Die Tourismusarchitektur Jugoslawiens ist eine Erfolgsgeschichte. Als in den
frühen 1960er Jahren der Massentourismus an der Adria zu explodieren begann,
war man durch Zersiedelungen an anderen Orten des Mittelmeerraumes
bereits vor Fehlentwicklungen gewarnt. So bemühte man sich, den Massentourismus
mit dem Schutz der Landschaften und der historischen Stadtbilder in
Einklang zu bringen. Die von Tito verteidigte politische Eigenständigkeit Jugoslawiens
brachte in der Architekturgeschichte auch eine Loslösung von sowjetischen
Modellen mit sich. Schon früh experimentierte man hier mit Modernismus
und Brutalismus, später mit der Postmoderne. Es entstand eine fast kompromissfreie
innovative Architektur, in der sich auch multiethnische Gemeinschaften
mit ihren utopischen, kollektiven Ambitionen spiegelte. Mit dem Insistieren
auf einer zeitgemäßen Formensprache sollte dokumentiert werden, dass
der sozialistische Anspruch des Regimes mit architektonischer Offenheit und
Experimentierfreudigkeit vereinbar ist. Kulturelle Autonomie und künstlerische
Freiheit galten als spezifisch jugoslawische Werte, die Architekten und Stadtplanern
eine überragende Rolle bei der Umsetzung von Selbstverwaltungsprinzipien,
die in den 1950er-Jahren etabliert wurden, zugestand. Arbeitern,
denen nun die Fabriken "gehörten", sollte auch ein Urlaub am Meer ermöglicht
werden. So wurden Betriebsgewinne in den Bau von Hotelanlagen
für die Belegschaft investiert, was weiten Teilen der Bevölkerung erlaubte, ihre
Ferien an der Küste zu verbringen. Zu den Angeboten für die einheimische
Bevölkerung kam in den 1960er-Jahren, parallel zu einem rasanten Aufschwung
der Bauaktivitäten, die Ausrichtung auf ein ausländisches Publikum,
das eine lukrative Einnahmequelle darstellte. Jugoslawien wurde zum Urlaubsmagnet
für Menschen aus den Natostaaten wie für jene des Warschauer-
Paktes, es ist der Beginn der Tourismusindustrie als Devisenbringer. Große
Import-/Export-Unternehmen und sogar Rüstungsbetriebe machten sich daran,
Hotelanlagen zu bauen, um an die Devisen zu kommen. Die in den 60er und
frühen 70er Jahren erbauten Großanlagen sind gut erhalten. Die Planung sah
generell eine Zustimmung durch die örtliche Bevölkerung vor, was eine Zerstörung
der Strandlandschaft ebenso wie die soziale Abriegelung verhinderte. So
gilt bis heute, dass auch 5-Sterne-Hotels einen 100 Meter breiten Uferstreifen
für alle frei lassen müssen, und dass die gemeinschaftlichen Einrichtungen der
örtlichen Bevölkerung offen stehen.
Beispiele sind hier das Hotel Creina in Kranj, das Hotel Croatia im kroatischen Adria-Ort Cavtat und die Insel Krk.
boomte, die Kaufkraft der Bürger wuchs, in der Fortschrittsenthusiasmus
und Technikgläubigkeit (noch) die treibenden Kräfte sind. Es ist die
Zeit, in der gigantische Bettenburgen an Strände und in Berglandschaften gesetzt
wurden, um das "Tourismus-für alle"-Versprechen wahr zu machen. Das
ehemals der Oberschicht vorbehaltene Privileg des Reisens wurde zu einem
Volkssport. Es entstanden spezielle Regenerationsorte, auch Dörfer, die sich
emotional und visuell in das kollektive Gedächtnis von Generationen eingelagert
haben wie die wechselnden Sommerhits dieser Zeit. Diese riesigen Freizeitmaschinerien,
die in Ost wie in West entstanden, generierten eigene Architekturtypen,
die mit modernen Baumaterialien unterschiedliche Stile der Architekturgeschichte
aufgriffen: Brutalismus, Modernismus, Kubismus sind Signalbegriffe
dieser Bauweise. Heute erscheinen diese inzwischen historisch gewordenen
Urlaubskomplexe oft wie überdimensionale Findlinge in ansonsten
weitgehend geschützten See- und Gebirgslandschaften.
In drei Folgen sollen Urlaubszentren vorgestellt werden, die sich architektonisch
voneinander abheben und in deren architektonischen Konzepten sich
unterschiedliche Zielsetzungen ausdrücken.
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