* Trauriges Jubiläum - 20 Jahre Amoklauf in Erfurt
Vor zwanzig Jahren, am 26. April 2002, erschoss ein ehemaliger Schüler des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums 16 Menschen, bevor er sich selbst das Leben nahm. Auf eine solche Tat war Deutschland nicht vorbereitet. Vieles wurde danach geändert, angefangen mit dem Schulsystem in Thüringen bis hin zur Ausbildung der Einsatzkräfte. Für diejenigen, die den Amoklauf miterleben mussten, bleiben die Erinnerungen, viele sind auch heute noch traumatisiert. Die Filmemacherin Katja Herr hat gemeinsam mit ihrem Kollegen Christoph Peters Überlebende getroffen und mit ihnen darüber gesprochen, wie der Amoklauf von Erfurt ihre Leben verändert hat. Außerdem erklärt Vincenz Leuschner, Professor für Kriminologie und Soziologie, welche Mittel es gibt, um Amokläufe an Schulen zu verhindern.
(Autorin: Petra Böhm)
* Vor 250 Jahren wurde Novalis geboren
Man kennt seinen Namen hierzulande wohl meist aus dem Deutschunterricht: deutscher Dichter der Frühromantik - Hymnen an die Nacht, Blütenstaub, unvollendete Romane. Alt wurde er nicht, mit 28 starb er bereits - wahrscheinlich angesteckt von Friedrich Schiller, den er während dessen Schwindsucht pflegte. "Novalis hat sich angesteckt" dichtete Hans-Eckardt Wenzel zum 250. Geburtstag - und sieht in Novalis einen großen Künstler, der in seinen Texten eine Sicht auf die Welt eröffnet, die uns heute mehr als guttun würde: angesteckt, wie eine Kerze bei Nacht. Die Sehnsucht nach dem Mittelpunkt der Erde, die Hoffnung auf die Magie der Erde ist ansteckend - je poetischer, desto wahrer. Zugleich ist Ansteckung nicht das Ergebnis von Erkenntnis, sondern sie passiert uns einfach: mit der Liebe und auch mit all den Krankheiten, wie mit Corona oder Schillers Schwindsucht. Natur, Philosophie und Poesie - für Novalis sind sie eins. Der als Friedrich von Hardenberg geborene Novalis war trotz seines nur kurzen Lebens ein außerordentlich fleißiger und wissbegieriger Jurist, Bergbauingenieur, Geologe und Salinentechniker - Naturwissenschaftler und Poet zugleich - alles gehörte für ihn zusammen: "Nur ein Künstler kann den Sinn des Lebens erraten" schrieb er einmal unter seinem Künstlernamen Novalis.
Am 2. Mai 1772 wurde von Hardenberg im Schloss Oberwiederstedt im Harz geboren. Seit zwei Jahren residiert dort - im vor dem Abriss geretteten Gutshaus - Steffen Schmidt als Direktor der Novalis-Gesellschaft. Zum Jubiläum wird das Haus nun endlich für die Öffentlichkeit geöffnet, geschmückt mit Arbeiten der Keramikerin Julia Rückert als Keimzellen neuer Gedanken: riesige Blumensamen, Blütenstaub in Blau. Zugleich eröffnete gerade eine umfassende Kunstausstellung in dem Hallenser Haus der Kunststiftung des Landes Sachsen Anhalt - mit Skulpturen, Bildern, Textilarbeiten und Texten, die auf Novalis in unserer Zeit blicken, unter anderem von Lutz Seiler, Monika Rinck und eben Hans-Eckardt Wenzel.
"artour" sprach mit ihm, Julia Rückert und Dr. Steffen Schmidt über einen Künstler, der hochaktuell und ein Weltstar ist. Jetzt sollen seine Gedanken auch hierzulande frisch gesät werden. Ansteckend.
(Autot: Dennis Wagner)
* Jakob Hein "Der Hypnotiseur" - ein Buch über Gedankenreisen als schönste Form des Reisens
Ein Dorf im unteren Odertal: durchschnittliche Menschen in einem durchschnittlichen Leben in einem durchschnittlichen Land. DDR, Mitte der 80er. Und dann kommt Michael zurück in dieses Dorf, nach Hause, nach dem gescheiterten Versuch, Psychologie in Berlin zu studieren. Er hat kein Diplom, aber eine Fähigkeit erlernt, die sein Leben und das des Dorfes umkrempeln wird: er beherrscht Hypnose. Das spricht sich auf seltsame Weise im Rest des Landes, vor allem in Berlin, herum. Die Menschen kommen mit ihrer unstillbaren Sehnsucht zum Hof von Michael und bitten ihn, dass er sie auf Phantasiereisen schickt, per Hypnose an die schönsten Plätze der Welt, die sonst so unerreichbar sind.
Jakob Hein hat diesen wunderbaren kleinen Roman geschrieben, zunächst als Reflex auf das Eingeschlossensein in der Corona-Zeit, aber auch als große Hommage an unsere eigene Fantasie, an die Kraft der Vorstellung, die eine Reise perfekter macht, als man sie je in Wirklichkeit unternehmen kann. Und so erzählt er auch von den Widerstandskräften der Seele und verhandelt die Frage nach individuellem Glück in einer Gesellschaft - damals wie heute: "Der Hypnotiseur oder Nie so glücklich wie im Reich der Gedanken".
(Autorin: Anett Friedrich)
* "Am Rande der Glückseligkeit" - ein Buch über die europäische Kulturgeschichte des Strandes
Den Strand, diesen sandigen Streifen zwischen Land und Meer, untersucht die Leipziger Autorin und Teilzeitniederländerin Bettina Baltschev mit feiner Behutsamkeit in ihrem Buch, mit dem sie eine europäische Kulturgeschichte des Strandes geschrieben hat. Die Autorin nimmt uns mit an acht europäische Strände - von Hiddensee bis Lesbos. An diesen acht Stränden verwebt sie die Geschichte der Orte und der dort entstandenen Kunst mit Besuchen von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die sie mit kultur-soziologischen Reflexionen über den Strand sowie persönlichen Erfahrungen würzt.
Bettina Baltschev zeigt, dass der Strand in der Geschichte nicht nur Ort der Glückseligkeit ist, sondern immer auch ein Ort war, an dem Kriege - wie in der Normandie, humanitäre Katastrophen - wie auf Lesbos, und der Hyperkapitalismus - wie in Benidorm, sichtbar werden. Am Ende ist der von den Menschen in Besitz genommene Streifen zwischen Land und Meer, der Überschwemmungsboden, auch ein Spiegel unserer Geschichte. Das Buch "Am Rande der Glückseligkeit" ist jetzt für den deutschen Sachbuchpreis nominiert.
(Autorin: Pia Uffelmann)
* Kulturkalender
- Werkschau der Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach, noch bis zum 28.08. in der Moritzburg Halle
- "Solo Sunny" von Wolfgang Kohlhaase am Theater Magdeburg, Premiere am 29.04.
- "Die Odyssee"- preisgekrönter Animationsfilm von Florence Miailhed, als Geschichte einer Flucht erzählt, ab 28.4. im Kino
(Autorin: Julia Ribbe)
Vor zwanzig Jahren, am 26. April 2002, erschoss ein ehemaliger Schüler des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums 16 Menschen, bevor er sich selbst das Leben nahm. Auf eine solche Tat war Deutschland nicht vorbereitet. Vieles wurde danach geändert, angefangen mit dem Schulsystem in Thüringen bis hin zur Ausbildung der Einsatzkräfte. Für diejenigen, die den Amoklauf miterleben mussten, bleiben die Erinnerungen, viele sind auch heute noch traumatisiert. Die Filmemacherin Katja Herr hat gemeinsam mit ihrem Kollegen Christoph Peters Überlebende getroffen und mit ihnen darüber gesprochen, wie der Amoklauf von Erfurt ihre Leben verändert hat. Außerdem erklärt Vincenz Leuschner, Professor für Kriminologie und Soziologie, welche Mittel es gibt, um Amokläufe an Schulen zu verhindern.
(Autorin: Petra Böhm)
* Vor 250 Jahren wurde Novalis geboren
Man kennt seinen Namen hierzulande wohl meist aus dem Deutschunterricht: deutscher Dichter der Frühromantik - Hymnen an die Nacht, Blütenstaub, unvollendete Romane. Alt wurde er nicht, mit 28 starb er bereits - wahrscheinlich angesteckt von Friedrich Schiller, den er während dessen Schwindsucht pflegte. "Novalis hat sich angesteckt" dichtete Hans-Eckardt Wenzel zum 250. Geburtstag - und sieht in Novalis einen großen Künstler, der in seinen Texten eine Sicht auf die Welt eröffnet, die uns heute mehr als guttun würde: angesteckt, wie eine Kerze bei Nacht. Die Sehnsucht nach dem Mittelpunkt der Erde, die Hoffnung auf die Magie der Erde ist ansteckend - je poetischer, desto wahrer. Zugleich ist Ansteckung nicht das Ergebnis von Erkenntnis, sondern sie passiert uns einfach: mit der Liebe und auch mit all den Krankheiten, wie mit Corona oder Schillers Schwindsucht. Natur, Philosophie und Poesie - für Novalis sind sie eins. Der als Friedrich von Hardenberg geborene Novalis war trotz seines nur kurzen Lebens ein außerordentlich fleißiger und wissbegieriger Jurist, Bergbauingenieur, Geologe und Salinentechniker - Naturwissenschaftler und Poet zugleich - alles gehörte für ihn zusammen: "Nur ein Künstler kann den Sinn des Lebens erraten" schrieb er einmal unter seinem Künstlernamen Novalis.
Am 2. Mai 1772 wurde von Hardenberg im Schloss Oberwiederstedt im Harz geboren. Seit zwei Jahren residiert dort - im vor dem Abriss geretteten Gutshaus - Steffen Schmidt als Direktor der Novalis-Gesellschaft. Zum Jubiläum wird das Haus nun endlich für die Öffentlichkeit geöffnet, geschmückt mit Arbeiten der Keramikerin Julia Rückert als Keimzellen neuer Gedanken: riesige Blumensamen, Blütenstaub in Blau. Zugleich eröffnete gerade eine umfassende Kunstausstellung in dem Hallenser Haus der Kunststiftung des Landes Sachsen Anhalt - mit Skulpturen, Bildern, Textilarbeiten und Texten, die auf Novalis in unserer Zeit blicken, unter anderem von Lutz Seiler, Monika Rinck und eben Hans-Eckardt Wenzel.
"artour" sprach mit ihm, Julia Rückert und Dr. Steffen Schmidt über einen Künstler, der hochaktuell und ein Weltstar ist. Jetzt sollen seine Gedanken auch hierzulande frisch gesät werden. Ansteckend.
(Autot: Dennis Wagner)
* Jakob Hein "Der Hypnotiseur" - ein Buch über Gedankenreisen als schönste Form des Reisens
Ein Dorf im unteren Odertal: durchschnittliche Menschen in einem durchschnittlichen Leben in einem durchschnittlichen Land. DDR, Mitte der 80er. Und dann kommt Michael zurück in dieses Dorf, nach Hause, nach dem gescheiterten Versuch, Psychologie in Berlin zu studieren. Er hat kein Diplom, aber eine Fähigkeit erlernt, die sein Leben und das des Dorfes umkrempeln wird: er beherrscht Hypnose. Das spricht sich auf seltsame Weise im Rest des Landes, vor allem in Berlin, herum. Die Menschen kommen mit ihrer unstillbaren Sehnsucht zum Hof von Michael und bitten ihn, dass er sie auf Phantasiereisen schickt, per Hypnose an die schönsten Plätze der Welt, die sonst so unerreichbar sind.
Jakob Hein hat diesen wunderbaren kleinen Roman geschrieben, zunächst als Reflex auf das Eingeschlossensein in der Corona-Zeit, aber auch als große Hommage an unsere eigene Fantasie, an die Kraft der Vorstellung, die eine Reise perfekter macht, als man sie je in Wirklichkeit unternehmen kann. Und so erzählt er auch von den Widerstandskräften der Seele und verhandelt die Frage nach individuellem Glück in einer Gesellschaft - damals wie heute: "Der Hypnotiseur oder Nie so glücklich wie im Reich der Gedanken".
(Autorin: Anett Friedrich)
* "Am Rande der Glückseligkeit" - ein Buch über die europäische Kulturgeschichte des Strandes
Den Strand, diesen sandigen Streifen zwischen Land und Meer, untersucht die Leipziger Autorin und Teilzeitniederländerin Bettina Baltschev mit feiner Behutsamkeit in ihrem Buch, mit dem sie eine europäische Kulturgeschichte des Strandes geschrieben hat. Die Autorin nimmt uns mit an acht europäische Strände - von Hiddensee bis Lesbos. An diesen acht Stränden verwebt sie die Geschichte der Orte und der dort entstandenen Kunst mit Besuchen von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die sie mit kultur-soziologischen Reflexionen über den Strand sowie persönlichen Erfahrungen würzt.
Bettina Baltschev zeigt, dass der Strand in der Geschichte nicht nur Ort der Glückseligkeit ist, sondern immer auch ein Ort war, an dem Kriege - wie in der Normandie, humanitäre Katastrophen - wie auf Lesbos, und der Hyperkapitalismus - wie in Benidorm, sichtbar werden. Am Ende ist der von den Menschen in Besitz genommene Streifen zwischen Land und Meer, der Überschwemmungsboden, auch ein Spiegel unserer Geschichte. Das Buch "Am Rande der Glückseligkeit" ist jetzt für den deutschen Sachbuchpreis nominiert.
(Autorin: Pia Uffelmann)
* Kulturkalender
- Werkschau der Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach, noch bis zum 28.08. in der Moritzburg Halle
- "Solo Sunny" von Wolfgang Kohlhaase am Theater Magdeburg, Premiere am 29.04.
- "Die Odyssee"- preisgekrönter Animationsfilm von Florence Miailhed, als Geschichte einer Flucht erzählt, ab 28.4. im Kino
(Autorin: Julia Ribbe)
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