Ein Jahr Cannabis Cannabis als Medizin
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Es ist genau ein Jahr her, dass ein Gesetz beschlossen wurde, Cannabis als Medizin zuzulassen. Seitdem kann jeder Arzt - abgesehen von Tier- oder Zahnärzten - Cannabis verschreiben. Über das Für und Wider wurde viel und heftig debattiert. Eine Cannabis-Patientin und zwei Ärztinnen, die das Medikament seit einem Jahr einsetzen, ziehen Bilanz.

Beate Kehrenberg aus Freyburg an der Unstrut musste wirklich lange suchen, um die große Tüte mit ihren alten Medikamenten zu finden. Schwere Arthrose und Weichteilrheuma machten ihr jede Bewegung zur Hölle. Deshalb bekam sie Opiate, nach ihren Worten hart an der Grenze zur Höchstdosierung. Seit sie Cannabis-Tropfen bekommt, kann sie viele ihrer anderen Schmerzmedikamente weglassen.
Beate Kehrenberg berichtet von einer völlig neuen Lebensqualität dank der Cannabis-Tropfen. Die Schmerzen sind zwar nicht ganz weg, sagt sie, "aber ich kann wieder mit meinem Hund laufen." Und auch Treppensteigen sei kein Problem mehr.
Beate Kehrenberg ist ein typisches Beispiel für Patienten, die für eine Behandlung mit Cannabis in Frage kommen. Patienten mit chronischen Nerven- oder Muskelschmerzen, mit Krampfanfällen sprechen nach den Erfahrungen gut auf Cannabis an, sagt Dr. Kerstin Pieper, die Ärztin von Beate Kehrenberg.
14 Patienten behandelt Dr. Pieper mit Cannabis. Bei einem zeigte das Medikament keine Wirkung und wurde wieder abgesetzt. Ähnliche Erfahrungen hat Oberäztin Dr. Lilit Flöther gemacht. Sie leitet die Schmerzambulanz am Uniklinikum in Halle:
Was wir merken bei unseren Patienten, dass der Nachtschlaf besser wird, dass die innere Ruhe geschaffen wird und dass wir das als bestimmte Art der Besserung der Lebensqualität sehen.
Die große Angst vor Schmerzschüben verringert sich bei vielen, der Appetit nimmt zu. Und bei den meisten sind bei vorsichtiger Dosierung kaum oder keine Nebenwirkungen zu beobachten. Eine von über 10 Patientinnen und Patienten von Dr. Flöther zeigte eine Art Psychose. Sie sah fremde Menschen in ihrem Garten, die nicht da waren. Das Medikament wurde abgesetzt und durch ein anderes Cannabis-Präparat ersetzt. "Und selbst bei dieser Patientin haben wir Cannabis von einem auf einen anderen Wirkstoff umgesetzt", erklärt Flöther. "Nach dieser Umstellung verträgt diese Patientin Cannabis besser."
Dr. Kerstin Pieper und Oberärztin Dr. Lilit Flöther sehen in Cannabis kein Wundermittel, sondern verstehen es als gute und wertvolle Ergänzung in der Schmerzmedizin. Und nach wie vor als Ausnahmemedikament. Aus den 600 bis 700 Anträgen, die offiziell erwartet wurden, sind bundesweit innerhalb eines Jahres etwa 13 000 geworden, die bei den Krankenkassen eingegangen sind. Mehr als die Hälfte dieser Anträge wurde genehmigt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 11. März 2018 | 08:23 Uhr