Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio

MDR-Fernsehen

Do, 08.06. 23:10 Uhr 29:30 min

Lebensläufe

Zwischen Barock und Staatsmacht - Der Maler Willi Sitte

Film von Reinhold Jaretzky

  • Stereo
  • Audiodeskription
  • 16:9 Format
  • HD-Qualität
  • Untertitel
  • VideoOnDemand

Bildergalerie: Lebensläufe - Maler Willi Sitte

Der Maler Willi Sitte holte auf seinen Bilder die griechische Götterwelt in die Arbeiter- und Bauernrepublik DDR und schrieb sich mit seinen Gemälden in die jüngere Kunstgeschichte ein. Geboren wurde er 1921 im tschechischen Kratzau. Bildrechte: DRA
Typisch für Sittes Malerei: Nackte, üppige Körper, zügellose Geschlechterkämpfe, pralle, derbe Sinnlichkeit in expressive Farbenwucht getaucht. Inspiriert haben ihn die Altmeister von der Renaissance bis in die klassische Moderne. Bildrechte: imago images / Köhn
Nachdem er in Italien aus der Wehrmacht desertiert war und sich den antifaschistischen Partisanen angeschlossen hatte, war beim Aufbau des Sozialismus im Osten Deutschlands von Beginn an dabei - aus politischer Überzeugung. Bildrechte: DRA
Der Widerspruch zwischen seiner ungebrochenen Staatstreue und seinem Beharren auf der Eigenständigkeit der Kunst hat Sitte ein halbes Jahrhundert begleitet. Während er in der DDR immer wieder Parteistrafen kassierte, wurde er nach der Wende als höriger Staatsmaler geschmäht. Bildrechte: DRA
Dabei waren seine frühen Bilder bereits in der DDR umstritten, da sie keine Helden der Arbeit darstellten, sondern müde Gestalten. Nichtsdestotrotz wurde Sitte später Präsident des Künstlerverbandes und Mitglied in Volkskammer und Zentralkomitee. Bildrechte: imago images / Ulrich Hässler

Nackte, üppige Körper, zügellose Geschlechterkämpfe, pralle, derbe Sinnlichkeit in expressive Farbenwucht getaucht: So hat sich der Maler Willi Sitte in die jüngere Kunstgeschichte eingeschrieben. An den Altmeistern von der Renaissance bis in die klassische Moderne geschult, hat er die Ekstasen aus der griechischen Götterwelt in die Arbeiter- und Bauernrepublik DDR geholt. Beim Aufbau des Sozialismus im Osten Deutschlands war er von Beginn an dabei, aus politischer Überzeugung, nachdem er in Italien aus der Wehrmacht desertiert war und sich den antifaschistischen Partisanen angeschlossen hatte. 

Der Widerspruch zwischen seiner kommunistischen Überzeugung, seiner ungebrochenen Staatstreue und seinem Beharren auf der Eigenständigkeit der Kunst hat ihn ein halbes Jahrhundert begleitet. 

Der nach der Wende als höriger Staatsmaler geschmähte Sitte, dessen Bilder nun teilweise abgehängt wurden und in den Depots verschwanden, genoss zu DDR-Zeiten die höchsten Ehrungen, agierte als Präsident des Künstlerverbandes und als Mitglied in Volkskammer und Zentralkomitee. Doch der Künstler Willi Sitte, der den geforderten sowjetisch-sozialistischen Realismus zeitlebens als der Nazi-Kunst zu ähnlich ablehnte, war den Genossen suspekt. Sitte wollte, orientiert an Zeitgenossen wie Pablo Picasso, Renato Guttuso, Max Ernst und Fernand Léger, der Kunst einen revolutionären Schwung verleihen, was ihm Rügen, Parteistrafen und immer wieder den Vorwurf der Dekadenz und des Formalismus eintrug. Seine frühen Bilder verstaubten im Atelier, selbst seine "Arbeiterbilder" der 60er Jahre waren umstritten. "Das waren keine Helden der Arbeit, wie sie gefordert wurden, sondern abgearbeitete, müde Gestalten, die gierig Bier tranken und Zigaretten rauchten", lautete das Verdikt der parteilichen Kunstkritik. 

Der Film porträtiert den Maler in seinem Widerstreit zwischen politischem Engagement und künstlerischem Eigensinn. Galeristen, Künstlerkollegen, Schüler und Experten liefern mit ihren Aussagen ein facettenreiches Bild des Künstlers, dessen 100. Geburtstag im Herbst 2021 mit einer großen Retrospektive im Kunstmuseum Moritzburg in Halle gewürdigt wurde.

Auch interessant

Menschen & ihre Geschichten