Leipziger Sinfonie-Orchester wird eigener Klangkörper der Mirag

Trotz dieser sehr schmal wirkenden Programmstruktur darf nicht vergessen werden, dass alles ausnahmslos live gesendet wurde. Gelegentlich gab es um 19:30 Uhr einen Halbstundenvortrag, einen festen Senderplatz hatte dieser noch nicht. Leiter des Wortprogramms (des sogenannten Literarischen Programms) war Julius Witte, ein früherer Presseredakteur, der damit vom Hörspiel bis zu den Vorträgen Verantwortung trug. Wittes musikalisches Pendant war der Kapellmeister Alfred Szendrei, der zudem als Leiter des Leipziger Sinfonie-Orchesters wesentlich an der Einbindung des Klangkörpers in das Programm ab Herbst 1924 sorgte.

Sendelücken werden gefüllt

Ab Mai wurden die nächsten festen Sendeplätze belegt: So gehörte die Zeit zwischen 16:30 und 18:00 Uhr dem Nachmittagskonzert. Der Halbstundenvortrag hatte vor allem donnerstags und freitags seinen Platz gefunden. Neben radio-technischen Vorträgen waren dies vor allem Themen, bei denen sich die Programmverantwortlichen eher einem Bildungs- als einem Unterhaltungsauftrag verpflichtet sahen. Das Spektrum reichte von Musik, Theater, Literatur, Geschichte und Philosophie über Psychologie und Pädagogik bis hin zu Geographie, Wirtschafts- und Rechtswissenschaft sowie Landwirtschaft, die anfangs als Einzelvorträge liefen, mit der Zeit jedoch zu ganzen Vortragsreihen ausgebaut wurden.

Mirag bietet lukrative Nebeneinnahmen

Glaubt man damaligen Kritikern, so teilten die dabei vortragenden Dozenten und Professoren ihre Vorlesungsreihen in 30-Minuten-Blöcke, für die jeweils bis zu 75 Reichsmark Honorar gezahlt wurden. Mit Blick auf damalige Einkommensverhältnisse gewiss ein lukrativer Verdienst, wurde doch einem gelernten Arbeiter in der sächsischen Metall- und Maschinenindustrie im Dezember 1924 ein Stundenlohn von 0,56 Reichsmark gezahlt.

Aktuelle Sendungen außerhalb der politisch sehr restriktiv gehaltenen Nachrichten gab es relativ früh. Dazu gehörte eine Sondersendung zur Reichstagswahl vom 4. Mai 1924, bei der bis weit in die Nacht Stimmergebnisse bekanntgegeben wurden. Hierbei nutzte die Mirag ihre Verbindung zum Korrespondentennetz der "Leipziger Neuesten Nachrichten".

Kaum aktuelle Innenpolitik

Während "Vaterländische Abende", Gedenkfeiern zur Reichsgründung 1871 oder zur Völkerschlacht von 1813 fest zum Repertoire gehörten, fanden aktuelle innenpolitische Berichte keinerlei Eingang in das aktuelle Programm. Hingegen erlebte im Mai 1924 der "Bunte Abend" - eine Mischung aus unterhaltender Musik und Rezitationen - seine Premiere im Leipziger Programm.

Im Juni wurde das aktuelle Programm um eine Komponente erweitert: den Sportfunk, der nun am späten Abend ausführliche Meldungen mit starkem regionalem Bezug brachte. Außerdem wurden die Wirtschaftsnachrichten stärker auf die Zielgruppen ausgerichtet: mittags gab es vor allem Informationen für die ländliche Bevölkerung, die Meldungen um 13 Uhr und 16.40 Uhr richteten sich an Interessenten für Devisen- und Börsenkursen.

Die im Oktober 1924 eingeführten sonntäglichen Morgenfeiern trugen zwar religiösen Charakter, wurden jedoch nicht von den beiden großen Konfessionen selbst ausgetragen.