Eine Frau steht neben einem Kunstwerk.
Obwohl sie sehr fragil erscheinen, sind die Kunstwerke doch ziemlich stabil. Bildrechte: MDR/Anke Preller

Kultur Jenaer Künstlerin hat große Pläne für Kulturfabrik Apolda

09. Januar 2021, 13:05 Uhr

Sie sehen aus wie riesige Korallen oder von Wellen bewegtes Seegras. Die Papierskulpturen der Jenaer Künstlerin Philine Görnandt sind etwas Einzigartiges. Seit zehn Jahren sind ihre Skulpturen und Lichtobjekte deutschlandweit auf Kunstmessen und in Ausstellungen zu sehen. Im Corona-Jahr 2020 wurde eine Veranstaltung nach der anderen abgesagt. Die Künstlerin hatte Zeit und schmiedete Zukunftspläne für sich und ihren Arbeitsort - die Kulturfabrik Apolda.

Eine ganze Etage hat Philine Görnandt inzwischen für ihre Kunst. Viel Raum zum Produzieren und Präsentieren ihrer unverwechselbaren weißen und cremefarbenen Papierskulpturen. Einige stehen auf Sockeln, andere hängen über einer gemütlichen Sitzecke. Der Raum ist riesig. An Platz mangelt es in der ehemaligen Textilfabrik wirklich nicht. Vor gut fünf Jahren ist Philine Görnandt, die in Jena wohnt, mit ihren Arbeiten hierher umgezogen. Zunächst in ein kleineres Atelier, dann in die Etage im ersten Stock.

Sie habe sich gleich in die alten Fabrikhallen verliebt, sagt sie. Derzeit bieten sie sieben Künstlern eine Heimat, so der Jenaer Malerin Thea Grün oder der Keramikerin Susanne Worschech aus Erfurt. Demnächst zieht noch ein Designer ein, erzählt Philine Görnandt. Er komme aus der Leipziger Baumwollspinnerei, dem bekannten Künstlerquartier. Das hier sei "ihr kleines Leipzig", schmunzelt sie. Ihr Arbeitstisch steht im hinteren Teil der Halle, ein Vorhang trennt den Produktions- vom Ausstellungsbereich. 

Gips, Ton, Stein - vieles, sagt die 40-Jährige, habe sie ausprobiert. Am Ende war es das Papier! Formen der Natur inspirieren sie zu ihren Arbeiten. Bei dem von ihr entwickelten Verfahren trägt sie in Leimung getauchtes Papier Schicht für Schicht auf. Das sei wie der Wachstumsprozess bei Korallen zum Beispiel. Und so wachsen die Skulpturen quasi in ihren Händen.

Ich brauche dieses Werkzeug aller Werkzeuge, die Hände, um wirklich kreativ gestalten und das auch fühlen zu können.

Philine Görnandt

Es ist ein sehr langwieriger Prozess, denn die Schichten dürfen nicht zu schnell und auch nicht zu langsam trocknen. Dabei trägt eine scheinbar zarte Lamelle bis zu 40 Papierschichten in sich. Das Papier schöpft die Künstlerin zum Teil selbst, sie verwendet aber auch speziell für sie gefertigtes. In Arbeit sind immer mehrere Objekte gleichzeitig. Denn bis sie fertig sind, vergehen Tage, mitunter auch einige Monate, was immer von der Größe der Objekte abhängt.

Künstlerin zieht von Jena nach Apolda

Seit zehn Jahren, erzählt Philine Görnandt, kann sie von ihrer Kunst, zu der sie auf Umwegen kam - leben. Sie stammt aus einer Thüringer Maler- und Musikerfamilie. 1980 in Jena geboren erlernt sie zunächst in Weimar den Beruf der Restaurantfachfrau. Später wechselt sie in den Bereich Künstler-Organisation und Management.

Kunstwerke sind in einem Raum ausgestellt.
Besucher des Ateliers  können sich die Arbeiten gemütlich vom Sofa aus anschauen. Bildrechte: MDR/Anke Preller

Mit 30 besinnt sie sich ihrer künstlerischen Wurzeln, probiert und experimentiert viel - bis sie das Papier als ihren Werkstoff für sich entdeckt. Das erste Atelier in einer Scheune in Jena ist schnell zu klein. Da kommt 2015 das Angebot, in die Kulturfabrik Apolda umzuziehen, gerade recht. Das 100 Jahre alte Industriegebäude mitten in der Stadt war 2012 vor dem Abriss gerettet und als Künstler- und Atelierhaus wiederbelebt worden.

Der Standort sei perfekt, sagt sie, innerhalb weniger Stunden könne sie von hier aus überall sein - ob auf Kunstmessen oder Ausstellungen in Nürnberg, Erlangen, Wiesbaden, Frankfurt oder Berlin. 

Ich schätze einfach unglaublich die Atmosphäre dieser alten Fabrik. Die Ruhe zum Arbeiten und auch das Potenzial, das sie bietet, um daraus etwas zu entwickeln.

Philine Görnandt

Neuer Mietvertrag in Vorbereitung

So hat sie ihr riesiges Atelier auch in eine Galerie, einen Begegnungsort verwandelt. Besucher können sich ihre Arbeiten gemütlich vom Sofa aus anschauen, mit einem Glas Prosecco in der Hand. Auch Salon- und Genussabende kann sie sich hier vorstellen. Ein Klavier steht schon bereit.

Doch ihre Pläne reichen noch weiter. Denn in diesem Jahr übernimmt sie die Leitung der Kulturfabrik. Als ehrenamtlich tätige Verwalterin und Kreativdirektorin in einem will sie das Künstler- und Atelierhaus weiterentwickeln und so seine Zukunft sichern. Denn der Zehn-Jahres-Vertrag für die Kulturfabrik läuft Ende 2021 aus. Die Stadt Apolda als Eigentümerin sei froh, mit ihr zusammen eine Lösung gefunden zu haben, sagt Philine Görnandt - und lasse ihr weitgehend freie Hand.

Kunstwerke sind in einem Raum ausgestellt.
Die Künstlerin plant weitere Ateliers einzurichten. Bildrechte: MDR/Anke Preller

Bürgermeister Rüdiger Eisenbrand (parteilos) bestätigt das. Ein neuer Mietvertrag für die Kulturfabrik sei in Vorbereitung und solle demnächst mit ihr abgeschlossen werden. Das Konzept, das Philine Görnandt auch schon dem Kultur- und Sozialausschuss vorstellte, sei vielversprechend. Eisenbrand ist froh, dass es für die Kulturfabrik auch über das Jahr hinaus eine Perspektive gibt.

Neue Pläne für Kulturfabrik Apolda

Die Künstlerin plant, in der leeren dritten Etage vier oder fünf weitere Ateliers einzurichten. Nur durch mehr Mieteinnahmen seien die Betriebskosten für das große Gebäude abzudecken. Zunächst will sie sich um Fördergelder bemühen - für Zwischenwände und zusätzliche Heizkörper. Die zweite Etage, schwärmt sie, soll das "Kulturherz" der Fabrik bleiben, der perfekte Raum für Ausstellungen und Veranstaltungen.

Da in Pandemie-Zeiten an große Formate kaum zu denken ist, will Philine Görnandt mit der Kulturfabrik andere Wege gehen und ab dem Frühjahr Corona-kompatibel kleine feine Veranstaltungen anbieten.

Nur jammern hilft wenig. Ich glaube - und dessen sind sich viele Künstler bewusst, dass der gewohnte Messe- und Ausstellungsalltag in den nächsten ein, zwei Jahren schwierig wird. Deswegen setze ich auf kleine individuelle Veranstaltungen, die die Menschen derzeit sehr schätzen. Sie dürsten danach.

Philine Görnandt

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 09. Januar 2021 | 14:30 Uhr

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