Lohma Frischekur für Streuobstwiese im Altenburger Land
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Streuobstwiesen mit ihrer Artenvielfalt sind ein schützenswertes Kulturgut. Leider werden sie heute kaum noch im großen Stil genutzt - zu gering ist der wirtschaftliche Nutzen. Die aufwändige Pflege wird jetzt verstärkt mit Fördermitteln unterstützt. Im Altenburger Land bekommt derzeit die größte Streuobstwiese des Kreises eine Frischekur.
Unter herbstkargen Bäumen am Ortseingang Lohma sollten sich eigentlich rund 20 Jungbullen die Mägen mit den letzten Äpfeln des Jahres vollschlagen. Doch das urtümliche Rote Höhenvieh von Landwirt Christian Els guckt derzeit auf einer Ausweichweide in die Röhre - und schnurpselt zufrieden ein paar Äpfelchen, die Els ihnen aus dem Eimer füttert. Zum Trost noch einmal kurz die Ohren kraulen. "Die jungen Bullen haben auf der Streuobstwiese mit ihren gut 600 Bäumen den Himmel auf Erden", ist sich Els sicher. Aber da sich Motorsägen, Holzarbeiter und ungestüme Jungbullen nicht allzu gut vertragen dürften, musste das Vieh weichen - so kann das Team um Gunar Melzer mit der Motorsäge loslegen.
Neuer Haarschnitt für morsches Holz
Melzer geht nicht zimperlich um mit den Bäumen. "Die Bäume hätten schon vor etwa 20 Jahren einen Schnitt gebraucht", sagt der Holzfäller. Rumms - der nächste morsche Ast eines Kirschbaums fällt. Ein paar junge Äste lässt er stehen. "Ich verschneide so wenig wie möglich, um dem Baum noch ein langes Leben zu ermöglichen." Wer keine Ahnung vom Baumschnitt habe, solle die Finger davon lassen, sagt Melzer. Denn ein Schnitt an der falschen Stelle kann den Baum schädigen.
Die meisten Bäume auf der Streuobstwiese in Lohma sind 70 bis 80 Jahre alt. Die Apfel-, Kirsch-, Birnen- und Pflaumenbäume mit ihren Höhlen und abgestorbenen Ästen erfreuen nicht nur hungrige Obstfreunde. Sie sind auch ein schöner Lebensraum für alles, was flattert, singt, kreucht und fleucht. "Wichtig ist das vor allem in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten wie dem Altenburger Land, da sind Streuobstwiesen häufig die letzten Rückzugsorte für Vögel, Fledermäuse und Insekten", sagt Uta Hoppe von der Unteren Naturschutzbehörde des Altenburger Landes. Doch ohne Schnitt wird die Obstqualität schlechter. "Die Bäume sind sehr verwildert, sehr verwachsen, die Äpfel sind sehr klein. Wenn man so einen Obstbaum ordentlich schneidet - und das ist eine Wissenschaft für sich - dann können sie wieder richtig Obst tragen und man kann das auch wieder nutzen", so Hoppe.
Nicht jeder Obstbaum macht eine Streuobstwiese
In Thüringen stehen rund 10.000 Hektar Streuobstwiese, 250 Hektar gibt es im Altenburger Land. Mindestens "zehn hochstämmige Altbäume" müssen wachsen, dann darf sich eine Wiese mit Bäumen "Paragrafbiotop", in diesem Fall Streuobstwiese, nennen. Von den rund 450 Streuobstwiesen im Altenburger Land sind etwa ein Dutzend der Naturschutzbehörde als pflegebedürftig bekannt. Zahlreiche Interessenten haben sich laut Uta Hoppe bereits für Fördermittel gemeldet. Die ersten drei Projekte werden nun umgesetzt.
Doch die Pflege einer Streuobstwiese ist aufwändig und so freut sich Landwirt Els von der Agrargenossenschaft am Leinawald über die neuen Fördermittel vom Land. "Die Bäume selbst fachgerecht zurückzuschneiden und das Obst zu nutzen, ist für uns aus Kostengründen nicht möglich", bedauert Els. Dazu komme der Zeit- und Personalaufwand: "Bei so alten Bäume entsteht viel Bruchholz. Und dass zu beräumen ist sehr arbeitsaufwändig für uns." Denn Hauptaufgabe der Agrargenossenschaft ist eben nicht die Baumpflege, sondern Land- und Viehwirtschaft.
Behörde hilft bei Antragstellung
Das Land Thüringen hat seinen Fördertopf für Streuobstwiesen aufgestockt und unterstützt nun die Kosten für den Erstschnitt mit bis zu 100 Prozent. Weil die Antragstellung nicht ganz einfach ist - es braucht die Begutachtung vom Experten, mindestens drei Angebote von Fachfirmen und ein kurzes Exposé zur Wiese - unterstützen im Altenburger Land Naturschutzbehörde und Landschaftspflegeverband die Besitzer von Streuobstwiesen. Die 600 Bäume in Lohma werden über drei Jahre schrittweise in Form gebracht: Holzfäller Gunar Melzer prüft jeden Baum vor dem Schnitt, bevor er die Säge ansetzt. Insgesamt fließen rund 180.000 Euro in die Pflege der Wiese.
Doch die wirtschaftliche Nutzung von Streuobst bleibt bei der Förderung außen vor, bedauern Naturschützer und fordern mehr Augenmerk auf der regionalen Nutzung von Ressourcen. "Da muss der Handel mitspielen und nicht solche Vorschriften geben, dass alles genormt sein muss. Gerade auf Streuobstwiesen ist der Apfel nicht immer gleich groß", sagt Tobias Eggert vom Landschaftspflegeverband. Der Vorteil alter Obstsorten: Allergiker vertragen sie häufig besser.
Rinder oder Kinder?
Eggert hofft, dass die große Streuobstwiese im Altenburger Land künftig wieder öffentlich zugänglich sein wird. "Schulkinder könnten beispielsweise Obst pflücken und Saft pressen." Spannend wird, ob sich das mit den Plänen der Agrargenossenschaft vereinen lässt. Denn die Wiese unter den Bäumen, auf der die vom Aussterben bedrohten roten Rinder grasen, bekommt über einen anderen Fördertopf Fördermittel für die Pflege. Landwirt Els ist darum gezwungen, zwischen April und November die Jungbullen auf die Wiese zu stellen. Wer also in den kommenden Jahren in den Genuss der Lohmaer Kirschen, Pflaumen, Birnen und Äpfeln kommt - da werden die Rinder zumindest ein Wörtchen mitmuhen wollen.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 27. November 2020 | 19:00 Uhr