Insel Hiddensee Erfurter Kinderstadtführerin zieht mit Krämerbrückenkater an die Ostsee
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Eingehüllt in Mönchskutten oder mit Taschenlampen in den Händen, so folgten Mädchen und Jungen der Erfurterin Franziska Bracharz viele Male durch die Stadt. Im Corona-Lockdown hat sie neue Pläne geschmiedet. Mitsamt Kater und Katze zieht sie ans Meer.

Was der Kater davon hält, ist nicht ganz klar. Jedenfalls verkrümelt er sich unters Sofa, als sein Frauchen Bücher in Kartons packt, grünen Tee aufgießt, die Haustür öffnet und gleichzeitig ans Handy geht. Kater Franz scheint zu spüren: Da ist doch was im Busch!
Erst als ihr Haustier außer Hörweite ist, spricht Franziska Bracharz flüsternd weiter: "Der Brückenkater wird ein Inselkater." Der Umzug steht kurz bevor, einige Kisten sind bereits verschickt. Nach Hiddensee. Erfurts vermutlich bekannteste Katzenhalterin sagt ihrem Geburtsort und der Krämerbrücke Lebewohl.
Eine Überraschung - nicht nur für die 2.600 Facebook-Fans des Katers, sondern auch für viele Thüringer, die Franziska Bracharz als Kinderstadtführerin, Geschichts- und Kulturvermittlerin kennen und schätzen. "Ich bin richtig euphorisiert", sagt die 40-Jährige. "Und das, obwohl so viel hier in Erfurt bleibt: Familie, Freunde, Möbel."
Erfurterin nimmt Rezept für Kloßteig-Pizza mit
Die Ostsee hat Franziska Bracharz schon vor vielen Jahren tief ins Herz geschlossen, immer wieder reiste sie ans Meer. Im vergangenen Dezember beobachtete sie im Auftrag des Naturschutzvereins Jordsand wochenlang Schafe auf der Fährinsel vor Hiddensee. "Die Ruhe in der Natur tut so gut", verriet sie damals bei einem Telefonat nach Erfurt, als sie schon langsam mit dem Leben am Meer liebäugelte.
Der entscheidende Auslöser folgte wenig später. Ein Vogelwart zeigte ihr die Ausschreibung eines Insel-Restaurants: Küchenhilfe gesucht. Sogleich schickte Franziska Bracharz eine Nachricht ans Lokal. Sie weckte Interesse. Oder zumindest Aufmerksamkeit. "Ich habe alles aufgelistet, was ich in der Küche nicht kann", erzählt sie. "Und das ist eine ganze Menge. Aber eine Kloßteig-Pizza bekomme ich gut hin."
Egal, ob diese Spezialität an der Küste gefragt sein wird oder nicht: Die Erfurterin erhielt die Zusage und freut sich nun darauf, vieles neu zu lernen oder wieder zu entdecken. Schließlich begann sie einst, mit 16 Jahren, eine Ausbildung zur Restaurantfachfrau, die sie aber nach acht Monaten aufgab, um sich ihrem ersten Kind zu widmen. "Bald werde ich also wieder Gemüse schneiden", sagt sie, "und auf dem Weg zur Arbeit vielleicht die Rufe der Seevögel am Himmel hören."
Leerlauf im Corona-Lockdown
Der Mut, den ein Umzug auf die Insel verlangt, stützt sich auf mehrere Entwicklungen der vergangenen Monate, verrät Franziska Bracharz bei einem Gespräch Mitte Februar auf und neben der Krämerbrücke. Der Corona-Lockdown habe ihr das genommen, was sie seit fünfzehn Jahren immer wieder dazu antrieb, Mädchen und Jungen durch die Gassen zu führen: die Dankbarkeit der Kinder.
Oft hat sie sich in den vergangenen Jahren geärgert: über die Nebenrollen, die kulturelle Bildung und Museumspädagogik in der Landeshauptstadt spielen, über mangelnde Wertschätzung, über geringe finanzielle Unterstützung. "Ich habe viel ausgehalten, weil ich die Kinder hatte", sagt Franziska Bracharz. "Aber wenn nun sogar Schulausflüge und Wandertage vor der eigenen Haustür nicht möglich sind, ist es das Ende meiner Arbeit."
Die Verlockung, nach Hiddensee zu ziehen, sei immer größer geworden - nicht zuletzt, weil die eigenen Kinder aus dem Haus sind. "Ich habe bisher immer in Erfurt gelebt", sagt sie. "Es ist für mich ein großes Abenteuer, jetzt einen anderen Ort kennenzulernen."
Mit kleinen Mönchen quer durch Erfurt
Vieles hat Franziska Bracharz in Erfurt auf die Beine gestellt, oft kreativ, bisweilen schräg, für manche strapaziös, und stets mit ganz viel Leidenschaft. Im Pyjama in die Synagoge? Mit Schwimmflossen durchs Angermuseum? Für sie kein Problem. Die Kinder folgten ihr - mit Taschenlampen oder eingehüllt in kleine Mönchskutten - begeistert durch die Stadt.
Enge Kontakte pflegt sie nicht nur zum Europäischen Kultur- und Informationszentrum in Thüringen, wo die Kinderstadtführung Erfurt angesiedelt ist, sondern auch zur Alten Synagoge, zu vielen Künstlern und Akteuren der Kulturbranche. Zweimal organisierte sie das jüdische Kinder- und Jugendfestival "Meschugge", die geplante dritte Auflage fiel der Pandemie vorerst zum Opfer.
Blick auf Krämer und Brücke aus Katzenperspektive
Wer so verwurzelt und verwoben ist mit Erfurts Vergangenheit und Gegenwart, passt gut zu einem Ort, der die Stadt wie kaum ein anderer auch jenseits ihrer Grenzen symbolisiert. Und so zog die Kinderstadtführerin 2015 auf die Krämerbrücke. Um Brücke und Krämer stärker ins Bewusstsein der Stadt zu rücken, begann sie damit, ein Online-Tagebuch zu schreiben und füllte es im Laufe der Jahre mit heiteren, nachdenklichen und alltäglichen Beobachtungen - aus der Perspektive ihres Katers.
Dieser wird - gemeinsam mit Katze Shanti - bald ganz neue Entdeckungen machen und die Tierwelt Hiddensees mit Watvögeln und Singschwänen erkunden. "Die fliegenden Schwäne werden meine neuen Kinder", sagt Franziska Bracharz. "Und wer weiß, vielleicht werde ich Erfurt in der Ferne wieder neu zu lieben lernen."
Touren mit Kindern kann die Erfurterin sich übrigens auch auf Hiddensee gut vorstellen. Wenn der neue Job ihr Zeit lässt, möchte sie diese Idee weiter verfolgen. Doch zunächst einmal heißt es: waschen, schnippeln, kochen, anrichten. Und das Leben auf der Insel genießen - ohne Fluss, aber mit Meer.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 13. Februar 2021 | 19:00 Uhr
Nawienn vor 1 Wochen
Es stand mal irgendwo geschrieben
" Der Prophet gilt nichts im eigenen Land"
oder so ähnlich war die Formulierung.
Allerdings gilt der Sinn dieser Aussage,genau dieser
tollen Frau.In Erfurt sind haben es schon viele erfahren
müssen,leider und gute Reise,Grüße an die Muschelschubser
bei denen es zwar rauher zugeht,aber menschlicher.
Sollte diese nette Frau mal wieder nach Erfurt kommen
bitte anmelden,wir werden Sie gebührend empfangen.
Vielleicht haben sich auch die Menschen etwas geändert
die Hoffnung stirbt zuletzt.
Einen schönen Aben noch.....
Peter Mueller vor 1 Wochen
Na dann, viel Glück in der Ferne. Wenn es nicht mehr um Erfurt geht, werde ich den Blog des Katers vielleicht auch mal lesen. Hiddensee ist auf jeden Fall eine große Verbesserung!
Critica vor 1 Wochen
... der Kater wird mir fehlen.... :) :)