Nur Übergangslösung? Ein Sommer im Stadtgarten Erfurt
Hauptinhalt
Am 3. Juli eröffnet der Erfurter Stadtgarten die Sommersaison 2020. Nach anderthalb Jahren Leer- und Stillstand finden dann wieder kulturelle Veranstaltungen an dem mehr als 200 Jahre alten Kulturstandort statt. Federführend sind dabei die WirGarten-Macher, die den Hof ganztags öffnen und bespielen wollen.

Unter den altehrwürdigen Kastanien und Eichen im Hof des Stadtgartens wird gebohrt, geschraubt, geschleift. Ein Lkw rangiert in den Hof und lädt Materialien ab. Zwei Hunde spielen mit viel Gebell zwischen den improvisierten Marktständen aus Holzpaletten. Ständig klingelt irgendwo ein Handy und an der Theke schießt heißer Dampf aus einer Kaffeemaschine. Fast anderthalb Jahre lag der Erfurter Stadtgarten im Dornröschenschlaf, doch plötzlich ist es hier laut und lebendig.
Stadtgarten Erfurt als Kulturgarten für Kinder und Erwachsene
Verantwortlich für den Lärm ist das Team vom WirGarten Erfurt - allen voran Ronny Lessau und Kai Siegel. Nach dem WirGarten und der Kreativtankstelle ist der Stadtgarten das dritte gemeinsame Kulturprojekt, das die beiden in Erfurt anschieben. Aus dem Hof des Stadtgartens, der seit dem 31. Dezember 2018 leer steht, wollen sie im Sommer 2020 einen kulturellen Anlaufpunkt in der Brühlervorstadt machen.
Wir finden: Der Stadtgarten hat eine Historie in Erfurt und so ein Ort darf nicht einfach verschwinden. Natürlich gibt es mit dem Presseklub und dem Kulturquartier hier schon ein kulturelles Angebot, aber Kultur lebt von Vielfalt und Abwechslung. Dazu wollen wir beitragen.
Geplant ist, den Hof in einen Kulturgarten zu verwandeln, in dem Erwachsene und Kinder gleichermaßen zu ihrem Recht kommen. So ist zum Beispiel entlang des Zaun eine loungeähnliche Sitzecke entstanden, vor der 26 Tonnen Sand nicht nur ein wunderbares Strandfeeling verbreiten, sondern auch einen riesigen Sandkasten für die Kleinen bilden. An der Bar gibt es Brause, Kaffee und Bier und auch das kulturelle Programm ist breit gefächert: Kinderworkshops und Märchentheater sollen hier stattfinden, Wochen- und Trödelmärkte, aber auch Integrationsprojekte mit Geflüchteten. Sogar eine erotische Lesung ist geplant. Und das ist längst nicht alles.
Livemusik - was man natürlich hier im Stadtgarten erwartet - ist schwierig, weil es im Rahmen der Ausschreibung untersagt ist. Aber wir wollen uns mit verschiedenen Lösungen auch diesem Thema widmen. Zum Beispiel soll es eine Silence-Disco mit Kopfhörern geben. Denkbar sind auch unverstärkte Akustikkonzerte in der Klangmuschel.
Damit es bald losgehen kann, wird seit Tagen unermüdlich gearbeitet. Viele zumeist ehrenamtliche Helfer pflanzen Blumen, spannen Sonnensegel, bringen Scheinwerfer an oder zimmern aus Europaletten Sitzgelegenheiten, Tische oder Hochbeete. In Windeseile verwandelt sich der Hof des Stadtgartens von einer trostlosen Brache in einen lebendigen Kulturpark. Gerade mal 14 Tage haben Lessau und Siegel für den Umbau veranschlagt. Am 19. Juni bekamen sie die Schlüssel, am 3. Juli ist die Eröffnungsfeier.
Kulturmanagement der Stadtverwaltung versagte
Für die Eröffnung hat sich auch Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) angekündigt. Der Besuch zeigt, welchen Stellenwert der Stadtgarten noch immer in Erfurt besitzt. Zugleich ist es wohl der Versuch der Stadtverwaltung, endlich wieder positive Schlagzeilen zu liefern. Denn seit fünf Jahren steht der Stadtgarten sinnbildlich für ein Versagen im Kulturmanagement der Stadt. Damals kündigte die Verwaltung den Pachtvertrag, weil die Betreiber ihre Option auf eine fünfjährige Verlängerung wenige Tage zu spät gezogen hatten. Bis dahin hatten sie den Stadtgarten bereits zehn Jahre lang betrieben und wollten weitermachen.
Es folgten fünf Jahre, in denen der Stadtgarten erst lahm- und dann stillgelegt wurde. Bis Ende 2018 durften die damals verprellten Betreiber jährlich weitermachen, um den Laden für einen neuen Investor warmzuhalten. 2019 fanden sich schließlich drei Interessenten, von denen eine Erfurter Unternehmergemeinschaft die Zusage erhielt. Nach genauerer Begutachtung ließ sie den Stadtgarten aber fallen. Die Sanierungskosten, die auf bis zu zwei Millionen Euro geschätzt werden, hatten das Vorhaben unwirtschaftlich gemacht. Zudem schreckte die hohe Pachtgebühr von rund 70.000 Euro noch mehr Interessenten ab.
Auch wir haben uns damals die Ausschreibung angeschaut und sie besprochen, aber es war schnell klar, dass es unter den Rahmenbedingungen wirtschaftlich keinen Sinn macht, sich zu bewerben.
Gekommen, um zu bleiben
Dass die Erfurter Verwaltung dieses Jahr zumindest den Außenbereich des Stadtgartens zur Zwischennutzung ausgeschrieben hat, daran sind die WirGarten-Macher nicht ganz unschuldig. Seit etwa einem Jahr sind sie in steten Kontakt mit Ämtern und Stadtratsmitgliedern. Eigentlich um einen neuen Platz für einen neuen WirGarten zu finden, aber auch um ihr Interesse am Stadtgarten zu hinterlegen. Dass sie diesen nun bis zum 31. Oktober bespielen dürfen, ist eine Win-Win-Win-Situation - für Lessau und Siegel, für die Verwaltung, für den Stadtgarten.
Ab dem 3. Juli öffnet der Erfurter Stadtgarten wieder sein Tor für Besucher. Zunächst von Freitag bis Sonntag zwischen 9 und 22 Uhr. Wie beim WirGarten steht dann der Gemeinschaftsgedanke im Mittelpunkt. Jeder, der will, soll hier mitmachen und gestalten dürfen. Ideen für Veranstaltungen und Projekte sind gern gesehen. Sobald der Betrieb verlässlich läuft und sich das Kulturprogramm füllt, wollen Lessau und Siegel auch am Mittwoch und Donnerstag öffnen.
Gespräche über Zukunft des Erfurter Stadtgartens
Außerdem machten sie bereits deutlich, dass sie auch gern länger als bis zum 31. Oktober bleiben wollen. Mit der Stadtverwaltung gebe es bereits Gespräche über einen Kulturweihnachtsmarkt im Dezember. Vorstellbar sei auch künftig im Rahmen einer neuen Ausschreibung des gesamten Objektes als Bieter und Bewerber aufzutreten.
Wir wünschen uns natürlich, erstmal dieses Gelände hier zu entwickeln und eine gute Beziehung zu unseren Nachbarn aufzubauen. Und wenn man dann träumen darf, dann hoffen wir natürlich auch ein bisschen darauf, irgendwann das Gebäude bespielen zu können und es als Kulturort für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 03. Juli 2020 | 12:00 Uhr
MAENNLEiN-VON-DiESER-WELT vor 33 Wochen
Ich würde gern auf der Terrasse am Sonntag Morgen vor‘m Gottesdienst in Ruhe ab 08:00 Uhr frühstücken und dann ein ordentliches Weisswurstfrühstück beim deftigen Frühschoppen zu mir nehmen - ob die neuen Betreiber das wohl hinbekommen....❓