Thüringer Musikradar Verwurzelt im Schiefergebirge: Die Band "Revolving Door" aus Lauscha

22. November 2020, 11:41 Uhr

Sie spielten im Vorprogramm von Silbermond und Revolverheld, schnupperten Bühnenluft in Großstädten. Doch die Band "Revolving Door" ist ihrer südthüringischen Heimat treu geblieben - auch wenn sie deren Schattenseiten kennt. Mit "City of Darkness" legen die Musiker aus dem Kreis Sonneberg ihr drittes Album vor.

Wenn sie das gewusst hätten! Dass ausgerechnet ein zentrales Element des neuen Albumcovers zum globalen Symbol dieses Jahres werden würde. Die Maske! Rot, futuristisch und durchaus martialisch springt sie einem entgegen. Ihr Träger trotzt der Finsternis, dem Nebel, dem Feuer und dem Rauch.

Dabei hatten die Musiker von "Revolving Door" mitnichten den Kampf gegen eine Pandemie vor Augen, als sie sich für das Bild des gebürtigen Thüringer Künstlers Philipp Orlowski entschieden. „Ehrlich gesagt haben wir uns bei der Gestaltung des Cover-Artworks am Faschingskostüm eines Kumpels orientiert", verrät Sängerin Liesa-Marie Fehrmann. "Er ist Glasaugenmacher und steht auf dieses Steampunk-Zeug." Das Design fällt ziemlich düster aus. "Das passte einfach gut. Schließlich geht's bei unseren neuen Songs nicht um Blümchen und Konfetti."

"City of Darkness" - Stadt der Dunkelheit - hat die Band aus Lauscha ihr Werk genannt. Und wer an einem trüben Herbstabend durchs Thüringer Schiefergebirge kurvt, vorbei an Möhrenbach, Katzhütte und Ernstthal, und bei Nieselregen im Ziel eintrudelt, kann erahnen, wieso die Band dem Album genau diesen Namen verpasst hat. Dabei kann Lauscha auch ganz anders, aber dazu später mehr.

Ein CD-Cover zeigt eine maskierte Person.
2020 ist das Album "City of Darkness" erschienen. Das geplante Konzert zur Veröffentlichung verlegte die Band aufgrund der Corona-Pandemie ins Internet. Bildrechte: MDR/Revolving Door

Es ist die nähere Umgebung im Landkreis Sonneberg, von der sich die Musiker haben inspirieren lassen. Von der Heimat sozusagen. "Hier zu leben ist Fluch und Segen", sagt Frontfrau Liesa. "Jeder kennt jeden. Das kann sehr toll sein, kann aber auch extrem nerven." Vier Jahre lebte sie in Erfurt, ein weiteres in Österreich, doch dann zog es sie zurück.

Auch Bassist Martin Neubauer verbrachte mehrere Jahre in der Landeshauptstadt, erwog danach, nach Bayern zu ziehen. "Aber wenn ich das tun würde, wäre ich wahrscheinlich an fünf von sieben Tagen in Lauscha, weil ich eben hier verwurzelt bin." Die wirtschaftliche Situation in der 3.300-Einwohner-Stadt sei nicht einfach, "viele pendeln zur Arbeit oder kehren der Region ganz den Rücken zu". 40 bis 60 Autominuten sind es nach Coburg, Saalfeld oder Suhl; damit müsse man sich eben arrangieren. Dafür liegt der Wald gleich vor der Haustür.

"Auf dem neuen Album geht es um diese Zerrissenheit", sagt Martin. "Die Zerrissenheit zwischen der Heimat, wo man sich wohl fühlt, und den kleinstädtischen Nachteilen."

Eine Sängerin und ein Gitarrist bei einem Konzert
Im September 2020 traten "Revolving Door" beim „Wir für hier“-Open-Air-Sommer in Suhl auf. Ungewohnt für die Band: Das Publikum musste sitzen - um die Abstandsregeln einzuhalten. Bildrechte: MDR/Jo Heppner

Dabei könnten die Songs, die einem aus der Wiege des gläsernen Christbaumschmucks um die Ohren geknallt werden, durchaus aus Kalifornien stammen, oder zumindest aus Berlin. "Revolving Door" servieren englischsprachigen Alternative Rock mit melodischen Punkrock-Elementen, der hier und da mit einer Prise Metal angereichert wird. Damit treffen sie vor allem den Geschmack derer, die auch bei Bands wie den Foo Fighters, Green Day, Sum 41 oder Guano Apes schwach werden.

Hochschwanger im Proberaum

Um die neuen Songs einzuspielen, mussten Liesa, Martin sowie Schlagzeuger Felix Müller-Litz und und Gitarrist Alexej Chemissov vergangenes Jahr nicht lange reisen: Sie nutzten einfach den Proberaum als Tonstudio. Aus gutem Grund: "Ich war hochschwanger und hatte keine Lust, durch die Weltgeschichte zu pendeln", erklärt Liesa. "Und mal ehrlich: Auch wenn wir das Album in London oder in der Wüste aufgenommen hätten, würde doch keine Sau den Unterschied hören", schickt sie ein lautes Lob an Produzent Mirko Hofmann, "der ursprünglich ebenfalls hier aus der Ecke kommt".

Doch wie war es, wenige Wochen vor dem Geburtstermin ins Mikrofon zu singen? "Ich hatte großen Bock auf die Aufnahmen", erinnert sich Liesa, während der inzwischen einjährige Henry sich neben ihr an Standtrommeln nach oben zieht. "Allerdings fehlte mir manchmal ganz schön die Puste." Bassist Martin ist dennoch sehr zufrieden: "Das hört man den Aufnahmen nicht an. Liesa kam meist erst nachmittags dazu, schließlich ist die Stimme morgens eh noch nicht so da." Das Ergebnis kann sich hören lassen - was auch Robin Schmidt zu verdanken ist, der den Aufnahmen aus Südthüringen den finalen Schliff - das Mastering - verpasste.

Spotify-Zugriffe aus Brasilien

Dass die neuen Songs auch auf einer CD landen sollten, war der Band wichtig. Durch den Erfolg von Streaming-Diensten wie Youtube und Spotify sei eine CD-Produktion gar nicht mehr notwendig, sagt Martin Neubauer. "Aber das macht viel mehr her, als wenn die Songs nur online existieren. Außerdem fragen nach Konzerten immer einige Besucher nach CDs."

Dabei nutzen die Musiker die digitalen Plattformen sehr wohl. "Streaming ist schon praktisch - egal ob zu Hause oder im Auto", sagt Martin. "Man kann unkompliziert neue Musik entdecken, und davon profitieren auch wir." So bemerkte die Band zuletzt erstaunt, dass einer ihrer Songs recht häufig in Brasilien abgespielt wird. "Wahrscheinlich hat ihn dort irgendjemand, der eine große Anhängerschaft hat, in seine Playlist reingepackt - und dann verbreitet sich das eben." Andererseits bleibt bei den Urhebern der Songs selbst bei Zehntausenden Song-Aufrufen so gut wie nichts hängen.

"Revolving Door" im Livestream

Somit wäre die geplante CD-Releaseparty im Frühjahr eine gute Gelegenheit gewesen, einen Teil der Produktionskosten mit Konzerttickets und Albumverkäufen wieder einzunehmen. Doch wie überall machte das Coronavirus alle Planungen zunichte.

Viel Platz ließen "Revolving Door" der Enttäuschung aber nicht. So übertrug die Band ein Konzert kurzerhand ins Internet und präsentierte neben den neuen Songs auch einen weiteren Gitarristen: Benjamin "Sissl" Römhild.

Ein Gitarrist und ein Bassist bei einem Konzert
Gitarrist Benjamin "Sissl" Römhild stieg erst nach der CD-Produktion bei "Revolving Door" ein. Im September stand er in Suhl mit auf der Bühne Bildrechte: MDR/Jo Heppner

Soziales Engagement im Kreis Sonneberg

"Nicht meckern, dass nichts los ist - sondern selbst etwas auf die Beine stellen. So funktioniert das hier generell", sagt Liesa. Schon als Jugendliche bekam sie dies vorgelebt. Gefühlt jedes Wochenende spielten vor allem Coverrockbands bekannte Hits und Szeneklassiker in der Region, etwa in Lauscha und in Neuhaus am Rennweg. "Inzwischen ist das fast völlig zum Erliegen gekommen - dafür gibt es hin und wieder Electropartys."

Überhaupt gebe es eine ganze Menge ehrenamtliches Engagement in verschiedenen Vereinen. Bassist Martin nennt das Kulturhaus und das Kulturkollektiv Goetheschule als Beispiele: "Die organisieren Ausstellungen, Theateraufführungen und Konzerte ganz unterschiedlicher Stile." Fest im Kalender stehe normalerweise bei vielen auch ein zweitägiges Event im Sommer: Auf dem Sportplatz werden beim "Lauschner Ohmd" alte Bilder und Filme gezeigt und Mundartmusik dargeboten. Am nächsten Tag feiern die jüngeren Generationen ausgelassen Schaumparty, abends gibt es Livemusik. Und auch die Kirmes- und Faschingsfreunde stellen Jahr für Jahr einiges auf die Beine. "Dass so viele Leute etwas tun und anbieten, macht diese Region wirklich zu etwas Besonderem."

Verbindung von Los Angeles nach Neuhaus

Ja, die Basis für "Revolving Door" wurde im Thüringer Schiefergebirge gelegt; damals, vor etwa 15 Jahren, als sich einige Jugendliche an der Musikschule in Neuhaus und bei diversen Konzerten in der Region über den Weg liefen - und Liesa in der Stadtbibliothek eine CD der Band "Crazy Town" aus Los Angeles auslieh und den Namen des Songs "Revolving Door" mindestens so toll fand wie den Song an sich.

Ins Schiefergebirge ist die Band bisher stets zurückgekehrt, auch wenn sie das Glück - und anfangs das unterstützende Händchen eines engagierten Vaters - schon so einige Male über die Landesgrenzen hinaus getragen hat: zu Auftritten in Hard-Rock-Cafés in Köln und Berlin, auf Bühnen beim Deichbrand- und Area4-Festival, nach Österreich, Belgien und in die Niederlande, ins Vorprogramm von Revolverheld und Silbermond. Bei solchen Gelegenheiten können Träume noch ein wenig größer werden. Doch die Band nahm alles mit und blieb trotzdem am Boden.

"Wenn man nicht gerade mit Zipfelklatschermusik seinen Lebensunterhalt verdienen möchte, ist es als Musiker sehr schwer", sagt Liesa-Marie Fehrmann. Und so sind die fünf Freunde froh, dass sie andere Berufsfelder gefunden haben - und dennoch Zeit bleibt fürs gemeinsame Hobby. "Nein", korrigiert sich die Sängerin, "es ist nicht nur ein Hobby. Es ist Leidenschaft."

Quelle: MDR THÜRINGEN

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