Komponente, also die FDP, würde auch keine Mehrheit bringen und wurde zumindest am Sonntagabend vom FDP-Spitzenkandidaten und -Landesvorsitzenden Thomas Kemmerich ausgeschlossen.

Linke will regieren - AfD auch

Menschen bei einer Wahlparty der Partei Die Linke
Wollen weiter regieren: Thüringens amtierender Ministerpräsident Bodo Ramelow und Landesparteichefin Susanne Hennig-Wellsow (re.). Bildrechte: MDR/Fabian Stark

Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow und Landesparteichefin Susanne Hennig-Wellsow sehen für ihre Partei jedenfalls einen klaren Regierungsauftrag. Denn die Linke ist mit Abstand stärkste Partei im Land.

Auf der anderen Seite stehen zwei fast gleichstarke Oppositionsparteien, die zumindest nach bisherigen Aussagen wohl nicht miteinander koalieren werden: die AfD und die CDU. Allerdings würde es beiden zusammen ebenfalls nicht für eine Stimmenmehrheit im Parlament reichen. Sie müssten sich noch einen dritten Partner ins Boot holen.

Immerhin machte AfD-Landessprecher Stephan Möller noch am Wahlabend klare Avancen: Die Christdemokraten müssten sich entscheiden, ob sie zusammen mit der AfD eine bürgerliche Regierung bilden oder die Wähler "verraten" und sich der Linkspartei "andienen" wollten.

Ob derart martialisch formulierte Einladungen dazu geeignet sind, die CDU zur AfD zu ziehen, wird sich zeigen. Vor der Wahl hatte CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring Koalitionen sowohl mit der AfD als auch mit der Linken kategorisch ausgeschlossen. Am Wahlabend äußerte er sich etwas unverbindlicher: Man habe mit dieser Situation - die Christdemokraten nur als drittstärkste Partei im Landtag - nicht gerechnet und müsse nun überlegen, wie es weitergeht. Die CDU stehe für Gespräche zur Verfügung und man müsse schauen, "wie man das macht und mit wem man das macht".

Ebenfalls möglich: Tolerierungsmodell

Ob damit auch eine Koalition der CDU mit der Linken oder gar mit allen drei derzeitigen Koalitionsparteien gemeint ist, wird sich ebenfalls zeigen. Sie gilt als eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist für die Christdemokraten, eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung aktiv zu tolerieren. In praktische Politik umgesetzt, würde das bedeuten: Die CDU stimmt im Parlament Gesetzesvorlagen der Koalition zu oder verschafft dieser zumindest durch Enthaltung eine Stimmenmehrheit. Im Gegenzug unterstützt die Koalition ausgewählte Gesetzesvorlagen der CDU.

Gleiches könnte aber auch für die FDP gelten. Auch ihre fünf Sitze im Landtag würden einer rot-rot-grünen Koalition bei Bedarf zur Mehrheit reichen. Doch am Sonntagabend hat FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich mehrfach erklärt, die Regierung Ramelow beenden zu wollen. Für die Bereitschaft einer punktuell aktiven Unterstützung für Rot-Rot-Grün spricht das erst einmal nicht.


SPD, Grüne und Linke in Sachsen-Anhalt haben zwei Legislaturperioden lang gezeigt, dass ein Tolerierungs-Modell funktionieren kann. Und für die tolerierende Oppositionspartei bringt das Modell Vorteile: Sie kann eigene politische Interessen durchsetzen, ohne in der Regierungsverantwortung zu sein. Andererseits muss sie damit leben, das Etikett der Käuflichkeit angeheftet zu bekommen.

Eine wichtige Rolle bei den Überlegungen zu möglichen Koalitionen dürften indes auch die Wünsche oder Vorgaben aus den jeweiligen Bundesparteizentralen spielen. Wie die konkret aussehen, dürfte den Thüringer Akteuren in den nächsten Tagen erläutert werden.

Quelle: MDR THÜRINGEN/dr

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR extra | 27. Oktober 2019 | 20:15 Uhr

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