Treffen von Senderverantwortlichen und Spitzenvertretern der Blinden- Sehbehinderten- und Gehörlosenverbände in Leipzig am 4.10.2012
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Unternehmen | Leipzig, 08.10.2012 MDR auf dem Weg zur Barrierefreiheit

09. Oktober 2012, 10:03 Uhr

Treffen von Senderverantwortlichen und Spitzenvertretern der Blinden- Sehbehinderten- und Gehörlosenverbände in Leipzig. Ein Stufenplan soll Behinderten die Teilhabe erleichtern.

Der MDR wird in seinen Fernsehprogrammen und in seinen Internetangeboten die Nutzungsbarrieren für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen deutlich reduzieren. In Leipzig trafen am 4. Oktober 2012 Spitzenvertreter von Blinden-, Sehbehinderten- und Gehörlosenverbänden, der Deutschen Zentralbücherei für Blinde, des Antidiskriminierungsbüros in Leipzig sowie Regierungsbeauftragte aus Mitteldeutschland, mit MDR-Verantwortlichen zusammen, um sich über die nächsten Schritte auf dem Weg zur Barrierefreiheit im Fernsehen und im Netz auszutauschen. Fazit: Es ist schon einiges erreicht, vieles auf den Weg gebracht und manches  noch zu tun.

Das Treffen in Leipzig fand vor dem Hintergrund statt, dass nach dem neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zum nächsten Jahresbeginn künftig auch Menschen mit Behinderungen zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden, die davon bisher befreit waren. Dies betrifft blinde und sehbehinderte Menschen, Hörgeschädigte und schwerbehinderte Menschen. Sie müssen künftig einen ermäßigten Beitrag in Höhe von einem Drittel des Rundfunkbeitrags entrichten. Nach wie vor gibt es unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit der Befreiung von der Zahlungspflicht. Das betrifft etwa taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe oder Empfänger von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung oder BAföG (detaillierte Informationen dazu gibt es im Internet unter www.rundfunkbeitrag.de).

MDR-Intendantin Karola Wille
MDR-Intendantin Prof. Karola Wille Bildrechte: MDR/Axel Berger

Die von der Gesellschaft getragene  Finanzierung garantiere, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk allen Bürgern frei von wirtschaftlichen und politischen Einflüssen Angebote unterbreiten kann, sagte MDR-Intendantin Karola Wille zur Eröffnung der Leipziger Begegnung. Wille: "Wir sind für alle da und deshalb wollen wir auch allen Gruppen ein Angebot machen, das informiert, berät, bildet und unterhält. Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist uns wichtig, deshalb wollen wir nicht nur punktuelle Aktionen zum Abbau von Barrieren sondern ein umfassendes Angebot, das möglichst alle nutzen können."

In den nächsten drei Jahren sollen Barrieren für seh- und hörbehinderte Menschen in einem Stufenplan Schritt für Schritt schwinden. Am Ende dieses Jahres werden etwa 30 Prozent der MDR-Fernsehsendungen für Gehörlose und Hörbehinderte untertitelt sein. Bis 2015 soll dieser Anteil auf mindestens 75 Prozent steigen, kündigte der MDR an. Dies gilt dann schon 2014 für alle Erstsendungen, auch die regionalen Informationsprogramme, in der Hauptsendezeit am späten Nachmittag und am Abend. Für 2015 plant der MDR mit einer lückenlosen Untertitelung aller Sendungen von 11 bis 22 Uhr. Hinzu kommt eine Verdoppelung der Herstellung von Hörfilmfassungen und Sendungen mit Audiodeskription aus dem Bestand des MDR. Das Regionalmagazin "MDR um 11" (ab 8. Oktober als Nachfolger von "MDR um 12") wird vom 2. Januar 2013 an im Live-Stream im Internet und zeitversetzt in der MDR-Mediathek mit Gebärdensprache angeboten. Ohnehin werden künftig alle bei Erstausstrahlung untertitelten Sendungen auch bei Nachnutzungen in der Mediathek mit Untertiteln angeboten. Die Untertitel sollen zu einem späteren Zeitpunkt auch über mobile Ausspielungen sowie in den Mediatheken des hybriden Fernsehens (HbbTV) nutzbar sein.

Treffen von Senderverantwortlichen und Spitzenvertretern der Blinden- Sehbehinderten- und Gehörlosenverbände in Leipzig am 4.10.2012
Blick in den Sitzungssaal in der Alten Börse während des Treffens. Bildrechte: MDR/Axel Berger

Einige Beiträge des MDR im ARD-Gemeinschaftsprogramm "Das Erste" werden heute schon mit Live-Untertiteln versehen (zum Beispiel "Brisant", "Feste der Volksmusik" und das Kulturmagazin "ttt – titel thesen temperamente"). Für Filme und Serien werden die Untertitel vorproduziert ("Tatort", Polizeiruf 110", "In aller Freundschaft", Dienstag-Hauptabendserien, Mittwochsfilm). Vom 1. März 2013 an wird der MDR ausschließlich untertitelte Sendungen ins Gemeinschaftsprogramm "Das Erste" einbringen. Ebenfalls schon vom nächsten Jahresbeginn an wird der MDR die Dienstagabendserien sowie seine Tierdokumentationen im "Ersten" in einer Hörfunkfassung anbieten. Bei "Tatort", Polizeiruf 110" und Mittwochsfilmen des MDR für das ARD-Gemeinschaftsprogramm gibt es diesen Service für Sehbehinderte schon seit 2009.

Die anwesenden Vertreter der Behindertenverbände aus Mitteldeutschland sowie die Beauftragten der Länder für die Belange von Menschen mit Behinderungen würdigten ausdrücklich den Stufenplan des MDR auf dem Weg zur Barrierefreiheit, forderten ihrerseits aber noch weiter gehende Schritte. So sollen ihrer Meinung nach Menschen mit Behinderung häufiger und selbstverständlicher von den Medien und damit von der Gesellschaft wahrgenommen werden. MDR-Intendantin Karola Wille griff diese Anregung auf und verwies auf die in diesem Jahr eingeführten Programm-Schwerpunktsetzungen durch spezielle Thementage im MDR. Dieses Instrument könne sie sich gut vorstellen, um die Anliegen von Menschen mit Behinderung auffällig einem großen Publikum bekannt zu machen.

Bemängelt wurde aus der Runde der Verbände und Institutionen, dass unter den 43 Mitgliedern des MDR-Rundfunkrates keine Vertreter der Menschen mit Behinderung seien. So forderte der Behindertenbeauftragte der Landesregierung Sachsen-Anhalt, Adrian Maerevoet, im Einklang mit mehreren Vertretern der Behindertenverbände: "Auch der MDR-Rundfunkrat sollte in seiner weiteren Begleitung der Angebote des MDR die Perspektive von Menschen mit Behinderungen stärker berücksichtigen. Dazu wäre es hilfreich, wenn der Gesetzgeber einen festen Sitz für Menschen mit Behinderungen in diesem Gremium vorsehen würde."

Ein weiterer Vorschlag galt der Zusammensetzung der Redaktionsteams, die sich mit dem Abbau von Barrieren beschäftigen. Die Einbeziehung von Betroffenen könne hier Fehler vermeiden helfen, die Nicht-Behinderte nur schwer vorhersehen können, argumentierte beispielsweise der Direktor der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig, Dr. Thomas Kahlisch. Den Wunsch, das Gespräch zwischen behinderten Menschen und Senderverantwortlichen zu verstetigen, hat die MDR-Intendantin aufgegriffen und eine Einladung zu einem jährlichen Gedankenaustausch ausgesprochen. Das Treffen von dieser Woche sah sie als Beginn eines  kontinuierlichen Dialogs: "Auf einige Ihrer Fragen haben wir noch keine Antworten und werden sie mit den Programmverantwortlichen diskutieren. Aber sicher ist: Wir brauchen Ihren Rat bei der Lösung der Probleme. Unser dauerhaftes Gesprächsangebot steht."