Produziert oder handgenäht Corona-Schutzmasken made in Thüringen
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In Deutschland sind Atemmasken schon länger knapp, aktuell spitzt sich die Situation zu. In vielen Apotheken sind die Schutzmasken ausverkauft, im Internet werden teils horrende Preise verlangt. In Thüringen stellt jetzt eine Matratzenfirma Schutzmasken her und auch in der Textilstadt Apolda ist eine kreative Lösung entstanden.

Das Matratzenwerk in Weida gleicht einer Festung. Niemand darf das Gelände ohne speziellen Schutz betreten. "Momentan sorgen wir uns natürlich um unsere Mitarbeiter. Und außerdem können wir uns Ausfälle derzeit überhaupt nicht leisten", erklärt Gerd Breckle. Der Grund dafür sind die Schutzmasken, die seine Firma seit einiger Zeit produziert.
Schon vor etwa neun Wochen hatte er damit angefangen. Damals ging es eher darum, dass China als Lieferant ausfallen könnte für Krankenhäuser und Rettungskräfte hierzulande. Dass das Corona-Virus eine solche Krise auslösen würde, war damals nicht abzusehen. "Wir haben auf ein paar unserer normalen Maschinen angefangen, Masken zu nähen", so Breckle. "Die richtigen Materialien haben wir, der Gesundheitssektor ist uns nicht neu." Denn auch viele der Matratzen, die hier in Weida eigentlich hergestellt werden, sind Gesundheitsmatratzen.
Nachfrage steigt - Nachtschichten werden eingeführt
Gerd Breckle ist Inhaber und Geschäftsführer. 350 Menschen arbeiten in seinem Betrieb. "Unsere Mitarbeiter waren sofort dabei. Die sind sehr offen. Umschulungen, Wochenendarbeit - wir mussten niemanden überreden. Dafür bin ich sehr dankbar."
Doch dann stieg plötzlich der Bedarf an Schutzmasken immer mehr. Nach Bayern und Thüringen wollte auch Sachsen Masken in Weida ordern. Breckle musste Entscheidungen treffen: "Wir haben uns entschieden, zu investieren. Wir haben neue Maschinen angeschafft, jetzt können wir 10.000 Masken am Tag fertigen." Weil das aber immer noch nicht reicht, wird jetzt eine Nachtschicht eingeführt im Werk. Allerdings werden dort nur Männer eingesetzt. Deshalb müssen jetzt auch die Polsterer umgeschult werden. "Das Möbelgeschäft ist sowieso rückläufig", so Breckle.
Immer wieder klingelt das Telefon...
Die großen Zuschnittautomaten können auch für die Maskenproduktion benutzt werden. Die größte Herausforderung momentan ist es, genug Material zu bekommen. Das bezieht Breckle ausschließlich aus Deutschland. "Das ist alles zertifiziert. Unsere Masken haben eine wirklich gute Qualität. Ich hoffe, dass nach der Krise auch ein Teil der Produktion im Lande bleibt. Aber bevor wir weiter investieren, hoffe ich auf klare Aussagen dazu von der Politik. Aber wir haben ja nicht einmal eine Zertifizierungs-Stelle. Neue Produkte zu zertifizieren, dauert Monate."
Zum Glück kann die Firma bestimmte Produkte selbst zertifizieren. Beispielsweise die Schutzanzüge, die ab nächste Woche auch noch produziert werden sollen, weil auch die knapp werden in Thüringen.
Als wir durch die riesige Fertigungshalle laufen, fallen wieder überall Sicherheitsvorkehrungen auf: Die Arbeitsplätze sind auseinandergerückt, die Sanitärbereiche wurden erweitert. Und immer wieder klingelt das Telefon. Rettungsdienste rufen an, Firmen - sie alle brauchen Masken. Gerd Breckle: "Wir liefern aber ausschließlich ans Land. Die übernehmen dann die Verteilung. Wir nehmen hier keine Einzel-Aufträge an und verkaufen auch nichts. Schreiben Sie das unbedingt!"
Maskennähen in Apolda
Jetzt geht’s weiter nach Apolda. Direkt neben dem neuen Eiermann-Bau finde ich die Lebenshilfe Weimar-Apolda e.V. Genauer gesagt das ZAK (Zentrum für ambulante Kompexleistungen).
Leiterin Heike Jordan wartet schon vor der Tür. Denn auch hier darf momentan kein Unbefugter rein. Aber eben auch die Klienten nicht und das ist das Problem. "Wir wollen aber niemanden alleine lassen. Gerade unsere Klienten sind momentan sehr verunsichert. Viele sind auch psychisch krank. Die brauchen gerade jetzt Zuwendung." 50 Mitarbeiterinnen betreuen hier etwa 150 Menschen. Im Haus kann man sich treffen, reden, es gibt Werkstätten - und all das ist jetzt geschlossen. Also können die Betreuer nur telefonisch nachfragen, ob alles in Ordnung ist. "Aber manchmal muss man auch nachschauen, vielleicht mal spazieren gehen", sagt Heike Jordan. Aber es fehlen die Schutzmasken.
Am Freitag kam dann die Idee: Wir nähen Masken für die Mitarbeiter. Auslöser war ein Fernsehbeitrag, in dem die Leute bunte Masken trugen. Anleitungen waren im Internet schnell gefunden. Und schon kurze Zeit später surrte die erste Nähmaschine. Inzwischen sind schon acht Maschinen da. Die Stoffe kommen aus Spenden. Sie müssen heiß waschbar sein und hübsch. Es gibt gelbe mit Blumen, grüne mit Schafen und auch fliederfarbene.
Hier leben viele Näherinnen
Das Schwierige sind die vielen kleinen kurzen Nähte, erzählt Heidi Rudolf. Sie betreut sonst die Besucher der Begegnungsstätte im Haus. Und jetzt sitzt sie an der Nähmaschine. "Für eine Maske braucht man eine gute halbe Stunde. Wir haben jetzt etwa 60 fertig", sagt sie.
Momentan nähen die Frauen hier im Haus nur für ihre Kolleginnen. Es gibt aber schon die ersten Anmeldungen von Frauen, die zu Hause Masken machen wollen. Kein Wunder: Apolda ist schon immer eine Textilstadt. Hier leben viele Näherinnen. Auch die Kindergärten des Lebenshilfe-Werks wollen mitmachen. Bis auf die Notbetreuung ist ja alles zu.
Und anstatt sich einfach krank zu melden, überlegen alle, was sie tun können, das ist großartig.
"Möglicherweise können auch die Klienten mit Masken ausgestattet werden, damit sie sich trauen, auch mal eine Runde um den Block zu laufen" fährt die Sozialpädagogin fort.
Die selbstgemachten Masken bieten natürlich nicht den gleichen Schutz wie die medizinischen. Aber wenn man mit Maske hustet, werden deutlich weniger Tröpfchen durch die Luft geschleudert als ohne. Und man selber kann auch nicht so einfach angehustet werden. Verkauft werden die Masken nicht. Sie sind nur für den "Hausgebrach" im Lebenshilfewerk. Aber auch dafür müssen sie in Apolda noch ganz schön lange nähen.
Auch in Weimar wird genäht
Nächste Station ist Weimar. Susanne Schillhabel arbeitet im Seebach-Stift, einem Seniorenheim für ehemalige Bühnenkünstler. Sie sah die Masken-Vorräte im Haus immer mehr schwinden und da sie ohnehin gerne näht, wollte sie ausprobieren, ob sie eine solche Maske hinbekommt. Mit dem fünften Versuch war sie dann endlich zufrieden. Als Material verwendete sie Baumwollstoffe, die noch da waren.
Inzwischen hat sie 20 Masken genäht. Ihre Großeltern bekommen auf jeden Fall welche. "Sie fühlen sich einfach besser damit" erzählt Suanne Schillhabel. Auch Kolleginnen haben sich welche gewünscht. "Ich selber will sie eigentlich dafür benutzen, andere zu schützen. Wenn ich Husten habe, setze ich sie dann auf."
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. März 2020 | 19:00 Uhr