Handwerk aus Thüringen Leder und Pelze: Erfurts letzter Kürschner
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Dicke Lederhandschuhe, kleine Mokkasins mit weichem Lammfell oder alte Pelze, die zu neuem Leben erwachen. Auf der Langen Brücke findet sich Erfurts letzter Kürschner.

So kurz vor Weihnachten haben Gabriele Grebenstein und ihre langjährige Mitarbeiterin Karin Waldhauer richtig viel zu tun. Und das, obwohl der Laden auf der Langen Brücke seit vergangener Woche wieder dicht ist. Zum Geschäft gehört aber auch eine Werkstatt und hier werden bis zuletzt Weihnachtswünsche abgearbeitet.
Gerade steht Pelznäherin Karin Waldhauer mit ihrem weißen Kittel und einem Maßband um den Hals hinter der Theke. In den Händen dreht sie zwei Pelze hin und her. Viele Jahre zierten die die Ärmel eines Damenmantels. Nun möchte die Besitzerin daraus ein Stirnband gemacht bekommen. Das Problem: Dafür reichen die beiden Stulpen nicht aus. Doch Karin Waldhauer wird wieder was einfallen. Das tut es immer.
Ein Kunde hat uns letztens zwei Iltis-Colliers gebracht, 100 Jahre alt. Die wurden früher im Theater getragen. Wir haben daraus auch ein Stirnband gemacht, es unterfüttert. Es war sehr fluffig und sah wahnsinnig schön aus. Wenn aus einem 100 Jahre alten Iltis ein neues Modell wird, dann ist das doch wirklich nachhaltig.
Chefin Gabriele Grebenstein ist für den Verkauf zuständig. Sie ist es auch, die vielen Kunden erklären muss, dass sie keine Pelze abkauft. Aber dann schlägt sie vor, dass Pelznäherin Karin Waldhauer etwas Neues daraus erschafft. Seit fast 25 Jahren arbeitet sie im Laden von Gabriele Grebenstein und deren Mann Hansjürgen. Er ist 77 und wenn es die Gesundheit zulässt, hilft er den beiden Frauen. Dann kümmert er sich beispielsweise um die Chapkas, die an der linken Ladenseite hängen. Auf eine ist sie besonders stolz:
Das ist aber auch eine Granate von einem Waschbär. So leicht! Ich habe mal am Checkpoint Charlie eine Chapka gesehen, da haben Sie gedacht, Sie können die als Kochtopf verwenden, so steif war das Teil. Fest und schwer. Die hier ist aus kanadischem Waschbär. Die Felle kommen von meinem Händler aus England. Das ist einfach eine Pracht, einfach eine Pracht.
Sie setzt die flauschige Kappe auf und erklärt, dass Männer und Frauen sie tragen können. Damit es nicht so "militärisch aussieht“, wird sie bei den Damen aber weiter hinten gebunden.
Ein Laden für Veganer oder Pelzgegner ist das gewiss nicht. Immer wieder komme es vor, dass Kunden erstaunt fragen, ob die Pelze denn auch "echt" seien. Gabriele Grebenstein erklärt dann, wo sie herkommen, dass sie nie Pelze aus China kaufen würden, dass es Tierschutz gibt und sie sich dran hält, dass manche Kunden - Jäger etwa - Felle gerben lassen und dann zum Weiterverarbeiten herbringen. Sie spricht über Waschbär-Plage, über Marderhund-Felle und darüber, dass auch Daunenjacken nicht immer unter super Bedingungen produziert werden - da aber kaum einer drüber nachdenkt und dann zeigt sie auf ihr Hundekörbchen in der Ecke. Heute liegt der kleine Bolonka Bolle nicht darin. Aber auf ihrem Handy sind viele Bilder von dem kleinen wuscheligen Hund.
Ich lasse mir hier auch nichts vorwerfen. Ich habe hier unten auch immer meinen kleinen Wuschel liegen. Ich liebe auch Tiere. Aber wenn Waschbären, Füchse oder Marderhunde zur Plage werden, müssen sie reduziert werden. Und das machen die Jäger und zwar nach bestimmten Quoten. Wir können ja mal überlegen, was Weihnachten in unseren Pfannen und Töpfen liegt: Kaninchen, Lämmer…
Pelznäherin Karin Waldhauer nickt zustimmend. Inzwischen hat sie einen Plan geschmiedet, wie aus den Stulpen ein passendes Stirnband werden könnte. Das Zauberwort heißt: Gallonieren. Dabei werden kleine Lederstreifen eingesetzt - wie eine Art Expander. Das Fell hat genügen Länge (Rauche), um die Lederstreifen zu überdecken.
Gabriele Grebenstein zeigt derweil ein anderes Pelzstirnband. 43 Jahre gibt es ihr Geschäft. Sie waren die letzten Kürschner, die 13., die in Erfurt dazugekommen sind. Nun sind sie die letzten, die diesen Beruf noch ausüben. Jetzt allerdings ist der Laden zu. Die Werkstatt aber offen.
Wir sind ja hier ein Einzelhandel und Handwerksgeschäft. Was wir noch an Aufträgen liegen haben, das arbeiten wir noch ab. Und dann machen wir das so, dass wir die Kunden anrufen, damit sie die Sachen abholen können. Damit die Stirnbänder und Mützen noch rechtzeitig unter dem Baum liegen.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 22. Dezember 2020 | 07:40 Uhr
Thueringer Original vor 11 Wochen
Warum soll die "Chefin" Griebenstein heißen, wenn der Laden "Grebenstein" heißt? Merkwürdig.