Wasser, Mehl und Liebe Spezialisten für Kuchen und Plätzchen: Zobels Bäckerei in Dermbach
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In unserer Serie "Wasser, Mehl und Liebe" stellen wir diesmal eine Bäcker-Chefin vor: "Zobels Bäckerei" ist eine Institution in Dermbach. Schon seit dem Jahr 1729 betreibt die Familie im Wartburgkreis das Bäckerhandwerk. Es gibt zahlreiche Spezialitäten wie das Rhönpaulusbrot, Zwiebelsploatz oder Rhöner Rahmkuchen. Bis zum ersten Advent aber muss Jacqueline Zobel die Auslage vor allem mit vielen verschiedenen Plätzchen- und Stollensorten aus eigener Produktion füllen.

Dicht nebeneinander liegen sie in schmalen Kästen in der Verkaufstheke: Schneeflöckchen und Hirschknöpfe, Waldfruchttaler und Kakaokugeln, Vanillekipferl, Spritzgebäck, Makronen, Kokos-, Anis- und Nougatplätzchen - und das sind längst noch nicht alle. Der Rekord bisher waren 29 verschiedene Sorten, fast alle selbst gebacken.
Das ist aufwendig, sagt Bäckerei-Chefin Jacqueline Zobel, aber gehört dazu. In anderen Jahren war der erste Advent der einzige Sonntag im Jahr, an dem die Bäckerei öffnete: Dann durften die Gäste Plätzchen und Stollen verkosten, bekamen Kaffee dazu. Und draußen vor der Bäckerei, auf dem kleinen Dermbacher Markt, gab es Glühwein und Bratwurst.
Das fällt dieses Jahr Corona-bedingt aus - aber möglichst viele Plätzchensorten gibt es trotzdem. Denn: "Gegessen wird immer", sagt Jacqueline Zobel. Und die Klassiker sind besonders gefragt.
Stollen mit Cranberries statt Rosinen
Auch beim Stollen ist die Auswahl groß. Sechs verschiedene Sorten werden gebacken: der klassische Christstollen, eine leichtere Variante mit weniger Butter, eine mit Cranberries und Kirschen statt Rosinen, ein Mandelstollen ohne Orangeat und Rosinen - und ein Dinkel-Mandel-Stollen.
Da hinein kommen Dinkelmehl, Orangeat und Mandeln, und die werden - statt in Rum oder Milch - in Orangensaft eingeweicht. Das gibt dem Stollen ein kräftiges Orangenaroma und macht ihn saftig. Und schließlich gibt es noch einen "Pfarrer-Stollen" nach dem geheimen Rezept des evangelischen Pfarrers, der gelernter Koch ist. Vom Verkaufserlös fließt ein Teil zurück an die Kirchengemeinde, um den Taufengel zu restaurieren.
Brötchen und Plunder für die Frühschicht
Mit wenigen geschickten Handgriffen zerteilt Jacqueline Zobel einen fertig ausgerollten Teig in gleich große Quadrate, füllt einen Spritzbeutel mit brauner Masse, die sie auf die Teigstücke drückt. Flink werden die Quadrate zu Dreiecken zusammengelegt und leicht angedrückt: Pflaumenmus-Plunderstücke. Plunder kauften Männer auch gern schon am frühen Morgen, erzählt sie.
In Zobels Bäckerei gibt es schon vor der Ladenöffnung um 6 Uhr die ersten Backwaren für diejenigen, die zur Frühschicht müssen. Da halten auch viele aus Nachbarorten auf dem Weg zur Arbeit kurz an der Backstube.
Weite Wege für Ost-Brötchen und Rahmkuchen
Stammkunden hat die Bäckerei auch im benachbarten Hessen. Ein Ehepaar aus Eckweisbach kommt regelmäßig, verbindet den Einkauf mit einem Spaziergang mit dem Hund. Sie stammen aus dem thüringischen Oechsen und "stehen immer noch auf unsere Ossi-Brötchen", sagt die Frau. "Es ist etwas ganzes Anderes, hier einzukaufen als bei unserem Großbäcker."
Nun suchen sie Plätzchen für Weihnachten aus, loben neben den Brötchen auch den Rhöner Rahmkuchen. Den einstigen Festtagskuchen der Region gibt es jeden Tag frisch, mit Mohn, Quark oder Obst. Freitags aber wird er in den großen traditionellen Rundformen gebacken, 40 bis 45 Zentimeter im Durchmesser, und auf dem Holzbrett präsentiert. Das ergibt zwölf bis 14 große dreieckige Stücke. Dafür kommen die Leute von weiter her, berichtet die Chefin.
Familientradition wieder aufgenommen
Seit 1729 - also seit 291 Jahren - gibt es jetzt Zobels Bäckerei in Dermbach, immer war das Handwerk nachweislich in einer Familie. Ihrem Mann Tobias wurde es schon in die Wiege gelegt, sagt Jacqueline Zobel. Allerdings musste ihr Schwiegervater das Unternehmen aus gesundheitlichen Gründen im Jahr 1972 aufgeben, da war der Sohn noch zu jung, um es zu übernehmen.
Erst 1988 beschloss er gemeinsam mit seiner Frau, die Bäckerei wieder zu eröffnen. An die Wende war damals noch nicht zu denken, sagt sie, aber sie bauten um und bestellten einen neuen Backofen, Wartezeit damals: zehn Jahre. Doch dann kam 1989 und alles ging viel schneller als gedacht. Ein Ofen kam fast über Nacht, einen Tag vor der Währungsunion. Und im Dezember 1990, also vor bald 30 Jahren, begann der Neustart von Zobels Bäckerei.
Von der Apotheke in die Bäckerei
Seit sechs Jahren, seit dem frühen Tod ihres Mannes, führt Jacqueline Zobel den Betrieb. Sie kann dabei auf ein gutes Team bauen, auf das sie stolz ist. Ohne das ginge es nicht, sagt sie. Insgesamt zehn Mitarbeiter, davon zwei aus der Familie, Schwägerin und Neffe.
Selbst die Schwiegermutter, die im Haus wohnt, hilft, wo sie kann, wenn beispielsweise Obst eingeweckt oder Marmelade gekocht werden muss. Auch ihre Kinder unterstützen, haben aber andere Berufe gewählt. Die Bäckerei-Chefin selbst stammt aus einer Fleischerei und hat eine Ausbildung zur Pharmazie-Ingenieurin absolviert.
Aus Liebe von der Apotheke in die Bäckerei - diesen Schritt hat sie nie bereut, will nichts anderes mehr machen und das Geschäft mindestens bis zum 300-jährigen Bestehen führen.
Das macht schon Spaß. Man steht nicht umsonst auf, man weiß, was man gemacht hat, wenn der Tag rum ist. An manchen Tagen ist es einem auch zu viel, aber der Beruf an sich ist ein sehr schöner Beruf.
Da steckt sie auch das nächtliche Aufstehen weg, wenn sie mal in der Backstube aushelfen muss.
Brot zum Musical und Zwiebelsploatz
Gebacken wird dort natürlich auch für den herzhaften Geschmack, eine Reihe von Brotspezialitäten beispielsweise. Das Rhönpaulusbrot hatte sich Tobias Zobel zur Premiere des Rhönpaulus-Musicals in Dermbach im Jahr 2009 einfallen lassen: ein Roggen-Dinkelbrot mit Röstzwiebeln und Schinkenwürfeln. Sie habe damals bezweifelt, dass das Musical-Publikum ein Brot kaufen würde, erinnert sich Jacqueline Zobel. Aber tatsächlich waren die ersten 130 Brote schnell verkauft, knabberte mancher in der Open-Air-Vorstellung an dem Laib.
Es gibt saisonale Spezialitäten wie ein Frühlingsbrot mit Schnittlauch und Buttermilch oder ein Bärlauchbrot, Kartoffelbrot im Herbst oder Walnuss- und Früchtebrote in der Weihnachtszeit. Ein Klassiker ist der Rhöner Zwiebelsploatz: Brotteig, gebacken mit einer Masse aus Zwiebeln, Schmand, Speck, Öl und Gewürzen. Und schließlich das hauseigene rustikale Knäckebrot, viel mehr als nur eine Unterlage für Aufstrich: Mit Sesam oder mit Sonnenblumenkernen und Käse braucht es eigentlich nichts mehr dazu.
Für den Weihnachtsstress aber sorgen vor allem die süßen Backwaren. Die Adventszeit ist besonders anstrengend, aber auch schön, sagt Jacqueline Zobel: "Mein Steckenpferd." Sie mag es, wenn die Auslage gut gefüllt ist und appetitlich aussieht. Vom Hochbetrieb ruhen sich die Bäckerei-Mitarbeiter im Januar aus, sagt sie, dann falle alles ab. Mag sie Weihnachten überhaupt noch Plätzchen und Stollen essen? "Naja", lacht sie, "nicht unbedingt, meistens ist man es dann schon satt. Jetzt schmeckt’s am besten! Das geht doch allen so, oder?"
Exklusiv: Rezept zum Nachbacken
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 27. November 2020 | 05:00 Uhr
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Nicht nur alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit...
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