Spitzelakte Konflikt um mutmaßliche IM-Tätigkeit von Dieter Laudenbach (AfD) spitzt sich zu

02. September 2020, 17:54 Uhr

Der frühere Thüringer Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Jürgen Haschke, hat schwere Vorwürfe gegen die Stasi-Unterlagenbehörde erhoben. Hintergrund ist der umstrittene Fall des Thüringer Landtagsabgeordneten Dieter Laudenbach (AfD) und dessen Registrierung als Stasi-Spitzel. Haschke bestreitet eine IM-Tätigkeit des heutigen Politikers. Dabei benennen die Unterlagen eindeutig ein Datum zur Anwerbung als Spitzel.

Haschke sagte MDR THÜRINGEN, Akten zu Laudenbach hätten nicht an die Presse herausgegeben werden dürfen. Laudenbach sei ein Betroffener und kein Stasi-Täter. Damit sei er von Gesetzes wegen vor derartiger übler Nachrede zu schützen.

Stasi-Unterlagenbehörde widerspricht Haschke

Haschke hatte nach eigenen Angaben im Auftrag Laudenbachs ein Gutachten zu dessen mutmaßlicher Stasi-Verquickung geschrieben. Darin behauptet er fälschlicherweise unter anderem, dass der MDR keinen Antrag auf Akteneinsicht gestellt hatte. Dieser ist notwendig, um Zugang zu bestimmten Stasi-Akten zu erhalten. Das Ganze, so schreibt Haschke, sei in der "Geschichte der BStU ein einmaliger Vorgang".

Eine Sprecherin der BStU wies die Äußerungen Haschkes zurück. Dem MDR sagte sie, der Fall sei in der Behörde mehrmals geprüft worden. Die Aktenherausgabe sei rechtskonform gewesen. Auch habe ein Antrag vorgelegen.

Nachweisbar hatte der MDR THÜRINGEN bereits im Jahr 2019 einen entsprechenden Antrag auf Akteneinsicht bei der Stasi-Unterlagenbehörde gestellt. Im folgenden Juli hatte der MDR erstmalig über eine IM-Registrierung des heutigen AfD-Politikers bei der DDR-Staatssicherheit berichtet.

Dabei veröffentlichte MDR THÜRINGEN einen sogenannten Auskunftsbericht, den ein hauptamtlicher MfS-Mitarbeiter im Dezember 1986 über Laudenbach angefertigt hatte. Demnach war der damalige Gaststättendirektor des Interhotel Gera wenige Tage zuvor unter dem Decknamen "Klaus" als IM angeworben worden. Eine Verpflichtungserklärung Laudenbachs fehlte in den vorgelegten Unterlagen.

Inhaltliche Bewertung zur Spitzeltätigkeit erfolgt nicht

Für die Herausgabe von Stasi-Akten zu einstigen Spitzeln an die Presse gelten in Deutschland klare Regeln. Demnach muss erkennbar sein, dass die jeweiligen Personen bereit waren, Auskünfte an das MfS zu erteilen. Geprüft wird das anhand der überlieferten Stasi-Akten. Dabei ist das Vorliegen einer Verpflichtungserklärung nicht notwendig. Allerdings bewertet die Behörde grundsätzlich eine mögliche Spitzeltätigkeit nicht inhaltlich.

Spitzelbericht von IM-Anwärter "Klaus"

Im Fall Laudenbach fand die Stasi-Unterlagenbehörde zusätzlich einen Spitzelbericht über ein ausreisewilliges Ehepaar. Dieser Bericht aus dem Jahr 1985 wird dem Informanten "Klaus" zugeordnet, der zu diesem Zeitpunkt vom MfS noch als IM-Anwärter gehandelt wurde. Darin lässt sich "Klaus" über das Benehmen und Intimleben des Paares aus.

Haschke bleibt bei seiner Einschätzung

Auf Nachfrage des MDR THÜRINGEN beharrte Haschke auf seiner Einschätzung in seinem Gutachten. Zu dem in den Akten verzeichneten Werbedatum Laudenbachs sagte Haschke, die Stasi habe dort "alles hingeschrieben" - das sei "Pillepalle". Da keine Verpflichtungserklärung vorliege, könne Laudenbach kein IM gewesen sein.

Die Möglichkeit weiterer noch nicht bekannter Akten schloss er aus. Es entspreche, meinte Haschke, nicht der Wahrheit, dass die Stasi mit Laudenbach Gespräche geführt habe. "Alle Gespräche" zwischen Herrn Laudenbach und dem in den Akten genannten MfS-Mitarbeiter seien "Gespräche unter Arbeitskollegen" gewesen, heißt es in dem Gutachten. Die Akte sei "ohne Kenntnis des Kandidaten" angelegt worden.

Wie er zu diesem Urteil kommt, begründet Haschke in seinem Gutachten nicht. Laudenbach selbst hatte in seiner Stellungnahme gegenüber dem MDR eine wissentliche Spitzeltätigkeit bestritten. Jedem damaligen Hotelmitarbeiter sei allerdings klar gewesen, dass die Stasi in dem Interhotel "allgegenwärtig" war, schrieb er auf Anfrage. In einer öffentlichen Stellungnahme vermutete Laudenbach später eine Verleumdungsaktion gegen seine Person.

Unterschiedliche Haltungen der Landtags-Fraktionen

Die Frage der mutmaßlichen Spitzeltätigkeit des Abgeordneten beschäftigte inzwischen die Thüringer Fraktionen.

Die AfD schrieb nach Veröffentlichung der Aktenfunde von einem "traurigen Beispiel für Täter-Opfer-Umkehr im Umgang mit DDR-Biografien". Den Eindruck zu erwecken, Laudenbach sei Stasi-Spitzel gewesen, sei "in höchstem Maße unmoralisch". Nach Ansicht der CDU zeige der Fall, wie wichtig es ist, die Überprüfung der Landtagsmitglieder auf Stasi-Tätigkeit im Abgeordnetengesetz festzuschreiben. Astrid Rothe-Beinlich von den Grünen sagte, der Fall sei brisant. Die AfD habe sich im Wahlkampf als alleinige Partei der Aufarbeitung inszeniert und immer wieder anderen ihre Stasivergangenheit vorgehalten. Thomas Hartung von der SPD erinnerte daran, dass die Thüringer AfD erst kürzlich gefordert habe, Stasi-Spitzel unter den Abgeordneten als "parlamentsunwürdig" zu erklären und aus dem Landtag zu entfernen.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 30. August 2020 | 20:00 Uhr

17 Kommentare

DER Beobachter am 04.09.2020

Durchaus nicht uninteressant in jeder Hinsicht im Zusammenhang mit der Entwicklung der Causa Laudenbach finde ich durchaus die frei zugängliche "Vita des Wäschers": H. ist offenbar wirklich übel mitgenommen worden seinerzeit in den 50er/60ern. Danach wohl keine nachweislichen Behelligungen/Beobachtungen in der DDR, in der er blieb, mehr. Warum auch immer in der ersten freien DDR-Volkskammerwahl in die DSU gewählt (könnte man heute wohl als CSU-"Werteunion"-"Alternative"-Verschnitt bezeichnen). Über seine Zeit unter der damaligen Regierung vor 20 Jahren als Chef der Thüringer Stasiunterlagenbehörde finde ich kaum mehr, als dass er es war. Danach sein sehr persönliches Hickhack mit dem von ihm slbst gegründeten an sich guten Vereins zum DDR-Unrecht. Und nun? Ich fürchte, es gibt noch alllerhand zu tun in Bezug auf DDR-Verstrickungen und dem politischen Missbrauch derselben nach der Wende und wie sich zeigt, gerade auch wieder in der schwierigen Gegenwart...

DER Beobachter am 03.09.2020

Wenn ich mich recht entsinne, weisen die Kürzel der in den Medien kolportierten Auszüge noch auf andere Abteilungen hin, die den Herrn "anzapften"...

martin am 03.09.2020

@breakpoint: Vermutlich ungefähr so glaubhaft, wie die Aussage, dass man Direktor in einem Interhotel wird / bleibt, ohne in irgendeiner Art und Weise mit der Firma zusammen zu arbeiten.

Und da finde ich es persönlich nicht so relevant, ob man den Zettel unterschrieben hat oder gelegentlichen Plauderstündchen nicht abgeneigt war.

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